(s. auch: https://mini.evangelische-religion.de/gottesvorstellungen-gottesbilder/ )

GOTTESBILDER

Einleitung: Der Mensch in seiner Tradition

Der Mensch ist eine Einheit von Verstand / Vernunft, Gefühl, Charakter. Er ist Teil seiner Kultur, seiner Tradition, seiner um ihn herum lebenden Menschen. Er lebt aus der Vergangenheit, in der Gegenwart mit Blick auf die Zukunft.

Je nach Religion, in der er aufgewachsen ist, sind die transzendenten Mächte real. Und so ist auch Gott für den Glaubenden im Christentum – auf das ich mich im folgenden Abschnitt konzentriere – real. Er betrifft seinen Verstand, sein Gefühl, seinen Charakter, wurde durch Kultur, Tradition, den um ihn herum lebenden Individuen vermittelt.

Gott ist jedoch erst dann wirklich real, wenn sich Gott in das Leben eines Menschen eingeklinkt hat – vorher hat man von Gott nur gehört, über ihn etwas gelesen, über ihn nachgedacht. Aber damit Gott dem Menschen wirklich real werden kann, muss sich Gott ihm offenbaren.

Doch die Offenbarungserfahrung kann nur mit Hilfe der Sprache der Zeit, mit dem rationalen und emotionalen Fassungsvermögen ausgesprochen werden. Und vor allem: Die Fülle Gottes kann der Mensch nicht in seiner Gesamtheit begreifen. Darum betont er je nach Zeit, nach Charakter usw. die eine oder andere Facette.

Altes Testament / Neues Testament: Entwicklung des Gottes-Glaubens, der Gottesbilder

Weil das Alte Testament im Laufe von Jahrhunderten entstanden ist, finden wir in ihm eine Menge an Gotteserfahrungen, die mit Worten der jeweiligen Zeit Ausdruck fanden. Bevor sich Gott dem Volk Israel als ein einziger Gott geoffenbart hat, glaubte man in diesen Breiten ganz im Sinne der heidnischen Tradition an verschiedene Götter, hervorgehoben sind Fruchtbarkeitsgötter. Diese unterschiedlichen Götter bzw. Untergötter begegnen hier und da in den biblischen Schriften, so sagt das Hiobbuch: als sich die Göttersöhne wieder einmal bei Gott versammelt hatten…  Die Bezeichnung für Gott: Elohim – heißt eigentlich „Götter“, singular: Eloha/Elah (arabisch ilah – hinzugefügt wurde der Artikel al-ilah, was dann viele Jahrhunderte später zu Allah [Der Gott] wird). Ein Zusammenhang von Elohim/Eloha mit  „El“ ist schwierig herzustellen. El war wohl der oberste der Götter. Jahwe war einer der Untergötter, dem gar eine Frau, Aschera, zugewiesen werden konnte. Aber all das ist äußerst umstritten, wird intensiv in der Forschung diskutiert.

Der jüdische Jahwe-Monotheismus hat sich erst ganz langsam herausgebildet, und es sieht so aus, als seien die Väter hier in besonderer Weise hervorgetreten. Der Gott (El) der Väter, der Gott einer Sippe – er hat sich dem Abraham offenbart, seine Kinder haben diese Offenbarung aufgegriffen und weitergeführt. Der Gott der Väter offenbart sich dann dem Mose als Jahwe (Exodus 3,14), als der Gott, der in der Geschichte handeln wird – und zwar als Befreier für die Nachfahren der Väter. Als die Stämme aus Ägypten befreit waren, erwählte sich Jahwe Propheten, um sich in einer Jahrhunderte lang währender Auseinandersetzung sich durchzusetzen, seinen Willen dem Volk kundzutun: Er ist der Gott, dem alle Völker gehören, nicht nur dem Volk Israel, er ist der Gott, der nicht allein wie die anderen Götter, Lokalgott ist, er ist Gott der Welt, und als dieser Gott hat er ganz bestimmte Vorstellungen von dem, wie sich ein Volk, das er sich erwählt hat, sozial verhalten soll. Elia (9. Jh.v.), Hosea, Josia (8./7.Jh.v.) waren wesentliche Personen, die in diesem Zusammenhang genannt werden müssen, manche Forscher nehmen gar an, dass erst diese dafür gesorgt hätten, dass Jahwe zum alleinigen Gott Israels geworden ist.

