Krieg und Frieden: Neuzeit

In den Abschnitten 1-2 wird nur das dargestellt, was in der Neuzeit relevant geworden ist. Detailliertere Sicht siehe die vorangegangene Beiträge.

Grundlegende Literatur:

1. Bibel

Altes Testament (AT)

Es wird im kommenden Abschnitt das geschildert, was aus heutiger Perspektive neu und weiterführend war – also die nicht militärische Sicht.

Es gibt im AT viele Stellen, die schonungslos die Gewalt der Menschen darstellen, verbunden mit dem damaligen Gottesbild. Neben diesen überwiegenden Gewalttexten, aus der Geschichte erklärbar, gibt es einzelne Texte, die Schrittweise der Gewalt etwas anderes entgegensetzen. In das Ringen des Menschen um Gewalt und Schalom (umfassender Friede) wird Gott mit hineingezogen – bringt sich Gott immer wieder zur Sprache:

  1. Vision einer heilen Welt am Anfang: Schöpfungsgeschichte – Formulierung der Sehnsucht – Motivation, eine solche Sehnsucht zu verwirklichen.
  2. Erwartung einer kommenden Welt des Friedens, in der Waffen zerstört werden und auch das Paradies wieder hergestellt wird.
  3. Daneben schrittweise Einschränkung der Gewalt durch Kriegsgesetze und der
  4. Darstellung von vorbildhaften Menschen, die nicht gewalttätig und bösartig sind (Josef, Noah…)
  5. Weiterhin sprechen Propheten Gewalt an, damit das Volk Israel vor Gewalttätigkeiten zurückschreckt. Gewaltandrohung als „pädagogisches“ Mittel.

Neues Testament (NT): Jesus Christus

Jesus setzt neue Akzente: Die heile/vollkommene Welt wird Gott herbeiführen, doch der Mensch soll jetzt schon das Seine dafür tun.

  1. Individualpazifismus: Feindesliebe und sich nicht wehren – daneben die Vorstellung,
  2. dass die Kinder Gottes durch gewaltloses Leben nach innen wie nach außen auch in die Umwelt ausstrahlen (ihr seid Salz der Erde…; ohne „Verteidigungs-„Stab verkündigen) und das über Grenzen/Stämme/Völker hinweg. Langsame Durchdringung der Gesellschaft mit „Frieden“. (Vgl. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/menschenrechte-und-jesus/ )
  3. Zudem geht es ihm um sozialen Frieden (gegen Ehescheidung, gegen Steinigung, es geht um Heilungen, Fürsorge)
  4. und den Frieden mit Gott.
  5. Berichte über Jesu exorzistische Tätigkeiten zeigen, dass er Menschen aus gewalttätigen Strukturen herausholt, um sie zu befrieden.
  6. Dass die alttestamentlichen Stellen, die vom Frieden sprechen, Gottes Sicht wiedergeben (und er kein Kriegsgott ist), erkennt man daran, dass er die Lehre und das Handeln Jesu durch die Auferweckung legitimiert hat.
  7. Jesus wurde von den frühen Christen dem Kaiser Augustus (Lukas) bzw. dem König Herodes (Matthäus) als Friedensherrscher entgegengestellt. Man erkannte das Neue, das mit Jesus Christus angebrochen ist und scheute sich als winzige Minderheit nicht, das auch intensiv mitzuteilen.
  8. In diesem Zusammenhang sollte man mit Blick auf die intelligente Feindesliebe das Wort des Paulus nicht übergehen: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem (Römer 12,21). In diesem Wort wird nicht nur Erdulden des Bösen angesprochen, sondern aktives Angehen gegen das Böse.

2. Kirchengeschichte – alte Zeit

Frühe Christen: Pazifismus

Diese Vorstellung Jesu beherrschte die frühe Christenheit bis ins 3./4. Jahrhundert in offiziellen Schriften, es wird aber deutlich, dass in der Realität auch (einzelne?) Soldaten Christen waren.

Augustinus (+430) / Thomas von Aquin (+1274): Reich Gottes – Reich der Menschen

Ab diesem Zeitpunkt wurde durch Augustinus intensiv über das Verhältnis von Kirche und Staat nachgedacht (Reich Gottes – Reich der Menschen [diese Unterscheidung ist schon neutestamentlich]). Dieses Verhältnis wurde im Laufe der Kirchengeschichte unterschiedlich beschrieben – und je nach Beschreibung entsprach der Friede der Herrschaft Gottes – im Bereich der Herrschaft des Menschen müssen Wege gefunden werden, ihn mehr oder weniger durchzusetzen.

