Siehe neue Versionen: https://mini.evangelische-religion.de/glaube-und-naturwissenschaft-1/ und https://mini.evangelische-religion.de/glaube-und-naturwissenschaft-2/ und https://mini.evangelische-religion.de/glaube-und-wissenschaft-3/

GLAUBE UND NATURWISSENSCHAFT

A. Weltbilder allgemein

1. Weltbilder/Menschenbilder

1a. Kosmos:

  • Ägyptisches Weltbild – in der Antike weit verbreitet: Naturmächte sind Gottheiten; Entstehung der Welt – der Natur – ist zunächst eine „Geburt“ der Götter.
  • Babylonisches Weltbild/Thales (7. Jahrhundert vor Christus): Himmel als Gewölbe, Erde als Ebene, von Wasser umgeben;
  • Ptolemäisch (2. Jahrhundert nach Christus) / Geozentrisch: Himmel als Kugel, in deren Mitte liegt die Erde als Kugel – weiter geführt: das ganze Universum dreht sich um die Erde;
  • Augustinus 4./5. Jahrhundert hat das geozentrische Verständnis übernommen, allerdings Gott hinzugefügt, der das Universum umgibt.
  • Kopernikanisch (15./16. Jahrhundert) / Heliozentrisch: Planeten -damit auch die Erde – drehen sich um die Sonne.
  • Zeitgenössisch: Unser Sonnensystem ist nur ein winziger Bereich in der Milchstraßen-Galaxie, diese ist eine Galaxie unter anderen.
  • Unbewiesen: Unser Universum ist nur eines unter vielen – Multiversen.
  • Künftig: ???

1b. Anthropologie:

Wie sich das Weltbild veränderte, so auch das Bild, das sich der Mensch vom Menschen macht (genauer s. Anthropologie):

  • Babylonisch: der Mensch ist von Göttern aus einem toten Gott als sterblicher Diener der Götter geschaffen worden;
  • Animistisch: der Mensch ist abhängig von Natur- und Ahnengeistern;
  • Allgemeine Sicht: Dominanz der Mächtigen bzw. der mächtigen Gruppen über die Unterworfenen;
  • Jüdisch-christlich: jeder Mensch ist Ebenbild Gottes, freier, verantwortlicher Statthalter;
  • Zeitgenössisch vielfach: Mensch als Zufall der biologischen Evolution.
  • Künftig: ???

2. Aus welcher Perspektive wird die Welt betrachtet?

Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Betrachtungen einer Wiese durch: einen Dichter, Biologin, Landwirt, Immobilienmakler, Liebespaar…

Aufgabe: Stelle die unterschiedlichen Blickwinkel ausführlich dar.

3. Wandelnde Weltbilder und ungenügende Sprache

Welt- und Menschenbilder sind durch die Jahrhunderte verschieden – oder auch weltweit unterschiedlich kulturell geprägt. Die Verabsolutierung eines Weltbildes wird zur Ideologie. Wenn andere dazu gezwungen werden, eine Weltanschauung zu übernehmen, herrscht keine Freiheit mehr vor, sondern Totalitarismus. Der Mensch selbst kann sich und seine Welt nicht absolut sehen, er wandelt sich ständig (jüdisch-christlich gesprochen: Der Mensch ist als Ebenbild Gottes ein Geheimnis wie Gott ein Geheimnis ist).

Die Sprache ist begrenzt. Wörter / Texte können nie alles aussagen, was der Mensch aussagen möchte. Unsere Sprache vermittelt aufgrund der Begrenztheit ein begrenztes Weltbild.

Wer sich mit Pferden beschäftigt, kennt viele Begriffe, um die Pferde voneinander zu unterscheiden: Rappe, Schimmel, Fuchs, Schecke, Wallach, Hengst, Füllen, Stute, Kaltblüter, Warmblüter, Vollblut, Hannoveraner, Trakehner… – wer sich mit Pferden nicht auskennt, sagt nur: ein schwarzes Pferd! Das bedeutet, während manche nur ein schwarzes Pferd sehen, sehen andere eben ein vielfältiges Wesen. Sie können ganz anders über die Pferde reden, weil sie ein breiteres Spektrum an Wörter haben.

