JESUS-FORSCHUNG

Seit einigen Jahrhunderten versucht man, Jesus auf wissenschaftlicher Basis zu erforschen. Ansätze gab es schon vorher. Eher neu war der Ausgangspunkt: Einmal wollte man zeigen, dass die Kirche mit ihrem Glauben falsch liege, dann wollte man zeigen, dass Jesus selbst im Grunde keine Relevanz hat. „Eher neu“ darum, weil solche Ansätze auch schon in der Antike von Kritikern der Christen geäußert wurden (Celsus, Porphyrius). Dass die moderne Jesusforschung trotz ihrer Methoden auch immer den Forscher widerspiegelt, das hat vor ca. 100 Jahren Albert Schweitzer gezeigt, was sich bis jetzt wenig geändert hat.

Was jedoch deutlich ist: Die Jesusforschung trennt zwischen:

  • irdischer Jesus (den man nicht mehr richtig erfassen kann)
  • historischer Jesus (den irdischen Jesus, soweit man ihn [vermeintlich] aus den Quellen erarbeiten kann)
  • biblischer Jesus (Vermischung des irdischen Jesus mit dem Jesus des Glaubens)
  • Jesus des Glaubens (Jesus im Wesentlichen als Christus aufgrund seiner Auferstehung und der Geistgabe).

Das bedeutet, dass wir nur einen kleinen Bereich des irdischen Jesus historisch untersuchen können, diesen Bereich können wir nur aufgrund der Wirkungsgeschichte Jesu, also nur durch die Brille anderer sehen. Das Problem besteht darüber hinaus wie im Kontext einer jeden Biographie: Der Mensch ist nicht als Gesamtwesen zu erfassen, sondern nur ausschnittartig. Und so legt jeder seine eigenen Schwerpunkte. Das Problem ist damit nicht der historisch betrachtete Mensch, sondern der Forscher als Mensch. Um ein genaues, möglichst neutrales Bild zu bekommen, entwickelte man Methoden. Sie helfen weiter. Sie dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch derjenige, der sie anwendet, weltanschaulichen Prämissen unterworfen ist, ob er nun an Jesus Christus glaubt, ob er den Menschen Jesus bewundernd in den Blick nehmen will oder ihn aus welchen Gründen auch immer destruierend ablehnt. Zudem sind die jeweiligen Methoden auch Ausdruck ihrer Zeit.

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1. Ansatz: Trennung des eigentlichen Jesus von der Christus-Verkündigung der Kirche (Trennung irdischer Jesus und Jesus des Glaubens/biblischer Jesus) (Glaube = Erfindung der Jünger)

  1. Jesus wollte ein weltliches Reich aufrichten – nachösterlicher Glaube = Betrug (Reimarus)
  2. Jesus war ein reiner Mensch – er ist nicht nur von Christen/Kirche, sondern auch vom Judentum zu trennen (Renan)
  3. Trennung Jesu vom christlichen Glauben: Jesus lehrte im Grunde nur Vertrauen in Nächsten und Schöpfung (Funk)
  4. Jesus hat nichts Neues gebracht, er hat alttestamentliche und hellenistische Gedanken auf Wesentliches konzentriert und Gott gelehrt (nicht sich selbst): Vaterliebe Gottes und Wert der Seele (von Harnack)

2. Ansatz: Untersuchung der Bedeutung der frühchristlichen Autoren (Redaktionskritik) und der Gemeinde (Formgeschichte) für die Jesusüberlieferung

  1. Bewunderer Jesu haben ihre Idee von göttlicher Menschlichkeit in Jesus hineinprojiziert (Strauß)
  2. Jesus ist die Personifizierung eines Mythos (Drews)
  3. Auseinandersetzung in der frühen Christenheit – These-Antithese-Synthese = Jüdisch: Gesetzeskirche – Paulus: Geistkirche – Johannesevangelium: frühkatholische Kirche (Ferdinand Christian Baur)
  4. Evangelisten verbanden Jesus mit ihrer eigenen theologischen Intention (Wrede)
  5. Evangelisten waren Ausdruck ihrer Gemeinde (Formgeschichte: Bultmann)

3. Ansatz: Zusammenführung Jesus Christus und Evangelisten/Gemeinde (Glaube geht auf Jesus zurück)

  1. Die Evangelisten haben auf der Botschaft Jesu aufgebaut, sie haben nicht unbedingt nur Neues gebracht (F.Ch. Baur, Käsemann)
  2. (Manche Ansätze von 2.)
  3. Kriterien der Jesusforschung: Differenz-, Kohärenz-, Plausibilitäts-Kriterium usw., um genauer sagen zu können, was jesuanisch, was gemeindlich ist (z.B. Käsemann)

4. Ansatz: Deutungen Jesu (psychologisch und sozialgeschichtlich)

  1. Psychische Entwicklung Jesu (Holtzmann)
  2. Er gehört Gruppen seiner Zeit an: Apokalyptikern (Weiß, Schweitzer), Wandercharismatikern (Theißen), war jüdischer Reformer (Sanders), gehörte verschiedenen anderen jüdischen Gruppen an (z.B. Essenern [Thiering], Pharisäern [Leon da Modena]), Weisheitslehrern (Ebner); hinzu kommen: feministische Exegese (Schüssler-Fiorenza, Schottroff) und weitere soziologische Einordnungen der Neuzeit. Dass Jesus als Jude seiner Zeit – in Auseinandersetzung mit Strömungen seiner Zeit – zu verstehen ist, ist eine gesicherte Grundlage der historisch-kritischen Exegese (vgl. auch Flusser, Lapide, Schalom Ben Chorin).
  3. Thematische Ausgangspunkte (z.B. Gerechtigkeit) zur Deutung Jesu.

