Juden und Christen und ihre Einstellung zu Fremden
1. Fremde im jüdischen Volk vor Jesus
Das Thema „Fremd sein“ bestimmt Israels Glauben massiv. Wir können anhand von Texten des Alten Testaments zweierlei entdecken:
Aufgabe 1: Lies Exodus / 2. Buch Mose 22,20-26 und 23,1-12 und 5. Buch Mose / Deuteronomium 10,18-19.
Was kannst Du zu dem Thema entdecken?
Aufgabe 2: Lies Psalm 144
Was kannst Du zum Thema entdecken?
Die Menschen des Volkes Israel wurden von den Ägyptern als Sklaven gehalten und sahen sich in Ägypten als Fremdlinge, als Menschen zweiter Klasse, ohne Rechte, an. Das Volk wurde von Gott durch Moses aus Ägypten herausgeführt – und soll nun seinerseits Menschen, die zu dem Volk stoßen, nicht als Fremde behandeln: nicht als zweitklassig, als Rang niedriger, rechtlos. Gott ist ja auch Schöpfer aller Menschen.
Gleichzeitig gibt es im Alten Testament und anderen jüdischen Traditionen Texte, die davon sprechen, Fremde zu bekämpfen. Das hängt damit zusammen, dass Israel immer wieder von fremden Mächten bedroht und überfallen wurde. Als Israel dann unter der Herrschaft griechischer und römischer Mächte stand, arbeiteten ein paar Juden mit den Heiden zusammen, andere lehnten das massiv ab. Und so gibt es Texte aus der so genannten zwischentestamentlichen Zeit (also der Zeit, in der die Schriften entstanden sind bzw. gesammelt wurden, die wir im Alten Testament finden und dem Beginn neutestamentlicher Schriften), in der Fremde und Menschen, die mit den Fremden zusammenarbeiteten, bekämpft werden: Da sind die Makkabäer-Bücher zu nennen oder Schriften, die in Qumran am Toten Meer gefunden wurden.
Aufgabe 3: Lies das Buch Rut(h): Was kannst Du zum Thema entdecken?
Mit Ruth hatte der große König David eine Fremde als Vorfahre. Und damit auch Jesus.
2. Jesus und Fremde
In dieser Zeit des Kampfes zwischen frommen Juden, die die Zusammenarbeit mit Fremden ablehnten und Juden, die mit Fremden zusammenarbeiteten, lebte Jesus. Welche Stellung nahm er zu Fremden ein? Diese Frage ist sehr spannend und wird in der Forschung intensiv diskutiert.
Einerseits finden wir im Neuen Testament negative Worte im Mund Jesu, so wenn er vom plappern der Heiden beim Gebet spricht, oder davon, dass man den Schweinen nicht die Perlen vorwerfen solle. Wir hören auch, dass er nicht zu den Heiden, den Hunden, gesandt wurde, sondern zu Menschen des Hauses Israel.
Aufgabe 4: Lies: Matthäusevangelium 6,7 und 7,6 Markusevangelium 7,24-30.
Der letztgenannte Text zeigt, dass Jesus einerseits den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf Israel legte, andererseits aber keine grundsätzlichen Ablehnungen gegenüber Menschen aus den Heiden zeigte. Gefährlich wurde für Jesus die folgende Frage:
Aufgabe 5: Lies: Markusevangelium 12,13-17.
Die Frage war gefährlich, weil Jesus sich hier outen musste: Hältst du es mit den Feinden Israels, den Feinden deines Volkes oder hältst du es mit denen, die unsere Feinde bekämpfen. Jesus hatte eine überraschende Antwort.
Aufgabe 6: Warum ist diese Antwort, die der Text Markusevangelium 12 gab, überraschend? Welche Folgen hat sie für das alltägliche Leben?