In diesen langen Zeiträumen von Jahrhunderten wird Gott in der Sprache der jeweiligen Zeit, in den Vorstellungen der jeweiligen Zeit verkündigt: Gott ist im Sturm, im Gewitter (Anbetung von Naturmächten: Psalm 18,8ff. Ps 29; Ps 77,12ff.; Ps 97 usw.), Gott ist wie die Sonne (Psalm 104; Anbetung des Sonnengottes). Gott wird auch als einer erfahren, der eher mit menschlichen-sozialen Bildern ausgesprochen werden konnte: Gott ist ein Hirte, ein Kämpfer/Krieger, ein König. Es gibt zahlreiche Gottesbilder, mit denen Juden ihren Glauben aussprachen. Manche waren nur eine Zeit lang von Relevanz, manche nur für einzelne Individuen, manche gingen durch die Zeiten hindurch bis in die Gegenwart, manche wurden vergessen, doch dann wieder irgendwann bedeutsam.

Das gilt auch für die christliche Zeit. In Zeiten, in denen es Könige gab, wurde Gott bevorzugt als König angesehen – allerdings auch in späteren Zeiten, als Könige politisch keine Rolle mehr spielten – aber der Begriff wurde beibehalten, weil Gott in seiner Herrscherfunktion eher einem König entspricht als einem Bundeskanzler oder einem Bundespräsidenten.

Um den heiligen Namen „JHWH“ nicht auszusprechen, haben fromme Juden die Bezeichnung „Adonai“ – der Herr – gewählt – der dann in der griechischen Bibelübersetzung (Septuaginta) als „Kyrios“ (Herr) wiedergegeben wurde. Im Neuen Testament wurde die Bezeichnung Kyrios mit Jesus Christus verbunden und Theos (Gott) mit dem Gott, den Jesus Christus als Vater anredete. (Heute verwenden Juden die Abkürzung G´´tt – um ihn von den Göttern abzugrenzen.)

In der Gegenwart spielt Gott als Vater eine große Rolle. Damit greifen Christen eine Anrede auf, die für Jesus Christus von besonderer Relevanz war. Aber der „Vater“ wird interpretiert in Gleichnissen, so im Gleichnis vom Verlorenen Sohn, oder in Gebeten: Er ist derjenige, dessen Wille zählt (dein Wille geschehe im Himmel also auch auf Erden), er ist derjenige, der die Menschheitsgeschichte beendet (dein Reich komme), oder in anderen Texten: Menschen können sich von ihm entfernen und er bestätigt ihnen die selbst gewählte Hölle, er lässt die Sonne scheinen über Böse und Gute, oder in den Wundern Jesu: er ist der Heilende und Vergebende – und die jüdische Tradition, die in alttestamentlichen Schriften ausgesprochen wird, schwingt mit: Schöpfer, Gott der Väter und viele andere Gottesbilder.

Vor allem ist Gott für Jesus derjenige, der sich intensiv um das soziale Miteinander der Menschen kümmert, der nicht möchte, dass einer aus der Gemeinschaft der Kinder Gottes ausgestoßen wird, der in Jesus Christus Heilung verbreitet, Nahrung gibt – und diejenigen, die sich zu diesem Gott halten, sollen sich ebenso human, menschlich verhalten. Jesus lässt die Menschenwelt transparent werden für Gottes Verhalten. So wird im Gleichnis vom Verlorenen Sohn ein Verhalten vorgestellt, das gottgemäß ist: Vergebung, Aufnahme des Menschen, der umkehrt. Die Natur wird in den Worten Jesu transparent für die Herrschaft Gottes. Gott offenbart sich nicht in der Natur. Nur: Mit Hilfe der Schöpfung kann Gottes Handeln so ausgesprochen werden, dass Menschen es nachvollziehen können.

Gott in seiner Fülle offenbart sich dem Menschen nicht, denn der Mensch kann ihn nicht fassen. Darum wird er in Jesus Christus Mensch, darum wird sein Handeln und Wesen mit Beispielen aus Mensch und Natur verkündigt.

Heute von/über Gott sprechen

Welche Bezeichnung heute auch immer verwendet wird: Wir können von Gott nur im Horizont unserer Zeit sprechen.