Das gilt für alle Bereiche. Auch die der Philosophie, der Naturwissenschaften, der Theologie usw. Aber dennoch ist die Sprache begrenzt, so viel Möglichkeiten sie auch bietet. Und wenn eben eine Kultur nicht viel – zum Beispiel – mit einem Pferd zu tun hat, dann sieht sie weniger als Kulturen, die viel mit Pferden zu tun haben. Kulturen, die eine begrenzte Sprache haben, haben auch ein in der jeweiligen Hinsicht begrenztes Weltbild. Das betrifft nicht nur einzelne Kulturen, sondern den Menschen überhaupt. Er hat eine begrenzte Sprache. Er versucht sie immer weiter auszudehnen, zum Beispiel in der Dichtung, in der Philosophie, der Theologie – aber auch dieser Versuch zeigt, dass die Sprache begrenzt ist.

B (Natur-)Wissenschaft

1. Definition

Wissenschaft ist der Versuch, die Welt, die wir wahrnehmen, zu verstehen, zu deuten. Wissenschaft begründet methodisch das, was ist – aber sie deutet. Somit gilt für Wissenschaft, dass Ergebnisse nur eine Zeit lang gelten – dass sie verifizierbar (Positivismus), falsifizierbar sein müssen (Popper). Wesentliches Kennzeichen für Wissenschaft: Beobachtungen werden diskutiert. Werden in der Wissenschaft Tabus errichtet, mutiert sie zur Ideologie. Methoden der unterschiedlichen Wissenschaften variieren: Naturwissenschaften haben andere Methoden entwickelt als Geisteswissenschaften: Soziologie, Psychologie/Anthropologie, Historische Wissenschaften, Literaturwissenschaft, Kunstwissenschaft… und Theologie (Theologie greift Methoden anderer Wissenschaften auf und prägt sie wiederum). Die Methoden können sich allerdings überschneiden. Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften haben unterschiedliche Zugänge zur Welt.

2. Grenzen der (Natur-)Wissenschaft

Axiome / Theorien / Hypothesen: Eine Hypothese geht voraus – man nimmt aufgrund bisheriger Beobachtungen etwas an, das dann aufgrund von weiteren Beobachtungen evtl. deutlicher in Theorien/Interpretationen einmünden, somit verfestigt werden kann. Hypothesen sind immens wichtig, weil sie erst einmal einen Aspekt wahrnehmen lassen, den es dann zu untersuchen gilt. Eine anfängliche Hypothese führt zur Theoriebildung (z.B. Urknall – denn er ist bekanntlich nicht bewiesen, aber alles deutet – zumindest gegenwärtig darauf hin -, dass es ihn gegeben haben wird; ebenso können wir nur vermuten, wie Galaxien usw. entstanden sind. Hypothesen zur Entstehung des Lebens aus Materie sind bislang ebenfalls nicht bewiesen, Beobachtungen münden aber in Theorien ein). Um jedoch kommunikabel zu sein, müssen Begriffe definiert werden – operationalisiert werden. Das bedeutet: Man muss präzise reden – aber dadurch, dass Worte durch Definitionen begrenzt werden, können sie zwangsläufig nur einen kleinen Bereich der Wirklichkeit (siehe unten) abdecken. Wissenschaft ist ohne den Rahmen, ohne die Einengung, die die Sprache immer mit sich bringt, nicht möglich. Von daher bevorzugen Naturwissenschaftler die mathematische Sprache, da sie wohl mehr sagt, als Worte ausdrücken können.

Nur das, was in Raum und Zeit messbar ist, Materie usw., kann auch untersucht werden.  „Naturgesetze“ sind Axiome (Festlegungen) – im Grunde aber Theorien, die seit längerer Zeit nicht durch Falsifizierung widerlegt wurden. (Wissenschaftshistoriker sind manchmal skeptischer als Wissenschaftler der jeweiligen Fächer.)