Augustinus lehrte in einer Zeit des Krieges (Vandalen griffen Rom an), des Untergangs des alten römischen Reiches (476), dass für den Frieden im Reich der Menschen – dem sündigen Teil – eine realistische Sicht vorzuherrschen habe – der Krieg durch Regeln begrenzt werden muss. Und in diese bezog er auch traditionelle Friedensgedanken ein (Cicero). Diese wurden dann vom großen Denker im Hochmittelalter, Thomas von Aquin weitgehend übernommen. In diesen ging es darum, den Krieg zu begrenzen. Folgendermaßen kann die Intention zusammengefasst werden:

  1. Legitimierte Autorität – der Herrscher hat auch die Aufgabe, sozialen Frieden herzustellen
  2. Grund für den Krieg: Verteidigung, Menschenrechte…
  3. Militärische Gewalt nur zur Not – und darum klagend zu führen
  4. Im Krieg schon auf Frieden hinarbeiten – Bedingungen für einen gerechten Frieden
  5. Verhältnismäßigkeit der Mittel
  6. Verbot eines Angriffskrieges/Präventivkrieges
  7. Zivilpersonen sind zu schützen
  8. Es gibt kein von Gott besonders auserwähltes Land.

Erasmus von Rotterdam (1518) / Johann Amos Comenius (1667)

Seine Friedensschrift sah Erasmus als eine im Auftrag des Habsburger Herzogs Karl, Franz I. von Frankreich und Papst Leo X. an und sollte den Teilnehmern eines geplanten Friedenskongresses (der nicht stattgefunden hat) als Denkanstoß dienen. Auf dem Friedenskongress sollte die Lage in Italien geordnet werden. Gewidmet wurde die Friedensschrift dem Bischof von Utrecht, der als Mediator dienen sollte. Friedensarbeit ist Folge christlicher Ethik, sie ist Aufgabe aller, nicht nur der Herrscher. Erasmus vertritt nicht allein pazifistische Sicht, sondern argumentiert zivilrechtlich: Voraussetzung des Friedens ist eine christliche Gestaltung der Gesellschaft (vgl. Jesus). Er griff die Herrscher an, weil sie Kriege führten, um sich selbst Macht, Ehre und Besitz anzueignen und appelliert an deren christlichen Glauben. Er wendet sich dagegen, dass moderne Waffen den Namen von Aposteln bekommen. Krieg wird als Krankheit angesehen – nicht als Folge der Vernunft. Wenn Menschen unbedingt Krieg führen wollen, dann gegen den expansiven Islam. Zu Erasmus s. auch: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-1/

In diesem Zusammenhang sei auf den Zeitgenossen von Erasmus, Machiavelli (1469-1527), hingewiesen. Machiavelli zitiert hin und wieder das Alte Testament, um die raffinierte Macht der Fürsten zu begründen. Anders Erasmus: er bezieht sich auf Jesus, um die Gewalttätigkeiten abzulehnen.

Im Jahr 1667 veröffentlichte der Theologe und Pädagoge Comenius eine Friedensschrift: Angelus pacis / Friedensengel. (Leider habe ich das Werk noch nicht lesen können.)

Pazifismus im Mittelalter und der frühen Neuzeit und Friedensbewegungen bzw. Friedensschriften

Die strenge pazifistische Sicht Jesu kam immer wieder in der Kirchengeschichte zum Vorschein. So bei Franz von Assisi(+1226) und zahlreichen Gruppen: Hussiten/Böhmische Brüder, Quäker, Mennoniten…. Als erste europäische Friedensbewegung wird im 10. Jahrhundert der Versuch gesehen, den Frieden Gottes unter dem Adel durchzusetzen (Pax Dei). Ebenso wandten sich Alkuin und bayerische Bischöfe gegen gewaltsame Sachsenmissionierung durch Karl dem Großen. Erziehung/Bildung soll das erreichen, nicht Gewalt.