Aufgaben: Denke darüber nach, sprich mit anderen darüber:

  1. Wir sprechen von Gott als Schöpfer – aber was meinen wir damit, da doch die Evolution das Denken vieler Zeitgenossen prägt?
  2. Wir sprechen von Gott als Herrscher – was meinen wir damit, wenn wir im Kontext von Demokratie davon sprechen?
  3. Wir sprechen von Gott in der Geschichte – was meinen wir damit, wenn doch der Mensch meint, er mache Geschichte?
  4. Wir sprechen von Gott, der in der Zukunft allen Bestrebungen der Menschen ein Ende bereiten wird – was meinen wir damit, wenn der Mensch meint, seine Zukunft in der Hand zu halten?
  5. Wir sprechen von Gott – was meinen wir damit, da doch der Mensch das Zentrum des Denkens bildet?
  6. Ist Gott überhaupt noch aktiv – oder ist es nur der Mensch?
  7. Ist Gott eine unbestimmte Macht – oder ist er auch ansprechbare Person? (Dazu s. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/gott-person-energie-psyche/ )

Wissenschaftliche Forschung prägt unsere Rede von Gott; unser neues politisches System, in dem Autoritäten eine ganz andere Bedeutung haben, prägt unsere Rede von Gott. Können wir Gott für unsere menschlichen Handlungen in der Geschichte für unsere Zwecke benutzen (Gott mit uns) – dass das nicht geht, Gott ideologisch zu vereinnahmen, auch das prägt unser gegenwärtiges Reden von Gott. Und unser Reden von Gott wird dadurch geprägt, dass manche Menschen sagen: Es gibt keinen Gott.

Aufgabe: Gott als „Fels“

  • Was/wen würde ich heute als mein „Fels“ bezeichnen?
  • Was bedeutet es, wenn ich jemanden/etwas als „Fels“ bezeichne?
  • Was bedeutet es konkret, wenn ich Gott als „Fels“ ansehe?

Gott ablehnen – ein Bild von Gott ablehnen

Es gibt Menschen, die Gott ablehnen. Aber sie lehnen im Grunde eine Vorstellung von Gott ab, ein Bild von Gott, das sie sich – oder ihre Zeit – gemacht haben. Sie lehnen auch Gott ab, weil er mit dem Leben, das sie führen wollen, nicht übereinstimmt. Karl Marx lehnt zum Beispiel Gott ab, weil er meint, er sei ein Vertröstergott, der Menschen daran hindert, aktiv gegen soziale Missstände anzugehen. Andere lehnen den Gott ab, der Regeln gibt (zum Beispiel: gegen Ehebruch). Sie wollen ein anderes Leben leben, negieren daher Gott. Andere haben ein Gottesbild, das beinhaltet: Gott ist allmächtig und er muss mein Leiden beenden. Wenn Gott das nicht tut, sagen sie: Es gibt keinen Gott. Nicht nur Glaubende haben ihre Gottesbilder, sondern auch diejenigen, die Gott vehement ablehnen. Sie lehnen das Bild ab, das sie sich oder ihre Umwelt/Zeit von Gott gemacht hat. Andererseits kann auch das Weltbild, das man hat, dazu führen, Gott abzulehnen. Sagt mein Weltbild: Alles muss beweisbar sein, dann lehne ich Gott ab, weil er nicht beweisbar ist. Ich mache mir nicht nur ein Bild von Gott, sondern auch von der Welt, in der ich lebe. Und wenn Gott mit meinem Weltbild nicht kompatibel ist, lehne ich ihn ab. Das trifft auch auf mein Menschenbild zu: Der Mensch ist das Höchste, er bestimmt, sein Verstand erklärt alles – dann ist in diesem Denken kein Platz mehr für Gott.

Jesus Christus als Maßstab für das Reden über Gott

Christliche Rede von Gott hat sich an den Gottesvorstellungen Jesu Christi zu orientieren. Warum? Weil Jesus Christus als Sohn Gottes, als Inkarnation Gottes (Gottes Menschwerdung in Jesus Christus) für Christen der letztgültige Maßstab ist. Ohne diesen Maßstab können wir alles mögliche über Gott spekulieren – mit Hilfe der Philosophien, mit Hilfe anderer Religionen, mit Hilfe esoterischer Weltanschauungen ( siehe: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/religion-en/esoterik/ ).