Erkenntnissprünge: das alte mechanische-materialistische Weltbild wird durch die Relativitätstheorie (Verhältnis von Raum und Zeit – Gravitation krümmt Raum und Zeit und Licht; Zusammenhang von Licht und Materie) und die Quantenphysik (Welle-,Teilchendualismus, nicht Determiniertheit physikalischer Vorgänge, der Beobachter beeinflusst diese Vorgänge) überholt. Künftige Erkenntnissprünge in der Wissenschaft und somit im Weltbild sind nicht vorhersagbar. Zurzeit kann man Relativitätstheorie und Quantenphysik nicht zusammenführen. Möglicherweise wird eine Theorie, die beide zusammenführen kann, einen neuen Erkenntnissprung mit sich bringen. Der Zusammenhang von Chaos und Ordnung ist ebenfalls nicht bekannt: Wie kann aus Chaos Ordnung entstehen?

Worin liegt die Begrenztheit? Begrenzte Wahrnehmungs- und Interpretationsfähigkeit des Verstandes aufgrund seiner evolutionären Entstehung. Der Mensch steht nicht außerhalb des Systems und kann Gesamtwirklichkeit nicht erfassen. Mit Kant (Platon) gesagt: der Mensch erkennt nicht das Ding an sich, sondern nur die Erscheinung. Sinnesorgane sind ebenfalls begrenzt – auch in ihrer Verarbeitung durch das Gehirn. Man kann diese Begrenztheit immer weiter ausdehnen, so in der Philosophie oder in der Beobachtung, dass unser materielles Denken durch das Mit- und Ineinander von Materie/Energie/Wellen in Frage gestellt wird – auch wenn wir es nicht verstehen können.

Unterscheidung von Wirklichkeit und Realität. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Realität und Wirklichkeit zu unterscheiden. Beide werden meistens synonym gebraucht. Realität ist jedoch das, was messbar ist usw. Wirklichkeit ist umfassender = Bewusstsein, Soziales, Emotionales, Spirituelles stehen mit der Realität in Wechselwirkung, weil sie vom Beobachter abhängig ist. Diese Unterscheidung wird jedoch nicht immer konsequent durchgeführt – zudem wird das, was hier Realität genannt wurde, als Wirklichkeit bezeichnet und was hier als Wirklichkeit bezeichnet wurde, als Realität. Was also wesentlich ist: Ein Gefühl dafür zu bekommen, dass es unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten von Realität/Wirklichkeit gibt. Anders formuliert: Wirklichkeit beinhaltet eine Fülle an Möglichkeiten. Realität ist das, was wir aus der Fülle an Wirklichkeit punktuell wahrnehmen. Was wir aus der Fülle wahrnehmen können, ist abhängig von unserem kulturellen, wissenschaftlichem, technischem, religiösen Umfeld. Mit Thomas von Aquin gesagt: Der Erkennende erkennt nur soweit, wie es seiner Erkenntnisfähigkeit entspricht. Was er aus der Fülle an Wirklichkeit wahrnimmt, das ist dann die Realität.

Selbstbeschränkung der Naturwissenschaft: Wissenschaft beschränkt sich selbst auf die Natur. Transzendentes/Göttliches wird ausgeklammert. Man beschreibt nur Naturgesetze und versucht sie mit Blick auf die Natur zu erklären. Versucht Naturwissenschaft Transzendentes zu erklären, überschreitet sie Grenzen. Ebenso werden grenzen überschritten, wenn, wie in der Esoterik, Natur transzendiert wird.

Evolutionstheorie + Intelligent Design + Kreationismus: Evolutionstheorie sieht, dass sich die Arten der Lebewesen auseinander entwickelt, optimiert haben. Intelligent Design sieht, dass das nicht möglich ist, weil vieles zur selben Zeit vorhanden gewesen sein müsste: Eine Zelle kann sich nicht erst langsam entwickeln, denn Komponenten müssen gleichzeitig vorhanden gewesen sein, was auf einen „Planer / Designer“ schließen lässt. Die Komplexität der einzelnen Lebewesen ist zu groß, um durch Zufall entstanden sein zu können. Dieser Designer muss nicht als Gott bezeichnet werden. Denn man schließt von der Komplexität zurück auf eine Intelligenz – wie auch immer sie zu definieren ist – und nicht von einem Gott ausgehend auf die Komplexität. Gott ist für Glaubende ein Wille, der jetzt noch agiert – das muss der Ursprungs-Designer aus Sicht der Vertreter des Intelligent-Design nicht. Kreationismus, der wissenschaftlich argumentativ arbeitet, sagt: Gott habe alles erschaffen und habe die Veränderung in den Arten angelegt. Die Veränderungen bleiben innerhalb der Arten (Anpassungsfähigkeit der Arten ist schöpfungsgemäß – Artensprung ist es nicht [aus einem Fisch kann kein Säugetier entstehen]).