3. Kirchengeschichte: 19. und 21. Jahrhundert

Moderne Zeit: christliche Kirchen, Gruppen und Individuen:

Durch die vielen militärischen Auseinandersetzungen in Europa wurde die Waffentechnik immer ausgefeilter, dann aber auch der Schiffsbau immer besser, die Kriegstaktiken wurden raffinierter, sodass dann ab dem 15. Jahrhundert Länder von Europa (Portugal, Spanien, Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Russland) den anderen Weltmächten und Kontinenten überlegen war. Mit Militarismus brachte Europa Reichtümer auf den Kontinent; mit einem aufgrund des Reichtums ermöglichten riesigen Unterdrückungsapparat wurden Völker gegeneinander ausgespielt und gefügig gemacht, wurden Herrscher bestochen und Völker aufgewiegelt. Seit dem 15. Jahrhundert betrat Europa im Grunde wieder (nach der römischen Zeit) die Bühne der Weltpolitik. Und in diese Politik hinein gab es dann einzelne Menschen und Gruppen, die andere Akzente setzen wollten. Es sei angemerkt: Die Menschen, die sich für Frieden einsetzten, waren eine Minderheit, die auch von den Kirchen, vor allem in kriegs-euphorischen Zeiten vor 1930 bzw. in Deutschland vor 1945 kaum ernst genommen und auch geschnitten wurden.

Manche versuchten, dem Individual-Pazifismus durch Vernetzung mit anderen Gruppen gesellschaftspolitisch größeres Gewicht zukommen zu lassen; andere versuchten, die traditionelle Sicht vom Krieg als ultima ratio (letzte denkbare Möglichkeit) zu begründen.

  1. Quäker und andere: Beginn 19. Jahrhundert Gründung einer Friedensgesellschaft in den USA und England (Kirche der Brüder / Friedenskirchen) (1815 Massachusetts Peace Society – Prediger Noah Worcester) – dann weitere in christlicher Tradition, die sich 1828 zusammenschlossen: American Peace Society.
  2. 1840ff. gründete die Quäkerin Priscilla Hannah Peckover die Wisbech Local Peace Association (sie wurde 4x für den Friedensnobelpreis nominiert)
  3. 1863 Henry Dunant Gründung Rotes Kreuz – daraufhin 1864: Genfer Konvention. (Er sagte vor seinem Tod: „Ich bin ein Jünger Christi wie im ersten Jahrhundert, und nichts weiter.“)
  4. 1887 gründeten junge Hugenotten auf Anregung englischer Quäker in Frankreich die Association de la paix par le droit (Louis Barnier und Théodore Eugène César Ruyssen)
  5. Leo Tolstoi (+1910): Radikalpazifist, beeinflusste Gandhi und Kagawa.
  6. 1910 Weltmissionskonferenz in Edinburgh (Faith and Order)
  7. 1914 Internationaler Versöhnungsbund Deutschland/England – der Quäker Henry Hodgkin und Friedrich Siegmund-Schultze waren treibende Kräfte: „Nicht nur die Kirchen sollten wissen, dass sie nicht mitzuhassen, sondern mitzulieben berufen sind. Auch von Volk zu Volk sollten Brücken des Verstehens und Vertrauens gebaut werden“ (R. Daur). Zu nennen ist auch Jean Goss, der vor allem in der katholischen Kirche die Friedensperspektive intensiv vertreten hat. Der Internationale Versöhnungsbund ist heute weltweit vertreten.
  8. Der Papst Benedikt XV. (Friedenspapst) wandte sich in seinem Schreiben Ubi primum 1914 gegen den Krieg (weitere Schreiben folgten), so 1920 die Enzyklika: Pacem. Der Vatikan wurde von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen, weil er Frieden fördernde Maßnahmen vorgeschlagen hatte.
  9. Der Pfarrer und Pazifist Paul Knapp gründete 1918 die Deutsche Friedenspartei, wandte sich im 1. Weltkrieg gegen Bitt- und Dankgottesdienste mit Blick auf den Krieg – sie seien Gotteslästerung.
  10. 1919 Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen
  11. Nathan Söderblom intensive Friedensarbeit – über Kirchen in die Staaten hinein: 1925 Stockholmer Weltkirchenkonferenz „World Conference of Life and Work“. (Friedensnobelpreis 1930).
  12. Toyohiko Kagawa (Christ, Japan) 1928: Liga gegen den Krieg + Reich-Gottes-Bewegung: Organisation von Arbeitern und Bauern.
  13. Weltmissionskonferenz 1938 Tambaram/Indien trafen Christen aus Japan (das China überfallen hatte) und China zusammen, auch mit Blick auf das Thema Frieden.
  14. 1946/48: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK/WCC) (Ansatzpunkt: World Mission Conference 1910 in Edinburgh). Der Pfarrer William Paton (+ 1943), der eine große Rolle für den ÖRK spielte, war Pazifist, trat 1940 aus einer von ihm mit gegründeten pazifistischen Gruppe aus, weil er wegen des Rassismus und Faschismus Hitlers dafür war, gewalttätig gegen Hitler vorzugehen.
  15. 1957/58 Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) – mit Arbeitsbereich Frieden und nachhaltige Entwicklung.
  16. Martin Luther King – in der Nachfolge Jesu gegen Rassismus: Proteste 1963.
  17. Päpstliche Enzykliken: 1963: Enzyklika: Pacem in terris (Johannes XXIII.); Pastoralkonstitution: Gaudium et spes – 2. Vatikanum 1962-1965; 1967: Enzyklika Populorum Progressio (Paul VI.): menschengerechte Entwicklung und Frieden. Gründung von Justitia et pax.
  18. 1981/2007 EKD Denkschriften zum Thema Frieden (Ansatz 1965).
  19. 2001-2010: Dekade zur Überwindung der Gewalt durch den ÖRK/WCC ausgerufen.

