Stufen der Entwicklung des Menschen – Stufen religiöser Entwicklung (Schlaglichter)

Zur besseren und differenzierteren Einordnung dieser Notizen siehe die unten genannte Literatur.

Anlehnung an Kohlberg

Kindesalter:

  • Präkonventionelle Moralstufe:
  • Orientierung an einer Autorität, bzw. Orientierung an einem Gegenüber.
  • Belohnung/Strafe.
  • Sprache beginnt die Welt zu ordnen.

Übergang zum Jugendalter:

  • Emotional begründete Handlungen.
  • Fähigkeit zu abstrahieren.

Jugendalter:

  • Konventionelle Moral: Übereinstimmung mit der Gruppe – Clique – Altersgenossen,
  • bzw. später: Übereinstimmung mit der Mehrheit.

Junge Erwachsene:

  • Postkonventionelle Moral: Eigene Entscheidungen: a) sozialverträglich; b) weltweite ethische Prinzipien.

Anlehnung an Eriksson

Kleinkind/Kind:

  • Urvertrauen (ich bin, was man mir gibt).
  • Autonomie (ich bin, was ich will).
  • Initiative (ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden).
  • Werksinn (ich bin, was ich lerne).

Jugendalter:

  • Ich-Identität (ich bin, was ich bin).

Junge Erwachsene:

  • Intimität/Solidarität (wir sind, wen wir lieben).

Erwachsene:

  • Generativität (ich bin, was ich bereit bin zu geben [eigene Kinder, fremden Kindern helfen…]).

Ältere Erwachsene:

  • Ich-Integrität (ich bin, was ich mir angeeignet habe).

Anlehnung an Oser – Gmünder – Fowler

Kleinkind/Kind:

  • Heteronomie/Abhängigkeit (Gott kann alles) =
  • a) Primärer Glaube
  • b) Projektiver Glaube: Einbildungen und Beginn von Interpretationen (Ich+Welt sind eine Einheit).
  • Relative Autonomie (ich gebe dir Gott – damit du mir gibst [Gebet – Gebetserhörung, ich bin lieb – du gibst Gutes…], ich gebe dir nicht, weil du mir nicht gibst…).
  • Mythisch-wörtlicher Glaube.

Jugendalter:

  • a) Ablehnung des Glaubens: Autonomie (Gott handelt – der Mensch handelt). Selbstbestimmung verdrängt Gott. Der Mensch ist für alles verantwortlich. (*)
  • b) Reflektierender Glaube bzw. im Gegenteil c) Emotionaler Glaube.

Junge Erwachsene:

  • Transzendenz/Gott ist Bedingung für Autonomie (der Mensch kann frei handeln, weil Gott es ihm ermöglicht).
  • Verbindender Glaube: Mehrdimensionalität von Wahrheit.

Erwachsene:

  • Integration von göttlicher und menschlicher Autonomie (Transzendenz und Immanenz durchdringen sich, Gottes Handeln und das Handeln des Menschen interagieren).
  • Universalisierender Glaube.

(Nicht berücksichtigt wird von den Forschern der Alltagsatheismus bzw. Atheismus. Der wird eher als Phase angesehen.)

(*) Anmerkung: Ich habe mich von meiner kindlich emotionalen Phase gelöst und trete gefühlsmäßig in die rationale Welt der Erwachsenen ein – von daher kommt mir der Religionsunterricht in die Quere, weil er mich an eine vergangene Wirklichkeit erinnert. Die Entweder: Glaube – oder: Atheismus -Phase kann später in andere Phasen übergehen.

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Weitere Überlegungen:

Der Mensch greift Wissen anderer auf und teilt es, er erklärt damit die Welt (er ist Teil einer Kultur, einer bestimmten Gruppe in der Gesellschaft usw.). Nicht nur unbewiesenes Wissen von Religion, sondern auch von Naturmagie und Wissenschaft werden in das Weltbild integriert. Denn es kann nie alles bewiesen werden.

Grundlage A:

Für Kinder ist die Welt nicht ohne Gott / etwas Transzendentes denkbar – nennen wir diese Haltung: Gott-Mystik.

  • Gott ist alles – alles ist Gott.

Grundlage B:

Für Kinder ist die Natur, ist alles um sie herum, ansprechbar, hat einen Willen – nennen wir diese Haltung: Natur-Mystik. Alles in der Welt ist eine aufeinander bezogene Einheit:

  • Das Kuscheltier lebt,
  • Tiere sind wie Menschen,
  • Alltägliche Gegenstände sind belebt,
  • Natur ist magisch, ist handelndes Subjekt (dazu siehe die verschiedensten Pixi-Bücher, Filme für kleine Kinder…)

Grundlage C:

Das Kind will wissen. Alles wird untersucht. Es will den Grund allen Seins herausfinden: „Warum?“ Wie funktioniert was?

