ANMERKUNGEN ZUM THEMA „GLAUBE“

So mancher Mensch setzt Glaube und Wissen gegeneinander: Was man nicht weiß, das muss man halt glauben. Aber das Wort „Glauben“ hat einen anderen Ursprung. “Glauben” ist ein Wort, das ein Vertrauensverhältnis zu Gott ausspricht. Es wird in unserer Tradition für alle Religionen verwendet, aber eigentlich ist es ein spezifisch christlicher Begriff, um eben dieses ganz besondere Verhältnis auszusprechen. Vertrauen kann man lernen, wenn man einem vertrauenswürdigen Menschen begegnet. Im christlichen Glauben ist dieser Mensch Jesus Christus. Lesen wir die Berichte über ihn, seine Worte, bewegen wir sie im Herzen, denken darüber nach, dann kann unser Vertrauen zu ihm und durch ihn hindurch zu Gott wachsen. Oder wenn wir Menschen begegnen, durch die Jesus hindurch scheint, kann ebenso Vertrauen zu Jesus Christus wachsen.

Was ist “Glaube”?

Mit “Glaube” ist auf diesen Seiten nicht allgemein die Frömmigkeit der Religionen gemeint, sondern das, was das Wort ursprünglich meinte: der Glaube der Christen.

Menschen können Gott nicht beweisen. Es gab zwar viele Versuche, aber letztendlich sind die Beweise nur Glaubenden ein Beweis. Warum können Menschen Gott nicht beweisen? Weil der menschliche Verstand nur Geschöpfliches überhaupt wahrnehmen kann, darum auch nur in diesem Bereich der Schöpfung, der Natur das eine oder andere ”beweisen” kann. Diese Antwort ist (nicht nur) für Nichtglaubende sehr unbefriedigend, weil sie als Ausflucht gesehen wird: Wenn man etwas nicht beweisen kann, dann bleibt einem auch nur eine solche Antwort übrig.

Auch Glaubende haben letztendlich keinen Gottesbeweis – wie schon Paulus sagt: Ihr Reden von Gott ist Nicht-Glaubenden eine Dummheit und ein Ärgernis (1. Brief an die Korinther 1ff.). Glaubende wissen das. Doch ihr großes Rätsel ist die Frage: Warum glaube ich, obwohl es Blödsinn ist? Als Antwort sehen sie: Ich kann glauben, obwohl es Blödsinn ist, weil Gott mir den Glauben schenkt. Da stehen Glaubende nun vor dem nächsten Dilemma: Wenn Gott Glauben schenkt – warum glauben nicht alle Menschen? Auf die komplizierten Antwortversuche möchte ich nicht eingehen, sondern nur sagen: Auch Paulus, der Glauben als Geschenk empfand, ging hin und sprach zu anderen von seinem Glauben. Warum das? Wenn ein Arzt zu einem Patienten kommt und der Patient Angst vor ihm und seiner Kunst hat, dann kann der Arzt ihn dazu auffordern und mit Handlungen unterstreichen: Vertraue mir – du kannst mir vertrauen! Wenn Glaubende von Jesus Christus sprechen, dann bedeutet das nichts anderes: Auffordern, Gott in / durch Jesus Christus zu vertrauen.

Das hebräische Wort und das griechische Wort für Glaube beinhalten die Bedeutung “vertrauen”. Wenn Jesus gute Worte spricht, kommen Menschen zu ihm, um geheilt zu werden, sie vertrauen ihm. Jesus spricht manchen Menschen “Glauben” zu. Welchen Menschen? Denen, die besondere Schwierigkeiten auf dem Weg zu ihm überwinden mussten. Glauben ist Vertrauen, das man Gott in Jesus Christus entgegenbringt. Dem Glauben geht die Beschäftigung mit Jesus Christus voraus.

Der Kreis schließt sich: In der Beschäftigung mit Jesus Christus, kann Vertrauen wachsen – was dann rückblickend als Geschenk erfahren wird. Denn es bleibt dabei: Glaube ist Dummheit. Aber nur in dem Sinn, in dem auch Paulus seinen Gedankengang aus dem ersten Korintherbrief 1-2 weiterführt: Glaube ist Dummheit, weil die Menschen an die Klugheit Gottes nicht herankommen. (Nur am Rande eine kleine theologische Spitzfindigkeit: Wenn der Mensch von sich aus im Glauben Gott erfassen könnte, würde er sich schnurstracks über Gott stellen, weil er ja so ein toller Kerl ist, und sogar an Gott glauben kann. Manche verhalten sich auch so. Auch Glaubens-Turmbauten sind immer wieder eingestürzt.)