Anmerkung 1: In der Orthodoxen Kirche Russlands konnte sich im 20. Jahrhundert keine ähnliche Friedensbewegung etablieren, da die orthodoxe Kirche in der Hand des Staates lag, der für sich in Anspruch nahm, die sozialistische/kommunistische Friedensbewegung schlechthin zu sein. Als Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen hatte die Orthodoxe Kirche aber auch Teil an dessen Friedensprojekten, allerdings bestand immer der Verdacht, dass die russisch Orthodoxe Kirche  der verlängerte Arm des Sowjetstaates war. Das hat sich bis heute nicht geändert, da die Orthodoxe Kirche ein anderes Verständnis von der Trennung von Staat und Kirche hat als es im Westen vorherrscht.

Anmerkung 2: Die Fragen stellen sich: Ist Waffengewalt ultima ratio? Es ist nicht immer deutlich, wann Kämpfe verantwortet werden können, so zum Beispiel: War der Kampf der Alliierten gegen Hitler/Japan richtig oder falsch? Oder ist Waffengewalt ganz abzulehnen?: Vielleicht wäre auch das Hitlerregime wie das der Sowjets irgendwann in sich selbst zusammengefallen. Was ist der Maßstab für richtiges Handeln? Aufrechnen der Anzahl der Opfer?

Manche meinen, Kämpfe können nie richtig sein. Manche meinen, intelligente Feindesliebe bekommt Gewalttäter in den Griff. Manche setzen Individual-Verantwortung und Kollektiv-Verantwortung in eins. Manche sehen diese Aspekte gerade andersherum: Es gibt notwendige Kämpfe, man darf aufgrund von Individual-Pazifismus nicht alle Menschen eines Staates leiden lassen. Manche sehen in einer Art „Militär“ des passiven Widerstandes und der Sabotage eine Lösung. So lange eine Gesellschaft solche Diskussionen zulässt, so lange ist es gut.

Recht durchzusetzen, um eine friedvolle Gesellschaft zu erreichen, geht nicht immer friedlich, vor allem wenn es eine friedlose, gewalttätige Gesellschaft ist, die diszipliniert werden muss. Maßstab für Recht ist das Menschenrecht. Aber: Sind Menschenrechte eine weltweit anerkannte feste Größe?

Ohne die Vision vom Frieden/Schalom, die in der Bibel grundgelegt ist, die Vision vom ganz neuen Zusammenleben der Menschen, kann wohl der Wettlauf gegen Menschen, die Gewalt und Waffen betonen, nur schwer gewonnen werden. Frieden bedeutet aber nicht nur Abwesenheit vom Krieg – sondern Friedensarbeit muss alle Bereiche menschlichen Lebens umfassen (innerer Friede, spiritueller Friede, sozialer Friede, wirtschaftlicher Friede, zwischenstaatlicher Friede).