Wird Jesus Christus als Maßstab genommen, bedeutet das:

  • Wenn nun ein Mensch zum Beispiel Gott mit seinem Verstand als Macht ansieht, dann muss er sich offen halten für die Gottesoffenbarung, die sich ihm als anredbare Person darstellen kann. Gott ist ein Du, mit dem Bild des Herrn, des Königs, des Vaters ausgesprochen, dargestellt mit dem Gleichnis vom Verlorenen Sohn.
  • Wenn ein Mensch meint, Gott sei ein Gefühl, das ihn angesichts des Wunderbaren in der Welt überwältigt, ein Gefühl, das ihn die Einheit des Universums spüren lässt, dann wird er sich offen halten müssen für Gott, der Gott ist und bleibt, auch wenn das wunderbare Gefühl nicht mehr vorhanden ist.
  • Wenn einer meint, Gott sei ein Garant für Erfolg, Gesundheit, materiellen Reichtum – dann wird er von Jesus gezeigt bekommen, dass Gott andere Prioritäten setzt.
  • Wenn einer meint, allein der Mensch mache Geschichte, wird sich ihm Gott als ein solcher Offenbaren, der in der Geschichte tätig ist.
  • Wenn einer meint, Gott würde allein im menschlichen Handeln des Menschen aktiv, dann wird sich ihm Gott als einer erfahren lassen, der nicht von Menschen abhängig ist, von deren Gutsein, deren liebevollem Handeln, deren Fürsorge für andere. Gott setzt sich durch, auch gegen Menschen, die nicht immer wissen, was letztendlich gut und richtig ist.
  • Wenn einer meint, Gott wäre nur für ihn als Individuum wichtig, wird er sich von Jesus belehren lassen, dass er Teil der Gemeinschaft der Kinder Gottes ist.
  • Die Bezeichnung „Jahwe“ bedeutet: Ich bin, der ich bin bzw. Ich bin der, als der ich mich zeigen werde. Jeschua/Jesus bedeutet „Gott hilft“. Er ist die Erfüllung des Namens „Jahwe“: Als wer wird sich Jahwe zeigen? Als Helfer. Durch den Namen Jahwe wird deutlich, dass Gott nicht greifbar wird. Aber auch durch Jesus wird er nicht greifbar, nicht verfügbar. Gott ist in Jesus/Jeschua – Jeschua/Jesus ist das Gleichnis Gottes. Aber eben: „Gleichnis“. Ein Gleichnis ist ein Text, der nur dann verständlich ist, wenn man sich selbst in das Gleichnis einbringt, Teil des Gleichnisses wird. Und so ist Jesus ein Gleichnis, wenn man sich selbst mit einbringt, ihn zu verstehen. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/jesus-christus/lehre-jesu/

Die Frage ist nur: Wie sprechen wir das alles in einer Mensch zentrierten Zeit aus? In einer Zeit, in der Wissenschaft ihre Hände nach der Religion ausstreckt, in der das politische System keinen Herrscher – und sei es Gott – mehr wünscht?

Hier benötigen alle Glaubenden den Geist Gottes – und der befähigt manche Menschen mehr manche weniger, Gott zeitgemäß so zu bezeugen, wie er bezeugt werden will. Manche passen freilich Gott so sehr der jeweiligen Zeit an, dass er nicht mehr christlich gedeckt ist. Von daher muss die christliche Rede von Gott sich immer wieder zurückbinden an die Rede von Gott in der Bibel. Denn der Gott, der Abraham, Mose, Amos, Jesaja und andere angesprochen und, natürlich besonders in Jesus Christus gehandelt hat, ist noch immer der Handelnde.

Aufgaben:

Kann der Mensch überhaupt von Gott sprechen – wer Gott ist – oder kann er nur sagen, was Gott nicht ist? Diese Überlegung gehört zur so genannten theologia negativa. Man kann als Mensch nie sagen, wer Gott ist, weil er immer mehr ist, als ich sagen kann. Stimmst Du dem zu?

Der Mensch kann von Gott nur in Analogien reden. Gott ist Fels, Burg, Sonne, Licht usw. aber er erfasst Gott nie als Gott selbst. Stimmst Du dem zu?