5. Ansatz: Irdischen Jesus kann man nicht vom Jesus des Glaubens trennen (kerygmatisch)

  1. Im NT finden wir den verkündigten Jesus – den historischen Jesus kann man davon nicht isolieren (Kähler)
  2. Die eigentliche Botschaft Jesu ist vom Mythos zu lösen und existentiell zu ergreifen – entsprechend versuchten die frühen Christen Jesus aus ihrer Zeit heraus zu verkündigen, damit er in ihrer Zeit existentiell ergriffen werden kann (Bultmann)
  3. Theologische und historische Sicht bedingen einander (Wright)
  4. Theologische Sicht wird durch die historisch-kritische Interpretation bestätigt (Craig)

6. Ansatz: Radikale Skeptiker

  • Von Jesus weiß man so gut wie nichts (Jesus-Seminar: Crossan, Borg, Lüdemann)
  • Von Jesus kann man nichts wissen (Deschner, Detering)
  • Jesus sei literarisches Produkt (Bruno Bauer, Kalthoff)

7. Ansatz: Erinnerungskultur

Im Augenblick versucht man mit Hilfe der „Erinnerungskultur“ unterschiedliche Aspekte des Lebens Jesu bzw. der Forschung zusammenzufassen, neue Nuancen zu erkennen (Dunn). Dazu gehört aus meiner Perspektive auch: Jesus ist mit Hilfe des Landes, in dem er wirkte, zu verstehen (Pixner: Galiläa/Israel als fünftes Evangelium)

8. Ansatz: Gegenwärtige Interpreten kommen in den Blick: Jesusbild Produkt der Interpreten

Alle Interpreten legen ihre eigene Intention in die Jesus-Deutung hinein – aber es gibt einen wahren Kern. Wer sich mit der Botschaft Jesu beschäftigt, wird von ihm (dem Christus) ergriffen (Schweitzer)

9. Meine Sicht

https://glaubensdiskussion.wolfgangfenske.de/sites/17_12/17_12_11_jesus_christus.html

Anzumerken ist noch, dass es viele Jesusforscher und Autoren von Jesusbüchern gibt, die hier nicht erwähnt wurden: die der so genannten Bultmann-Schule angehören, oder auch Joachim GnilkaJürgen Becker, Joseph Ratzinger (Bendikt XVI.), John P. Meier….

10. Anmerkungen zu Jesusdestruktionen

  1. Der Kampf gegen Jesus ist darin begründet, dass man den Kirchen den Boden entziehen möchte – und das mit Hilfe verschiedener Überlegungen:
  2. Jesus war ein Mensch seiner Zeit, der für heute keine Relevanz hat, im Gegenteil, sehr unangenehm ist (und es werden Aspekte aufgegriffen, die heute unangenehm sind: Dämonen, Hölle…)
  3. Jesus hat gar nicht gelebt (er ist ein Mythos, Literarisches Produkt, …)
  4. Man weiß von Jesus nichts mehr

Alle klugen Jesus-Kritiker können allerdings nicht sagen, sondern nur vermuten, warum ausgerechnet der aus dieser Perspektive üble, nichtssagende Mensch Jesus von Nazareth heute noch rezipiert wird. Wenn der Glaube keinen Anhaltspunkt an diesem Menschen hat – liegt es dann am lebendigen Jesus Christus? Für Jesus-Kritiker nicht. Denn er ist nicht lebendig, sondern eben gestorben wie jeder Mensch. Aber wie konnte sich das alles an diesen Menschen anranken?

  1. Paulus war der Grund. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Christen verfolgt hatte – dann wurde er aufgrund seines schlechten Gewissens Christ, so eine Deutung.
  2. Der Mythos rankte sich an diesen Menschen an – doch warum gerade an Jesus von Nazareth, wenn er doch keine wirkliche Relevanz besaß?
  3. Und so gibt es unterschiedliche Antworten:
  4. Jesus war ein Betrüger, der Menschen die Augen vernebelte (schamanistische Kräfte, Drogen),
  5. die Jünger waren Betrüger, weil sie Arbeitsscheu waren, recht behalten wollten mit ihrem Messias,
  6. die Jünger waren psychisch labil und haben sich selbst irgendwie psychisch wieder aufgepäppelt – womöglich war es Maria von Magdala, Petrus…
  7. Jesus war gar nicht gestorben – was die Jünger nicht gemerkt hatten – und glaubten, er sei auferstanden, und dadurch, dass er nach Kaschmir ausgewandert ist, hörten die Jesus-Erscheinungen auf, was die Jünger aber irgendwie alles nicht bemerkt haben… – kurz: viele Theorien gehen von einer unermesslichen Beschränktheit der Jünger aus.
  8. Es gibt eine sehr große Menge an Versuche (ein paar habe ich in meinem Buch: … und noch ein Jesus dargestellt, bzw. auch in meinem Buch: Wie Jesus zum Arier gemacht wurde) Jesus zu destruieren. Hierzu ist im Wesentlichen zu sagen: Man kann viel Herumspekulieren. Doch die Frage steht immer am Ausgangspunkt: Warum sollte sich all das an den Menschen Jesus von Nazareth anranken? Die Antwort wird immer lauten: weil er aus der Perspektive seiner Anhänger etwas Besonderes war/ist. Das aus meiner Perspektive einzige Argument gegen den historischen Jesus wäre: Jesus ist ein literarisches Produkt. Aber. Das lässt sich in keiner Hinsicht nachweisen. Das heißt: Auch diese Kritiken müssen sich einer historischen Kritik unterziehen lassen.