Wichtig ist aber auch, dass Jesus einen heidnischen Feind – einen römischen Offizier – als Vorbild hinstellen konnte:
Aufgabe 7: Lies: Matthäusevangelium 8,5-13
Darüber hinaus hat Jesus auch andere „Fremdheiten“ überwunden:
- Er hat sich nicht gescheut, mit Blutkranken in Berührung zu kommen. Das war früher ein Grund, kultisch unrein zu sein, das heißt, man durfte keinen Kontakt mit Gott / Götter haben.
- Er hat sich nicht gescheut, mit Menschen zu verkehren, die von der Gesellschaft zu „Fremden“ erklärt wurden: Kollaborateure (Zöllner), Prostituierte…
- Er hat sich nicht gescheut, Aussätzige zu berühren. Aussätzige waren Menschen mit einer Hautkrankheit, die man aus den Dörfern ausgeschlossen hat, weil man Angst hatte, man bekommt auch diese Krankheiten.
Aufgabe 8: Es ging wohl auch um Lepra. Lepra ist eine ganz schlimme Krankheit: Recherchiere zu diesem Thema. Beginne hier: https://www.dahw.de/
Aufgabe 9: Lies die folgenden Texte – auch sie haben etwas mit unserem Thema zu tun. Erkennst Du, was sie mit ihm zu tun haben?
- Matthäus 25,31ff.
- Markus 7,24ff.
Aufgabe 10: Lies Matthäusevangelium Kapitel 2. Was kannst Du zum Thema entdecken?
3. Situation in Israel nach Jesu Hinrichtung
a) Nachdem Jesus hingerichtet worden war, verschärfte sich die Situation in Israel massiv. Die Feinde bekamen immer mehr Macht – diejenigen, die mit den Fremden zusammenarbeiteten, konnten sich nicht mehr durchsetzen. Es begann ein Krieg, der 70 n. Chr. – also 40 Jahre nach der Hinrichtung Jesu – zur Eroberung Jerusalems durch die römischen Truppen führte. Viele Juden wurden in die Sklaverei verkauft, wurden hingerichtet – nichts war mehr wie vorher. Langsam bildete sich Tiberias als Hochburg der Bildung heraus, aber 135 n. Chr. – nach einem erneuten Aufstand von Juden – wurde das Volk in alle Winde zerstreut. Nur wenige Juden wurden noch in Israel gelassen. Es begann die Zeit in der Fremde – und hier schlossen sich Juden vielfach von den Menschen ihrer Umgebung ab, so gut sie es konnten und wurden immer wieder angefeindet, verfolgt, der abstrusesten Dinge beschuldigt. Sie lebten freilich in beruflichem Kontakt mit anderen, aber sie lebten auch ihren Glauben vielfach in Abgrenzung von den Nichtjuden.
b) Und was machten die Juden-Christen in diesen 40 Jahren zwischen Jesu Hinrichtung und der Eroberung Jerusalems durch die Römer?
Das war die große Leistung des Petrus, des Paulus, des Philippus und vieler anderer, dass sie ihre jüdische Tradition mit Hilfe des Glaubens an Jesus Christus für Menschen aus den Heidenvölkern geöffnet haben. Sie hatten keine Scheu mehr davor, mit den Fremden in Berührung zu kommen. Vor Jesus dachte man, dass der Mensch Gottes, der heilige Mensch, durch Nichtglaubende verunreinigt, unheilig würde. Mit Jesus hat man nun erfahren, dass der Heilige, der Mensch, der zu Gott gehört, nicht durch solche Äußerlichkeiten von Gott getrennt wird, sondern die Gesinnung, die innere Haltung allein kann ihn von Gott trennen. Wenn ein Mensch heilig ist, dann kann er mit allen Kontakt haben, die als Fremde ausgestoßen worden waren. Mit Kranken, mit Aussätzigen, mit Behinderten, mit Besessenen, mit Fremden… – kann er zusammenleben. Diese Zuordnung mag heute befremdlich erscheinen, aber diese spiegelt die Gesinnung von damals wieder – und wenn wir ehrlich sind, dann prägt das Trennende unser spontanes Handeln und Denken noch heute. Menschen aus den heidnischen Völkern wurden froh, dass sie nun auch den Gott kennenlernen und lieben lernen durften, der sich den Juden gezeigt hatte.