Glaube und Logik

Glaube und Logik sind ganz unterschiedliche Dinge. Glaube hat etwas gemeinsam mit der Liebe, mit der Hoffnung, mit emotionaler Interpretation der Vergangenheit (Erinnerungen sind vielfach unlogisch), mit Leben und Sterben. In all diesen menschlichen Erfahrungsbereichen versucht die Logik zwar Fuß zu fassen, und kann hin und wieder auch ganz hilfreich sein – aber sie muss letztendlich kapitulieren. Vor allem auch, weil das Leben als solches unlogisch ist. Materie kann sich nicht zu Leben organisieren… Viele Erfahrungen sind einfach unlogisch. Selbst das, was logisch erfassbar sein sollte, die Wirtschaft… – da grinsen die Kenner. Selbst das, was der Logik verpflichtet ist, die Wissenschaft… – da grinsen die Kenner schon wieder. Unsere Sprache, von der alles abhängt, alles Werten, Beurteilen, Interpretieren, Vermitteln… ist logisch – breites Grinsen. Logik ist die Magd der Erfahrung. Freilich sei die Mathematik ausgenommen. 1+1 = 2. 1Apfel + 1 Pferd = 2 Pferdeäpfel. (Der Kalauer musste sein.) Aber auch Mathematik wird unterschieden: Mathematik der trivialen Art und Mathematik der Naturwissenschaften, insbesondere der Physik. Das sind zwei Welten – auch zwei Welten der Logik.

Glaube ist Wissen, weil der Mensch mit seinem Verstand die Gegenwart Gottes anerkannt hat, seine Vernunft sie eingesehen, sich angeeignet hat. Ohne den Verstand als Medium des sich aneignenden Wissens kann man sich auch anderes Wissen (Weltwissen) nicht aneignen.

Glaube und Psychologie

Psychologie ist ein Blockiersystem, um den Anspruch des Glaubens zurückweisen zu können. Glaube ist biologisch – also psychisch bedingt. Sicher. Gott kommuniziert mit uns nicht außerhalb unserer Psyche, unseres Wesens. Wie sollte das auch gehen. Die Zurückweisung des Glaubens mit Gründen der Psychologie ist übrigens auch psychisch bedingt.

Glaube wird sichtbar

In einem Interview sagte der kranke Journalist J. L., er habe in seiner Krankheit nicht zu dem alten Mann mit Bart gebetet, sondern zu einer Kraft, die größer ist als ich, die stärker ist als alles.

Glaubt er, sich mit dieser Aussage von den glaubenden Christen unterscheiden zu können? Gibt es einen Christen, eine Christin, die zu einem alten Mann mit Bart betet? Ich denke, die kann man wie Stecknadeln suchen. Das ist doch traurig, dass es kluge Menschen gibt, die andeuten, dem wäre so. Zum anderen erkennt der Mann, dass Kranke in christlichen Häusern besser aufgehoben seien, weil die dort Arbeitenden ein anderes (menschlicheres) Menschenbild hätten. Schön, wenn das in konfessionellen Krankenhäusern noch so empfunden wird, denn da arbeiten inzwischen ja auch Nicht-Glaubende. Aber vielleicht ist Glaube ja auch ein bisschen ansteckend, fordert das Gute im Menschen heraus.

Wenn die Leute putzmunter sind, dann fallen sie vielfach über das christliche Menschenbild her, überheben sich und grinsen über die breiten Backen vor lauter: Wir wissen mehr, sind fortschrittlicher usw. Manchmal scheinen sie froh zu sein, dass es dann doch noch Christen gibt.