Ästhetische und andere Wahrnehmungen von Natur: Naturwissenschaftliche Wahrnehmung von Natur ist nur eine Möglichkeit. Neben dieser gibt es die Wahrnehmung der Natur als etwas, das über den Menschen hinausgeht (in manchen Religionen wird sie auch als etwas Transzendentes erfahren). In unserer Kultur kann es (seit der Romantik) durch Kunst, Literatur, Musik zum Ausdruck gebracht werden, in der der Mensch von der Natur ergriffen wird, bzw. wird in der Aussage deutlich: Gott in der Natur erfahren (Ralph Waldo Emerson [19. Jahrhundert], in etwas anderer Intention: Ludwig Gotthard Kosegarten [1758-1818]). Im christlichen Glauben kann sie auch als „Spur Gottes“ wahrgenommen werden, in der man als Glaubender den Schöpfer ahnen und über seine Taten staunen kann (siehe C 2.). Diese Wahrnehmung der Natur unterscheidet sich von der neuzeitlichen Naturwahrnehmung durch die Wissenschaft, in der Natur als Objekt wahrgenommen wird; sie unterscheidet sich auch von weiteren Möglichkeiten, Natur wahrzunehmen: von der animistischen Tradition des Menschen, in der Natur von Geistern beseelt ist; sie unterscheidet sich ebenso von der Intention, in der die Natur selbst als göttliche, als transzendente Größe erfahren wird. Diese ästhetische Wahrnehmung der Natur ist von der rationalen Wissenschaft nicht erfassbar. Aber: Sie beeinflusst auch Naturwissenschaftler, wie an Heisenberg zu sehen.

Die Bedeutung der Ästhetik für die Naturwissenschaften stellt zum Beispiel Olaf L. Müller: Zu schön, um falsch zu sein. Über die Ästhetik in der Naturwissenschaft, S. Fischer, Frankfurt/Main 2019, dar.

3. Bedeutung der Wissenschaft

Wissenschaft übt Macht aus auf das Leben der Menschen. Sie verändert das Leben, das Weltbild, das Denken:

  • Medizin: Abtreibung, Sterbehilfe, Geburtshilfe, neuronale Prozesse – chemische Vorgänge im Hirn messbar und bestimmten Arealen zuweisbar: Geist und Bewusstsein sind messbar.
  • Technik… – PC…
  • Chemie: Nahrungsmittel, Energie, …
  • Mathematik (Festlegung: 1+1=2)…

Eigenes Wissenschaftsverständnis: Menschen trauen der Wissenschaft sehr viel zu, wobei vielfach unbeachtet bleibt, dass es die Wissenschaft nicht gibt, sondern nur viele Menschen, die Wissenschaft betreiben, entsprechend fehlbar sind.

Nicht nur an der Religion findet Naturwissenschaft ihre Grenze, sondern auch an der Ethik: Naturwissenschaft darf nicht sagen, was wir tun sollen, welchen Sinn das Leben hat. Wenn sie das versucht, wird sie zur Ideologie, zu einer Pseudoreligion.

C Glaube / Bibel und (Natur-)Wissenschaft

 1. Was bedeutet „Glaube“?

  • (a) credo aliquid: ich glaube etwas (morgen scheint die Sonne);
  • (b) credo in aliquem: Ich vertraue jemandem.
  • (b) = christlich. Christen glauben nicht an die Bibel, sondern an Gott, der von der Bibel und dem Heiligen Geist bezeugt wird.
  • (Die Aussage: Ich glaube nur, was ich sehe ist unlogisch, denn was man sieht, muss man nicht glauben.)