Aufgabe 11: Lies: Epheserbrief 2,11-4,32
4. Die Stellung von Christen zu Fremden bis in die Gegenwart
Seitdem gibt es Christen auf allen Kontinenten, in allen Ländern – auch wenn manche Länder Christen bekämpfen, so konnten sie nicht verhindern, dass Menschen sich von der Liebe Gottes erleuchten lassen.
Christen denken also anders als viele Religionen und Völker: Christen sprengen Grenzen. Sie sind zwar Teil ihres Landes, ihrer Nation, ihrer Familie – aber gleichzeitig gehören sie zu einer weltweiten Gemeinschaft, die grenzenlos ist. Und jeder, der noch nicht an Jesus Christus glaubt, ist nicht auszugrenzen, sondern im fröhlichen Umgang mit ihm kann er zum Christen werden. Christen sind hier sehr selbstbewusst.
Für den christlichen Glauben zählt nämlich etwas anderes als die Abschottung, eine neue Lebensweise: Liebe Gott und deinen Nächsten. Und das wird von Jesus seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern mit auf dem Weg gegeben – auch als Forderung.
Aufgabe 12: Lies: Lukasevangelium 10,25-37
Es wurde freilich deutlich: Christen leben unter allen Menschen – und auch dann, wenn sie verfolgt werden, ihren Glauben. Das bedeutet andererseits, dass Christen nicht Fremden zuliebe auf ihren Glauben und ihre Lebensweise verzichten. Sie scheuen nicht die Konfrontation – genauso wenig, wie Jesus die Konfrontation gescheut hat. Wenn Ungerechtigkeiten geschehen, werden sie benannt, wenn etwas dem christlichen Glauben widerspricht, dann machen sie nicht mit. Das führt immer zu Konflikten, das führt immer zu Verleumdungen, zu Verspottungen – ja, bis hin zu Ermordungen von Christen.
Aufgabe 13: Wenn Ihr ein paar Stunden Zeit habt, dann lest mal die gesamte Apostelgeschichte!
In ihr wird im Grunde das Leben von Christen während der gesamten Kirchengeschichte hindurch vorabgebildet dargestellt.
Aufgabe 14: Wenn Ihr Euch über die Gegenwart informieren wollt: http://www.opendoors-de.org/ http://www.csi.or.at/
Aber welche Konsequenzen hat Verfolgung usw. für das Verhältnis zu Fremden?
Das Verhalten Fremder gegenüber Christen darf nicht das Verhalten der Christen gegenüber den Fremden bestimmen. Jesus lehrt das Feindesliebegebot:
Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt – halte ihm auch die linke Wange hin (Matthäusevangelium 5,38-49).
Es geht hier um „intelligente Feindesliebe“. Das heißt nicht, dass man sich alles gefallen lässt. Das bedeutet, dass man versucht, überraschend zu handeln. So zu handeln, dass der andere, wenn es gut geht, zur Besinnung kommt und von seiner Feindschaft ablässt. Feindesliebe bedeutet nicht, dass Liebe ein Liebes-Gefühl ist. Liebe bedeutet in der Zeit Jesu in diesem Kontext, dass man dem anderen Gutes tut, auch wenn er es eigentlich „nicht verdient“ hätte. Damit soll die Gewaltspirale unterbrochen werden. So hat auch das Nächstenliebegebot (Tue dem anderen das, was du möchtest, dass er dir tue) eine Besonderheit: Man geht in Vorleistung. Das ist nicht leicht.
Aufgabe 15: Überlege: Gibt es bessere Wege?
Was den normalen Alltag aber prägen sollte, ist das Miteinander. Als Menschen haben wir großes Interesse daran – friedlich zusammenzuleben, zum Wohl aller.
Der Apostel Paulus rät: Ist es möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. (Römerbrief 12,18)