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Schöpfung: Mythos

Die Schöpfungsgeschichten von Genesis 1 und Genesis 2 (1. Buch Mose Kapitel 1 und 2) gehören unterschiedlichen Gattungen an: Man spricht bei Genesis 1 von einem Mythos in Form eines Lehrgedichtes bzw. Schöpfungsliedes und von Genesis 2 von einem Mythos.

Genesis 2 (möglicherweise von einem Autor oder einer die Gruppe, die als Jahwist bezeichnet wird; ca. 1000v.Chr.) wird den Mythen zugerechnet, weil dieser Text einfach erzählt, wie die Schöpfung vonstatten gegangen ist: Es sind zum Teil Spannungen im Text vorhanden, die nicht geklärt werden, er hat zum Teil märchenhafte Züge („Schätze“), Lehm, aus dem der Mensch geformt wird, muss schon vorhanden sein usw.

Genesis 1 (Priesterschrift; ca. 550v.Chr.) wird den Lehrgedichten zugerechnet, weil der Text sich intellektuell mit dem babylonischen Schöpfungsmythos auseinandersetzt und diesem den jüdischen Glauben entgegenhält: Nicht die Götter haben die Welt erschaffen, sondern Gott. Die Sterne sind keine Götter – sie sind Lichter, also Teil der Schöpfung, der Mensch wurde nicht zum Sklaven der Götter geschaffen, sondern ist Ebenbild Gottes. All das wird in einer erstaunlichen Klarheit und Folgerichtigkeit genannt.

Dennoch ist der Begriff Mythos schillernd, so dass auch Genesis 1 landläufig dem Mythos zugerechnet wird.

Ein Mythos schlägt sich in Texten nieder: Sie geben keinen logisch nachvollziehbaren Bericht, sondern erzählen eine Geschichte. Ein Schöpfungsmythos versucht nicht das Geschehen (im gegenwärtigen Sinn) wissenschaftlich zu erklären, sondern  mit ihm versucht der Mensch, sich selbst in der Welt zu verorten: Warum ist alles, was wir sehen? Wie stehe ich in dieser Welt? Warum? Was für Aufgaben habe ich? Weil Götter, ein Gott  alles erschaffen hat – und das ging so… Aber auch Genesis 1 und 2 greifen vermutliche wissenschaftliche Errungenschaften der damaligen Zeit auf, denn es wird beschrieben. Das beschreiben, was man sieht, das Gesehene einteilen (Pflanzen, Tiere, Zeiten, Universen) und interpretieren, ist die Grundlage der Wissenschaft.

Wissenschaftlicher im landläufigen Sinn sind die Vorsokratiker (600-400 v. Chr.) dieser Frage in Griechenland nachgegangen: Thales sieht das Wasser als Beginn „Arché“ an, Anaximenes die Luft, Empedokles spricht von vier Elementen. Aber auch diese und nachfolgende Philosophen/Wissenschaftler können sich nicht vorstellen, dass es eine Schöpfung aus dem Nichts gibt (creatio ex nihilo): Aristoteles sieht den unbewegten Beweger am Beginn dessen, was wir als Schöpfung ansehen.

Und wenn man weiß, wo man herkommt, dann weiß man auch, wo man hingeht und was gegenwärtig zu tun ist. Ein Mythos hat somit auch gesellschaftspolitische Bedeutung für die Zukunft.

Das finden wir auch in Genesis 1 und 2. Zum Beispiel gibt Gott dem neu geschaffenen Menschen Aufträge, er weiß somit, was er zu tun hat. Gott als Schöpfer, so wird auch durch die Fortführungen von Genesis 3ff. gezeigt, steht am Anfang – und er erhält alles, gibt Weisungen zum Leben bzw. setzt auch Katastrophen in Gang.

Setzen wir dem Wissenschaft im landläufigen Sinn entgegen: Die Vorstellung von einem Urknall hat keine gesellschaftspolitisch stabilisierende Wirkung – genauso wenig wie die Vorstellung einer alles beendenden kosmischen Katastrophe. Nun erkennt aber auch im Laufe der Zeit die Wissenschaft, dass sie von Mythen abhängig ist. So ist die Vorstellung vom „Urknall“ nicht zufällig im jüdisch-christlichen Kulturkreis entstanden, denn sie säkularisiert im Grunde nur den Schöpfungsmythos: Alles hat einen Anfang – nur ohne Gott. Das bedeutet, dass der Mythos grundlegend ist, dass er auch Wissenschaft mitbestimmt. Und wenn man diesem westlichen Mythos entfliehen will und von einer sich immer wiederholenden Welt-Entstehung spricht, hat man sich einem asiatischen Mythos angeschlossen.

Der Mythos bestimmt uns – wenn wir vor Fragen stehen, die im strengen wissenschaftlichen Sinn nicht bewiesen werden können – weil wir in den Bildern des Mythos gefangen sind. Freilich gibt es Möglichkeiten aus dem Mythos auszubrechen. Nur dann stellt sich die Frage des Vorsokratikers Xenophanes: Wenn wir die Wahrheit haben – können wir sie dann als solche erkennen?

Götter- und Weltentstehungsmythen sind beliebt, ebenso Mythen, die erklären, was es mit Mann und Frau auf sich hat. Diese sind mit Hilfe von Suchmaschinen leicht zu finden.

Aufgabe:

Anhand der unterschiedlichsten Mythen kann man erkennen, welchen Stellenwert der Mensch in der jeweiligen Gesellschaft besitzt. Ist er Ebenbild Gottes? Ist er Sklave Gottes? Ist er, wie im baltischen Mythos, zufällig aus der Spucke eines Gottes entstanden (sozusagen derb: hingerotzt worden)? Ein Vergleich lohnt sich – auch ein Vergleich der Mythen, die von der Entstehung der Geschlechter sprechen.

Der Mythos gehört mit den Symbolen https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/religion-en/symbole/ zur Sprache des Glaubens https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/ .