Schöpfungsgeschichten (Gen 1 und 2 und Psalm 8 und 104) und Wunderberichte des Neuen Testaments werden vielfach mit dem Thema Wissenschaft verbunden. (Dazu s. die jeweiligen Beiträge auf der Seite www.evangelische-religion.de.) Die erste Schöpfungsgeschichte (Gen 1) entstammt der orientalischen Weisheit. Und Weisheit ist für die damalige Zeit das, was wir heute als Wissenschaft bezeichnen. Und so erkennen wir Katalogisierungen, die Grundlage der Wissenschaft: Was gibt es eigentlich alles? Wie kann man es zuordnen (Tier-Pflanze-Himmelskörper, weitergehend: Tiere auf dem Land, im Wasser, in der Luft…). Sie werden benannt – benennen heißt: beherrschen. Gott sah alles an und es war sehr gut, heißt es. Die Schöpfungsgeschichte ist im babylonischen Exil entstanden, im Chaos, in der Traurigkeit – und siehe: Alles war sehr gut. Die Wissenschaft als Weisheit erkennt, dass trotz sozialen Durcheinanders die Grundlage der Schöpfung gut ist. Diese Wissenschaft erkennt Gesetzmäßigkeiten, an denen man sich festhalten kann, auch wenn das Leben des Individuums wie der Gesellschaft chaotisch ist.

Apostolisches Glaubensbekenntnis (+ Luthers Erklärung [ https://www.ekd.de/Kleiner-Katechismus-Zweite-Hauptstuck-13471.htm]: Das Glaubensbekenntnis ist insgesamt ein Text, der nur schwer mit dem Thema Wissenschaft zu verknüpfen ist. Nicht nur die „Jungfrauengeburt“ ist für den modern-wissenschaftlichen Denker schwer zu verstehen. Es beginnt schon mit: Ich glaube an Gott… Aber: Der Verstand wurde von Gott geschaffen, darum können sich Glaube und Wissenschaft nicht widersprechen (Benedikt XVI.: Regensburger Rede, 2006). Und so stellt sich grundsätzlich die Frage: Wissen wir schon genug a) von der Bibel und b) von der Naturwissenschaft, um eindeutige Antworten geben zu können.

Aufgabe: Hier http://www.der-schwache-glaube.de/2015/08/24/glaubensbekenntnisse-wilhelm-willms-dorothee-solle-jorg-zink-und-andere-muss-noch-erganzt-werden-christoph-fleischer-werl-2010/ finden wir viele Glaubensbekenntnisse der Moderne. Lies sie durch. Gibt  es eines dieser Bekenntnisse, das Du 1:1 übernehmen könntest? Formuliere ein eigenes Glaubensbekenntnis – vielleicht auch in Spannung zur christlichen Tradition.

Christlicher Glaube hängt auch von der Bibel ab. Aber es gibt unterschiedliche Ansichten über den angemessenen Umgang mit der Bibel:

  • Kreationistisch-fundamentalistisch: So wie es in der Bibel steht, war es auch, denn Gottes Geist hauchte den Menschen die Worte ein (Inspirationslehre). Und nur die Menschen, die Gottes Geist haben, können die wahre Intention verstehen.
  • Historisch-kritisch: Gott spricht durch Menschen (s.o.: Einbezug von Soziologie, Psychologie, Historische Wissenschaften, Literaturwissenschaft…) – der Mensch, der das berücksichtigt, kann die Bibel verstehen.
  • Die Bibel ist ein altes Buch, das aus einer Sammlung von Texten besteht, die von Menschen geschrieben wurden und Weisheiten beinhalten können, die manche Menschen bis heute beeinflussen.

Aufgabe: Wie denkst Du über die Bibel? Vielleicht die Punkte kombinierend?