Entsprechend geht es nicht mehr darum, einen gerechten Krieg zu definieren, sondern einen gerechten Frieden in den Blick zu nehmen. Es gilt, eine Friedensethik zu konzipieren. Aber aus christlicher Perspektive ist sie nur durch den Glauben an Jesus Christus weiterzutreiben. (Auch Pazifismus kann Militanz entfalten.)

Moderne Zeit: christlicher Kulturkreis:

Matthias Bernegger (1620): Tuba Pacis – gegen Kriegshetze; der Mönch und Mathematik-Lehrer Èmeric Crucé (Der neue Kineas; 1623): Eine Art Vorläufer von Kant: Friedensplan für Europa und die Welt. Die Menschheit ist eine Einheit, weil sie von Gott geschaffen wurde (vgl. Nikolaus von Kues). Entsprechend soll sie mit Hilfe des Verstandes einen Weg suchen, Frieden zu halten. Das mit Hilfe eines allgemeinen Bundes, mit Venedig als Sitz, an dem Diplomaten aus aller Herren Länder als Schiedsrichter auftreten. Es gibt keinen gerechten Krieg, jegliche Kriege sind Gotteslästerung. Selbst wenn ein Fürst angegriffen und sein Land verlieren wird, dann ist das Gottes Wille, weil der Fürst nur aus Gottes Ganden regiert; Maximilien de Béthune (1638): Friedensgeheimplan – Fiktion, aber weitreichende Auswirkung. Abbé Saint Pierre (1658-1743): Traktat vom ewigen Frieden. Vgl auch: Westfälischer Friede (24.10.1648 – nach 5 Jahren Verhandlung) – europäische Friedensordnung gleichberechtigter Staaten und Miteinander der Konfessionen. Realismus ist Maßstab für politische Einigung. Über dem Vertrag steht: „im Nahmen der Hochheyligen untheilbaren Dreyfaltigkeit, Amen“

Immanuel Kant (Schrift: „Zum ewigen Frieden“ – 1795) hat mit seiner Friedensschrift darauf Wert gelegt, dass der Krieg nicht einfach eine Normalität ist, sondern ein Übel, das Menschen machen, entsprechend auch durch Einsetzen des Verstandes die Pflicht haben, diesen zu beenden. Das bedeutet: Einen föderalen Friedensbund (vgl. Crucé und William Penn: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-1/ ) zwischen Ländern zu schließen, der sich immer weiter ausweitet, bis er die Welt umspannt. Der Mensch ist bösartig, gibt sich aber dennoch eine Ordnung, seine Natur treibt ihn dazu,  damit er trotz Boshaftigkeit mit anderen leben kann (der Mensch/Bürger – nicht die Könige). Wenn Menschen durch Vernunft Recht herstellen können, müsste es auch zwischen den Völkern möglich sein. Zustand der Wildheit führt letztlich zum Völkerbund. Seine Schrift ist Höhepunkt europäischer Friedensliteratur.

Beginn des 20. Jahrhunderts: Parallel zu den kirchlichen Bewegungen gab es auch bürgerliche Bewegungen, allerdings mit sehr unterschiedlichen Zielen und politischen Ambitionen. In Frankreich gab es unterschiedliche Friedensbewegungen, so zum Beispiel von Frédéric Passy (Apostel des Friedens) ab 1867 / 1872 gegründete. Er hat wegen seines Engagements für den Frieden 1901 den Nobelpreis bekommen. Friedensgesellschaften entstanden in der Schweiz 1867 (Charles Lemonnier), den Niederlanden (1871) und anderen europäischen Staaten. Deutschland: Neben bürgerlichen Bewegungen gab es auch radikalen Pazifismus (1892 Deutsche Friedensgesellschaft – Bertha von Suttner zusammen mit Alfred Hermann Fried: Nie wieder Krieg! (z.B. Kurt Tucholsky), Revolutionäre Pazifisten (Kurt Hiller 1926 ohne bzw. mit Sozialismus verbunden), anarchische Pazifisten (Erich Mühsam); Atompazifismus (Physiker: Max Born, Otto Hahn, Albert Einstein, aber auch Albert Schweitzer, Bertrand Russell). Im Gegensatz zu den amerikanischen Gruppen waren die europäischen Gruppen weniger christlich orientiert, eher liberal / Freidenker: Friedenskongresse ab 1843 – berühmt z.B. Richard Cobden, aber unterstützt vom Quäker John Bright. Weitere Aktivisten, z.B.: Hodgson Pratt. 1901: Friedensnobelpreis; 1907: Haager Friedenskonferenz; 1959 gründete Johan Galtung das erste Friedens- und Konfliktforschungsinstitut (Oslo: PRIO); 1968: Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK); 1970: das älteste Friedensforschungsinstitut in Deutschland ist das „Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung“.