Wir haben diese Grundlagen – doch dann trennen wir uns:

1. Der christliche Mensch

Dieses Wissen von Gott wird differenzierter mit den Jesus-Geschichten, es wird langsam sowohl emotional als auch rational mit dem Glauben der Erwachsenen kompatibel. Natur ist Schöpfung, von Gott gewollt, ich muss sie nicht fürchten, kann sie beherrschen, achte sie aber, weil ich Teil der Schöpfung bin.

  • Woher ich das weiß? Durch den Glauben derer, die sich auf die Bibel berufen, durch eigene Erfahrungen, die mit den Deutungsmustern kompatibel sind, durch logisches Denken.

2. Der naturmystische Mensch

Der emotionale Zugang zur Natur überlebt die Kindheit und hält durch bis in das Erwachsenenalter. Natur wird weiterhin magisch beschrieben, verehrt, sprachlich vermenschlicht: Natur leidet, Natur schlägt zurück, … Ich bin Teil der Natur, die Natur steht über mir, ich muss mich ihr anpassen, der Mensch ist ein zufällig entstandenes Naturwesen.

  • Woher ich das weiß? Ich fühle es – ich erkenne es überall.

3. Der wissenschaftlich rationalisierende Mensch

Rationaler Zugang: Erkennen: Kuscheltier lebt nicht, Tiere sind Tiere, Gegenstände sind Materie, Natur ist Objekt. Der Mensch beherrscht Natur, er macht mit ihr, was er will, sie ist ihm unterworfen. Der Mensch hat sich am weitesten entwickelt (wohl Zufall) – entsprechend geht er mit ihr um, zum Teil unverantwortlich, zum Teil verantwortlich. Da er aber alles in seiner Hand haben will (zum Guten) schadet er der Natur – vielleicht („vielleicht“, weil der Mensch nicht alles in der Hand hat).

  • Woher ich das weiß? Teile der Technik, Philosophie und Naturwissenschaften sagen es, ich kann es nachvollziehen.

4. Mischungen

In der Begegnung mit anderen Weltbildern entstehen individuelle Mischungen dieser drei hier genannten Formen.

5. Die einzelnen Positionen können auch extrem gelebt werden.

Zu 1. Im Extrem bedeutet das religiösen Fundamentalismus. Man nimmt den Glauben anderer nicht wahr, nicht andere Weltbilder, bekämpft sie.

Zu 2.: Im Extrem bedeutet das eine Infantilisierung des Individuums und auch ganzer Teile der Gesellschaft. Man nimmt den Glauben anderer nicht wahr, nicht andere Weltbilder, bekämpft sie.

Zu 3.: Im Extrem bedeutet das, es zählt nur das, was man als logisch ansieht, das, was messbar ist, Materialismus. Man nimmt den Glauben anderer nicht wahr, nicht andere Weltbilder, bekämpft sie.

6. Zusammenfassung

Kein Mensch steht über den Dingen. Wir sind Teil der Kultur, der Weltbilder, der Vorstellungen, die Menschen haben. Das zu erkennen fördert: Bescheidenheit und Toleranz und eine argumentative Auseinandersetzung – die sich allerdings bewusst ist, dass nicht alle die gleiche Vorstellung davon haben, was Logik ist, was richtiges Argument, was menschlich ist, was gut ist… Zu beachten ist, dass die Entwicklungsphasen schmerzhaft sein können: Sich von alten Vorstellungen lösen ist notwendig, um neue Dimensionen des Glaubens zu erschließen, ihn mit dem Alltag verbinden zu können.

Literatur:

Es gibt eine große Bandbreite an Theorien zur Entwicklungspsychologie. Dazu s. als Einführung: https://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklungspsychologie

Dazu s. auch: https://www.bibelwissenschaft.de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/entwicklungspsychologie/ch/7d670db8eb8b7d308d32581e982b97c2/

Zu Kohlberg s.: Kohlberg, Lawrence, Die Psychologie der Moralentwicklung, Frankfurt a.M. 1995

Zu Eriksson s.: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt/M. 1966

Zu Fowler s.: Fowler, James W., Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 2000.

Zu Oser/Gmünder s.: Oser, Fritz und Gmünder Paul, Der Mensch – Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein strukturgenetischer Ansatz, Gütersloh 4. Auflage 1996.