Wie auch immer man die Bibel interpretieren mag: Sie hatte für die Ausbildung der Wissenschaft eine immense Bedeutung, was man daran sieht, dass im jüdisch-christlichen Kulturkreis Wissenschaft sehr groß geschrieben wird:

  • Die Bibel hat die Welt entgöttlicht – und das auf breiter Ebene. Im griechischen Bereich haben Menschen schon Ähnliches gedacht (z.B. Anaximenes 6.Jh.v. Chr.), das hatte aber bevölkerungsmäßig keine großen Auswirkungen. Empedokles (5. Jh. V. Chr.) zum Beispiel sah die vier Elemente als Götter an, die Stoiker sahen alles vom Pneuma – Zeus – durchdrungen an.
  • Die Bibel öffnet die Perspektive des Menschen mit Blick auf das Transzendente. Der Mensch muss nicht in sich selbst verharren.
  • Sie lehrt uns: Gott als Schöpfer ist kein Teil der Schöpfung, er kann nicht bewiesen werden, und wenn einer meint, ihn bewiesen zu haben, ist es nicht Gott, das er bewiesen hat: Gott kann nur erfahren und bekannt werden.
  • Sie lehrt uns, dass die Schöpfung nicht zufällig oder aus einer Art innerer Notwendigkeit heraus entstanden ist, sondern sie ist von Gott gewollt. Damit ist ihrer Existenz auch ein Sinn gegeben.

2. Das Verhältnis Glaube und (Natur-)Wissenschaft

(Vgl. z.B. Ian G. Barbour: Naturwissenschaft trifft Religion. Gegner, Fremde, Partner?, Göttingen 2010 und Francis S. Collins: Gott und die Gene. Ein Naturwissenschaftler entschlüsselt die Sprache Gottes, Freiburg 2012; Barbara Drossel u.a.: Naturwissenschaftler reden von Gott, Gießen 2016)

  1. Naturwissenschaft und Glaube sind miteinander im Gespräch – müssen es auch sein, da beide ein Teil menschlicher Geistesarbeit und Weltwahrnehmung sind.
  2. Wissenschaft greift Sprache des Glaubens auf (Evolution erschafft…)
  3. Wissenschaft und Glaube haben jeweils unterschiedliche Themen und Vorgehensweisen, die eine Welt zu beschreiben, zu verstehen.
  4. Naturwissenschaft versucht Natur zu erklären – Glaube versucht sie und ihren Hintergrund zu verstehen (heute versucht auch Naturwissenschaft zu verstehen – aber eben säkular unter Ausblendung des religiösen Hintergrundes).
  5. Kompatibilität von Glaube und Wissenschaft.
  6. Kampf gegen Glauben (Dawkins [s. Atheismus]) bzw. Wissenschaft (Kreationistische Gruppen, die Wissenschaft vollständig ablehnen).
  7. Anpassung des Glaubens an die Wissenschaft (wobei – wie oben gesehen – Wissenschaft sich ändern kann, der Glaube müsste sich also immer mit der Wissenschaft ändern).
  8. Anpassung der Wissenschaft an den Glauben (Ideologisierung).
  9. Gott suchen im Gehirn – Gehirn als Gott (Bet- und Meditations-Areale durch Messungen von Hirnaktivitäten erkannt [Andrew Newberg], Religiöse Gefühle mit Hilfe von Magnetismus erzeugt [Michael Peninger]).
  10. Glaube erfasst Wissenschaft anders: Ich glaube, um zu verstehen (credo ut intelligam) (Anselm von Canterbury).
  11. Gottes Handeln in der Schöpfung nachvollziehen – das durch Wissenschaft. Das war (und ist wohl) der Antrieb vieler christlicher Wissenschaftler: Wissenschaft als Lob Gottes. Gesetzmäßigkeit und mathematische Genauigkeit gibt es erst dadurch, dass einer Gesetzmäßigkeit und mathematische Genauigkeit in der Schöpfung darlegt. Säkular bedeutet das: Man erkennt die Ordnung der Natur, dass Chaos sich immer wieder ordnet – das allerdings nicht mit Gott verbindet, sondern als Beobachtung hinnimmt.
  12. Der Mensch ist das einzige Wesen, von dem wir wissen, dass es die Natur denkend und dankend durchdringen kann. Der Mensch kann beides: denken und danken – Wissenschaft treiben und sich denkend religiös verorten. Es gibt viele große Wissenschaftler, die an Gott glaubten. Bekannt ist Max Planck, bekannt ist auch Heisenberg: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“