In Zeiten, in denen sich so viele für Frieden eingesetzt haben wie nie zuvor (Beginn des 20. Jahrhunderts), gab es die schlimmsten Kriege: 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg (Europa und Asien), die Auseinandersetzungen in der Sowjetunion und später in China aufgrund des gewalttätigen Kommunismus. Das zeigt auch die Machtlosigkeit von Menschen und die Emotionalisierbarkeit von Menschen durch Propaganda.

Moderne Zeit: asiatischer Kulturkreis (weitere Details siehe: Nachtrag)

Es gibt zwar traditionelle Ansätze gegen Krieg (Konfuzius, Buddhismus, Hinduismus), die aber keine politischen Auswirkungen hatten. Auch dem Jainismus – dem auch Buddha (Siddharta Gautama) zunächst anhing – ging es um den Frieden des Individuums, Lösung vom Leid durch Erwachung – nicht durch Friedensarbeit. Ashoka (3. Jh. v.Chr.) ist im Buddhismus hervorzuheben, weil er in seinem späteren Leben versuchte, eine ethisch orientierte Friedens-Politik zu betreiben (s.u.). Er geriet aber in Vergessenheit. Konfuzius sah den Frieden dann gewährleistet, wenn die Menschen die gesellschaftlichen Hierarchien einhalten. Hinduistische Tradition wurde durch die Begegnung mit dem Christentum neu interpretiert, so auch Ahimsa (Gewaltlosigkeit) durch Gandhi (ab 1915), beeinflusst von der intelligenten Feindesliebe Jesu/Tolstoi. Schrift: Manusmarti (bis ca. 200 n.Chr.), eine Brahmanen-Lehre, lehrt neben das Kastensystem auch, dass nur Verteidigungskriege erlaubt seien. Insgesamt aber Ambivalenz im Hinduismus, z.B. Baghavadgita: In ihr wird der Kampf zur Wiederherstellung der göttlichen Ordnung legitimiert. Und so hat sowohl Gandhi in der Begegnung mit der Bergpredigt Ahimsa/Gewaltlosigkeit aus der Gita erschlossen wie auch die Hindufanatiker aus dieser Gita-Tradition in Verbindung mit dem Westen Kriegerethik entnommen.

In den 1960er Jahren begann sich auch langsam eine größere buddhistische Friedensbewegung zu etablieren – gleichzeitig mit der Öffnung zum Christentum.

Zu nennen ist in der Gegenwart in Vietnam/ Europa: Thich Nhat Hanh, in Japan Schin´ichi Hisamatsu; der Jesuit Aloysius Pieris versucht Christentum und Buddhismus in ihrem Engagement zusammenzuführen: Liebe und Weisheit gehören zusammen (Liebe = Christentum; Weisheit = Buddhismus). 1975 wurde die Soka Gakkai International gegründet – eine Gruppe, die aus einer militant-religiösen Gruppe des Nichiren-Buddhismus entstanden ist. Sie hat – so sehen es manche – sektenhaften Charakter und setzt sich auch als UN-NGO intensiv gegen Atombewaffnung ein.

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Nachträge:

Siddharta Gautama (ca. 500 v. Chr.) – genannt Buddha – lehrte den „Edlen Achtfachen Pfad“: Rechte Erkenntnis, Gesinnung, Rede, Handeln, Lebenswandel, Streben, Achtsamkeit, Sichversenken. Diese hat den Frieden des einzelnen Menschen im Blick. Politisch hatte dieser kaum Auswirkungen. Bekannt ist Kaiser Ashoka geworden.

