PLURALISTISCHE RELIGIONSTHEOLOGIE

Es gibt verschiedene Ausprägungen der pluralistischen Religionstheologie – aber alle beschäftigen sich damit, die traditionelle Theologie und Christologie zu überprüfen und neue Wege zu gehen. Die pluralistische Religionstheologie ist seit ca. 1955 dabei, ihre Positionen zu erarbeiten. Vorläufer waren Wilfred Cantwell Smith, der in seinen zwischen 1963 und 1981 erschienen Werken zwischen den individuellen Glauben und der empirisch zugänglichen Religion unterscheidet. Bahnbrechend war seit 1957 mit zahlreichen Werken John Hick. Der Glaube an die Existenz eines Gottes sei weder zu beweisen noch zu widerlegen, also kann die Annahme der Existenz Gottes eine Hypothese bleiben. Es gibt eine Vielfalt an religiösen „Wahrheiten“, womit sich die Frage nach dem wahren Gott stellt. Hick selbst sieht eine transzendente Wahrheit gegeben, von der jede Religion ein Stückchen Wahres erkennt (wobei auch die Möglichkeit offen gelassen wird, dass andere Religionen vom eigenen Standpunkt her gesehen auch als abwegig beurteilt werden können). Gott könne nicht adäquat personal oder inpersonal aufgefasst werden, weil Gott eine unendliche Wirklichkeit sei; beide Vorstellungen, von Gott als Person oder als Nicht-Person können allerdings authentische Teilbilder von dieser unendlichen Wirklichkeit sein.

Im Zuge der Auseinandersetzungen wird unterschieden zwischen folgenden religionstheologischen Modellen:

Exklusivismus:

die eigene Religion schließt andere Religionen aus (zum Beispiel: Jesus Christus ist die einzige Offenbarung Gottes).

Inklusivismus:

die eigene Religionen erkennt Inhalte anderer Religionen an – sieht ihre eigenen Aussagen aber der Wahrheit näher (zum Beispiel: Jesus Christus [der Logos; Geist usw.] äußert sich in allen Religionen, aber letztgültig nur im Christentum; der andersgläubige ist nur ein verlorener Sohn).

Pluralismus:

alle Religionen stehen auf gleicher Stufe (zum Beispiel: Jesus ist nur eine Gottes-Inkarnation unter vielen; Jesus ist nicht der einzige Christus, sondern allein als Mensch mit guten Lehren zu betrachten, das darum, weil Jesus sich selbst auch nur als Mensch angesehen hat; das Bekenntnis „solus / allein Christus“ ist nur eine Aussage, die innerhalb des Christentums gilt – wobei auch ein Pluralist die Einzigartigkeit Jesu nicht leugnen muss, aber damit rechnet, dass auch weitere Mittlergestalten einzigartig sein können.

Es stellt sich die Frage, wieweit Religionstheologie und Interreligiöser Dialog (siehe unten) miteinander verquickt werden dürfen. Religionstheologie ist verquickt mit Religionsphilosophie – ist eine Art Meta-/Über-Religion –, während der Interreligiöse Dialog stärker von den realen Gegebenheiten der Religionen ausgeht.

Pluralistische Religionstheologie ist im Grunde ahistorisch – nimmt kaum Rücksicht auf die Wirklichkeit der Religionen. Zum Beispiel: Ein Shivaitischer Heiliger meint, dass Gott und Liebe dasselbe seien. Nur stellt sich in der historischen Realität die Frage: Was versteht der Shivait unter Gott, was unter Liebe? Was versteht der Christ darunter? Dazwischen können Welten liegen! Die Einigung auf ein sinnleeres Wort (alle sprechen von Liebe bzw. Gott – füllen es aber anders) ist nicht sinnvoll.

