Zeugen für die Existenz Jesu in den Evangelien und weiteren frühchristlichen Texten

Ein Vorwurf lautet: Nur Markus und der Verfasser der Logienquelle Q bzw. die Überlieferer des jeweiligen Sondergutes zeugen von Jesus. Die Basis, auf der die Jesus-Überlieferungen beruht, ist also sehr klein.

Das muss jedoch differenziert gesehen werden:

1. Markus

Das Markusevangelium nimmt Texte aus unterschiedlichen Orten auf. Nicht Markus hat diese Texte „erfunden“, er hat Überlieferungen aufgegriffen. Das kann man daran erkennen, dass sie unterschiedliche Merkmale aufweisen (z.B. Jericho-Bethanien-Texte nennen Namen, in den Kapernaum-Texten geht es häufiger um Kinder, in Dekapolis-Texten herrscht ein magischeres Verständnis vor usw.):

  1. Nazareth-Bereich
  2. Kapernaum-Bereich
  3. Jericho-Betanien-Jerusalem-Bereich
  4. Dekapolis (heidnisches Umfeld Israels)
  5. Die Eschatologische Rede hat einen eigenen Charakter
  6. Die Auferstehungsgeschichte hat er übernommen

2. Logienquelle (Sammlungen von Worten Jesu – von Zeitgenossen)

Die Logienquelle ist nicht einer Person zuzuordnen. Es lassen sich unterschiedliche Sammlungsstufen erkennen.

3. Sondergut (im Wesentlichen verarbeitete Aussagen Jesu; Gleichnisse. Darüber hinaus Geburtsgeschichten)

Das Sondergut des Matthäus basiert wie das des Lukas auf unterschiedlichen Traditionen. Die jeweiligen Geburtsgeschichten haben z.B. einen anderen theologischen Hintergrund als die eschatologischen Reden im Matthäusevangelium bzw. die Gleichnisse im Lukasevangelium.

4. Paulus (Christ geworden ca. 3-5 Jahre nach Jesu Hinrichtung)

Paulus hat Christen verfolgt und hat von ihnen viel Infos über den christlichen Glauben bekommen und hat diese in Auseinandersetzung mit den Jüngern Jesu in eigenständiger Weise aufgenommen.

5. Johannes (Grundlage der Schrift von einem Jünger, Ergänzungen durch Schüler des Johannes?)

Das Evangelium des Johannes hat eigenständige Traditionen aufgenommen.

6. Weitere neutestamentliche Texte

Neben den genannten Texten haben wir Zeugen Jesu Christi in den Deuteropaulinen (Schriften von Schülern des Paulus), in den Johannesschriften, die unterschiedlichen Autoren zugeordnet werden, vor allem auch die Apostelgeschichte greift vielfältige Traditionen auf.

7. Außerneutestamentlich

gibt es weitere zum Teil recht früh einzuordnende Texte, z.B. das Thomasevangelium, die Oxyrhynchos Papyri, Barnabasbrief, Didache

8. Fazit:

Das bedeutet: Auch innerhalb neutestamentlicher Texte lassen sich viele Rückschlüsse auf die Existenz Jesu ziehen. Paulus hätte zum Beispiel Christen kaum verfolgt, wenn sie nur einer Phantasiegestalt gefolgt wären – eine solche hätte wahrscheinlich auch in der damaligen Zeit (vor allem in den wenigen Jahrzehnten) keine Anhänger gefunden. Zudem gibt es zahlreiche frühe Überlieferungen, die wir nicht im NT finden. Deutlicher ist jedoch: Es gibt zahlreiche Schriften, die Jesus Christus bezeugen, das sowohl innerhalb als auch außerhalb des NT.

Es sei noch angemerkt, dass etwas eigenartig ist. Die synoptischen Evangelien thematisieren kaum aktuelle Ereignisse der Jahre 70-90. Die Zerstörung Jerusalems, die im Jahr 70 stattgefunden hat, und in die Christen sehr stark aufgrund von Flucht und Bedrängnis involviert waren, wird nur am Rande erwähnt bzw. sacht angedeutet. Innergemeindliche Auseinandersetzungen wie die zwischen Paulus und Jakobus – Heidenmission ja oder nein bzw. der Umgang mit Heiden – spielen auch so gut wie keine Rolle. Die 12 Jünger waren Apostel – nicht Paulus. Augustus und Herodes, Pilatus – Herrscher in der Zeit Jesu sind Thema, nicht aber all die grausamen Herrscher seitdem, unter denen Christen zu leiden hatten. In der Zeit nach der Zerstörung Jerusalems waren nicht Pharisäer die, mit denen sich die Gemeinde auseinanderzusetzen hatte, sondern die Rabbis. Die Evangelien konzentrieren sich auf Jesus und seine Zeit.