Kaiser Ashoka (304-232) führte massive Kriege – machte dann aber eine Kehrtwende und förderte den Frieden, indem er nicht die Länder zurückgab und die Sklaven freiließ, sondern sein Reich festigte. Er verbot weitere Kriegführung, forderte in seinem Reich von den Untertanen, nicht gewalttätig zu sein, ebenso wurden Tieropfer verboten. Er sicherte Frieden nach innen – auch durch Errichtung von Krankenhäusern. Er ließ seine Sicht in Säulen meißeln. Die Durchführung wurde von hohen Beamten überwacht, Widerstand wurde mit dem Tod bedroht. Seine Sicht wurde vergessen und erst wieder im 19./20. Jahrhundert durch britische Archäologen entdeckt.

In der Gegenwart ist der Dalai Lama (*1935), der Vertreter des Tibetanischen Buddhismus weltweit dafür bekannt, dass er für den Frieden eintritt. Gewalt ist Folge fehlgeleiteter Emotion. „Schlüssel für den Frieden“: Bildung, allgemeingültige Ethik – Mitgefühl, Toleranz, Gewaltlosigkeit. Mit diesen sei Wut, Angst und Verzweiflung zu besiegen.

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Der Islam hat in der Vergangenheit keine eigenen Friedensbewegungen hervorgebracht bzw. Menschen, denen der Frieden vor allem auch der Pazifismus besonders wichtig ist. Allerdings wird in der Neuzeit durch die Ahmadiyya-Gemeinschaft, die sich dem Islam zugehörig fühlt – aber von Sunniten wie Schiiten abgelehnt wird – der Frieden betont. Der Prophet Mohammed habe einen Messias prophezeit, der als geistiger/spiritueller muslimischer Jesus wieder erscheinen wird – aber dem Propheten Mohammed untergeordnet sein wird. Dieser Jesus ist in Mirza Ghulam Ahmad (1835-1908; geboren in Britisch-Indien) Wirklichkeit geworden. Der Prophet bestätigt die Lehre des Koran dadurch, dass er ihn metaphorisch auslegt, ihn mit der Neuzeit kompatibel erklärt. Auf dieser Basis verbreitet er die friedliche Lehre auf friedliche Weise und 300 Jahre nach seinem Auftreten werde dieser Friede vollkommen erreicht werden.

Christliche Tradition wurde aufgenommen und mit der islamischen Grundlage in der Interpretation von Mirza Ghulam Ahmad verbunden.

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Die Bahai, ebenfalls eine im islamischen Kulturkreis entstandene religiöse Gruppe, lehren, dass Gott im neuen Propheten Bahá’u’lláh (1817-1892; Iran, Osmanisches Reich) erschienen ist. Diese neue Religion fasse alle anderen Religionen zusammen und werde sich weltweit durchsetzen und einen friedevollen Staat Gottes erschaffen. Sie sieht sich als Weiterentwicklung aller Religionen an und ehrt entsprechend auch Buddha, Jesus und Mohammed als einen Vorläufer. Sie hat eine enge Führungsstruktur und trotz mancher modernisierter Aspekte ist sie sehr gesetzlich orientiert. Nichtsdestotrotz wurde die Bahai im Westen als eine Religion des Friedens rezipiert, vor allem aufgrund des Wirkens des Sohnes des Propheten Abdul-Baha (1844-1921), der von seinen Anhängern als einer gefeiert wurde, der für den Frieden kämpft. 1913 traf er in Wien mit Bertha von Suttner zusammen und wurde auch von den Briten für seinen humanitären Einsatz geehrt.

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Im Sufismus – eine mystische Bewegung innerhalb des Islam, die allerdings älter ist als der Islam – wird die Liebe betont, die Liebe zu Allah, die Vereinigung mit Allah bzw. dem göttlichen Grund, durch Auflösung des Ich in Allah hinein. (Vergleichbar mit Siddharta Gautama – der allerdings nicht Gott betonte, sondern von einem „Urgrund“ sprach, bzw. ansatzweise mit der mittelalterlichen Mystik in Europa.) Die Liebe gilt dann laut Al-Ghazali (1058-1111) all denen, die Allah lieben – der Kampf ist gegen die zu führen, die Allah ablehnen. Jesus wird als „Prophet der Liebe“ bezeichnet.

Literatur:

Dazu siehe: https://www.ardmediathek.de/radio/Information-und-Musik/Das-Kreuz-der-Kirche-mit-dem-Krieg-Int/Deutschlandfunk/Audio-Podcast?bcastId=21676126&documentId=52298932