Sehnsucht und Glaube

Wir Menschen haben Sehnsucht, Sehnsucht nach mehr, nach dem Anderen, dem ganz Anderen. Wir wissen nicht, wie wir diese Sehnsucht lösen können, erfüllen können. Und da gibt es dann viele Möglichkeiten: Wir können versuchen, die Sehnsucht mit materiellen Dingen zu füllen. Wir können versuchen, sie mit allem zu füllen, was Drogen-Wirkung hat. Wir können sie mit anderen Menschen zu füllen versuchen. Esoterisch veranlagte Menschen drängt es zu den spirituellen Elementen der Welt, zu Geistern, zu Strahlen, zum Kosmischen, zum In-sich-selbst-einkehren. Das sind alles Möglichkeiten, die uns Menschen gegeben sind. Nicht zu vergessen: Man kann sich in seiner Arbeit und in seinem Hobby, im Sport usw. verlieren. Ich sehe das als Christ als Vorstufe an, als Versuch, die Erfüllung der Sehnsucht zu finden – die aber nur erfüllt werden kann, wenn der erkannt wird, der in uns Menschen diese Sehnsucht zu sich selbst hineingelegt hat. Gott als Schöpfer hat in uns diese Sehnsucht eingewoben, die uns drängt, ihn zu suchen. Erst wer ihn gefunden hat – der findet die Erfüllung der Sehnsucht und empfindet die Erfüllung als Geschenk. Gewiss eine alte Erkenntnis – aber immer wieder neu.

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Abschließende Bemerkungen zum Glaubensbekenntnis

Das Glaubensbekenntnis ist nicht die zentrale Glaubensaussage der Christen. Jesus Christus ist Herr – das Wort aus dem Römerbrief würde ich als zentrale Glaubensaussage bezeichnen. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist äußerst wichtig, aber eben im Rahmen der Bekenntnisse. Es fehlen in ihm zum Beispiel wesentliche Aussagen der Lehre Jesu. Es gibt Eckdaten wieder. Diese Eckdaten sind zu füllen – und sie werden je nach Zeit von Glaubenden gefüllt. Auch dieses Glaubensbekenntnis ist wie andere Folge einer Auseinandersetzung innerhalb der Kirche/der Christen – und führt auch notgedrungener Weise zu Auseinandersetzungen, weil die Zeiten, die Weltbilder, die Vorstellungen sich ändern. Die Frage ist dann, wer findet Antworten, die tragbar sind, um den Glauben der „Väter“ mit dem Glauben der jeweiligen Gegenwart zu verbinden. Dieser Prozess findet ständig statt. darauf muss man allerdings beharren, dass man den Glauben der Vorfahren mit berücksichtigt, da die Gemeinde Christi nicht nur eine der jetzt Lebenden ist, sondern auch die vorangegangenen Generationen Glaubender umfasst. Gemeinde = Leib Christi aus den Generationen der Vorfahren – der kommenden Generationen und  der gegenwärtigen Generationen.

Die Gegenwartsgeneration zu glorifizieren, ihre momentanen Sichtweisen, das entspricht nicht dem christlichen Glauben, das wäre eher sektiererisch. Aber dieses Spektrum theologisch so zu durchdringen, dass der Glaube noch in der Gegenwart rezipiert werden kann, das ist eine Kunst, die nur eng mit der Beziehung zu Gott in Jesus Christus durch den Heiligen Geist zu bewältigen ist. Nicht durch einfache Maßstäbe, die die jeweilige Gegenwart vorgibt.

Zudem kennen wir auch die Aussage, dass Menschen im Glauben wachsen. Ich habe vor ein paar Jahren auch anders geglaubt – und hoffe, dass ich im Glauben gewachsen bin – und nicht verkümmert. Das mag Gott beurteilen. Das bedeutet aber auch, dass der Mensch im Glauben Phasen durchmacht: er glaubt alles → er reflektiert → er bezweifelt → er durchdringt alles auf einer intensiveren Ebene des Verstandes → er gelangt zu weiterführenden Schlussfolgerungen, die dann manchmal wieder zu einer tiefen Frömmigkeit zurückführen können, die evtl. manches, das bezweifelt wurde, wieder neu durchdacht aufgreifen.

Von daher: Der Zweifel an dieser oder jener Aussage des Glaubensbekenntnisses sagt nichts aus. Darum gibt es ja auch die Gemeinde, die das Glaubensbekenntnis spricht: Sie spricht für mich mit, trägt mich, wenn ich selbst das eine oder andere nicht aussprechen mag.

Die Kritik am Glaubensbekenntnis, das Missverstehen des Glaubensbekenntnisses rührt auch daher, dass dieses Bekenntnis zu einem von Gemeinde losgelöstes Individualbekenntnis gemacht wird. Es ist Individualbekenntnis – aber als Teil der weltweiten Gemeinde – der Gemeinde durch die Zeiten hindurch.