Die Prämissen der pluralistischen Religionstheologie stehen in der europäischen philosophischen Tradition (Deisten): Der Mensch überlegt sich, wie Gott am besten zu denken sei – und diesen Maßstab legt er an das Christentum und an andere Religionen an. So wird das hinduistische Kastensystem von pluralistischen Religionstheologen genauso abgelehnt wie die negative Stellung der Frau im Islam oder christliche Besonderheiten wie der Sühnetod Jesu, Jesu „Gottessohnschaft“ usw. Daran wird deutlich, dass als Maßstab zur Beurteilung bestimmter Prägungen der Religionen das dient, was dem (?) modernen (?) Menschen ein Anliegen ist. Der aufgeklärte, ethisch autonome, liberale Mensch mag bestimmte Dinge nicht – und daran werden die Religionen gemessen. Aber Religionen sind keine philosophischen Konstrukte, sondern komplexe Systeme, die dazu beitragen, die Lebenswirklichkeit zu deuten und zu erschließen.

INTERRELIGIÖSER DIALOG: 10 DIALOG-REGELN

Weil kein Mensch die ganze Weisheit gepachtet hat, gibt es Dialogregeln zwischen Religionen und – eingeschlossen – Ideologien, so auch der Atheismus:

  1. Die eigene Tradition kennen: Was ist mir / uns wichtig, weniger wichtig?
  2. Wachsen in der Weltwahrnehmung des anderen;
  3. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Toleranz;
  4. den anderen achten, ihm vertrauen (auf Augenhöhe kommunizieren);
  5. Kritik vertragen können + eigene Kritik angemessen zur Sprache bringen;
  6. bereit sein, vom anderen zu lernen (kann aber nicht vom Gegenüber gefordert werden!);
  7. Reflexion und Selbstreflexion;
  8. die Frage nach den Menschenrechten kann nicht ausgeklammert werden,
  9. Kommunikationsregeln – wie sie von Philosophen erarbeitet wurden – sind zu beachten;
  10. Vorgaben an den Gesprächspartner sind zu vermeiden wie auch Erpressungsversuche (Gesprächsabbruch, wenn…), Imponier- und Dominanzgehabe…

So mancher Fundamentalist verweigert sich dem Gespräch – und das gilt nicht nur für Christen, Muslime, Buddhisten, Hindus, sondern auch für atheistische Fundamentalisten. Das Wort „Fundamentalist“ ist von Haus aus kein negatives Wort: Man hat ein Fundament, eine Basis – das kann keinem Menschen schaden. Es wurde jedoch zu einem negativ konnotierten Wort: Ein Fundamentalist ist – so versteht man das Wort inzwischen – ein Mensch, der sehr eng denkt, der nur bereit ist, seine Sichtweise weiterzugeben, aber nicht bereit ist, über sie zu diskutieren, Argumente auszutauschen. Kurz, einer, der Gespräch verweigert.

Christen sollten immer bedenken, dass zu Beginn ihrer Existenz die Diskussion steht: Jesus diskutiert mit seinen Gesprächspartnern, Paulus argumentiert mit seinen Adressaten, seien es Menschen aus Juden, Heiden oder Gemeinden:

 Prüft alles, das Gute behaltet,

sagt Paulus im 1. Brief an die Thessalonicher. Christen müssen keine Abschottungstendenzen kultivieren. Weil sie frei sind, verbreiten sie manchmal Abschottungstendenzen beim Gegenüber (Verfolgungen in muslimischen, hinduistischen, atheistischen Systemen). Freiheit und Selbstbewusstsein weckt Ängste. Diesen ist mit dem Doppelgebot der Liebe zu begegnen: Liebe Gott und deinen Nächsten.

Das größte Problem: Irgendwann kommt man an den Punkt, dass man denkt: Gespräche seien nur sinnloses Geschwafel. Dann müssen Wege gefunden werden, um das Reden miteinander wieder sinnvoll zu gestalten. Uns Menschen bleibt – wenn wir künftige Religionskriege / Atheistenkriege verhindern wollen – keine Alternative. Das betrifft bekanntlich auch die Menschenrechte: der jüdisch-christlich-aufgeklärte Westen hat andere Vorstellungen als der Islam – die wieder andere als das konfuzianistische China bzw. das hinduistische Indien. Miteinander reden ist, wie gesagt, die einzige Alternative – und das Vorleben der besseren Tradition. Wenn unsere jüdisch-christliche-aufgeklärte Lebensweise besser ist, dann wird sie sich auf Dauer auch durchsetzen, wenn wir sie denn in Würde vorleben.