Fazit: Der Wissenschaftler hat ein Weltbild – er ist Glaubender oder nicht Glaubender. Auch als glaubender Wissenschaftler ist er dem „methodischen Atheismus“ unterworfen – aber nicht dem „ideologischen Atheismus“. Wesentlich: Gott darf nicht als Lückenbüßer für wissenschaftliche Lücken angesehen werden (Bonhoeffer) – Wissenschaft darf auch nicht als Lückenbüßer für Gott angesehen werden (EKD-Veröffentlichungen: https://www.ekd.de/EKD-Texte/ekdtext_94_02.html )

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass Gott mit jeder beantworteten Frage nicht zurückgedrängt wird, sondern im Gegenteil: mehr Raum bekommt, da mit jeder beantworteten Frage sich wieder eine Unmenge an neuen Fragen öffnen. Mit jedem Wissen nimmt Unwissen zu. Und, so heißt es in christlicher Tradition: Alle Fragen werden in Gott beantwortet.

 3. Bedeutung des christlichen Glaubens und Versuche, diese zu säkularisieren

 a) Gott schenkt – durch seinen Geist:

  • Stärkung des Selbstbewusstseins,
  • Gesundheit,
  • Angstvermeidung angesichts des Schicksals, des Todes und der Zukunft,
  • Befreiung durch Vergebung,
  • Gemeinschaft (Jüdisch: Volk, Christlich: Kinder Gottes aus den Völkern),
  • Soziale Regeln (10 Gebote, Propheten, Jesus/Matthäus: Bergpredigt…),
  • Gott wirkt im Menschen und durch den Menschen unter Zuhilfenahme des Gehirns. Wie sollten Religiöse Gefühle entstehen, wenn nicht unter dem Zusammenspiel von Gehirn, Hormonen usw.? Religion ist nicht vom Menschen abzulösen, sondern Teil des Menschen.

b) Versuche der Säkularisierung dieser Glaubens-Aspekte, weil laut Atheisten usw. Religion von Menschen gemacht wurde. Damit tun sie das, was Feuerbach ansprach: Religion ist vom Menschen gemacht – und weitergehend als Feuerbach: Sie greifen Religiöses auf, damit der Mensch die von Menschen gemachten Vorzüge der Religion nutzen kann. Das bedeutet: Christlich-religiöse Sachverhalte werden wissenschaftlich durchdrungen, um sie für Menschen fruchtbar zu machen. Das versucht man in der

  • Psychologie,
  • Soziologie (eigene Regeln aufstellen, Diskursethik [Habermas]),
  • Medizin (länger gesund leben),
  • nichtchristlichen Philosophie (Welt denken ohne Gott).

4. Glaube und Vernunft

Glaube und Verstand hängen zusammen. Glaube bedarf des Verstandes. Aber dennoch hat Glaube etwas, das über den logischen Verstand hinausgeht. Beide gehören zur Vernunft. Denn Vernunft ist mehr als Verstand. Vernunft bezieht Lebenserfahrungen, Weltbilder, Interpretationen des Erfahrenen mit ein. Der Verstand sucht nur das Nachvollziehbare nachzuvollziehen. Gegenüber dem Verstand hat der Glaube also hinausgehende, weiterführende Bedeutung. Er fragt nach dem Woher des Menschen, dem Wohin, dem Sinn des Lebens. Anders gesagt: Warum lebe ich als Mensch? Wie sieht meine Zukunft aus? Wie will ich mein Leben gestalten? Was ist die Grundlage meines Lebens – wer hat sie gesetzt? Ich bin mehr als ein Zufallsprodukt der Natur – das sieht man daran, dass ich strebe, auf Zukunft hin ausgerichtet bin, von der Vergangenheit lernen kann, eingebunden bin in ein soziales Netzwerk, verletzlich bin, leiden und froh sein kann.

Ist alles das auf Zufall, auf chemische Reaktionen usw. zu reduzieren? Es gibt wohl keinen Menschen der mit dieser materialistisch-biologistischen Antwort zufrieden ist. Warum? Eine Reduzierung des Weltbildes auf den Verstand ist eine selbstgewählte Engführung, die nicht nur dem Menschen als offenes Wesen widerspricht, sondern auch der Grundlage der Wissenschaft.