Krieg und Frieden: Altes und Neues Testament

Gewalt im Alten Testament

Voraussetzung des Verstehens:

Israel lebte geopolitisch in einer ungünstigen Lage (zwischen Assyrien/Babylon… und Ägypten). Mit seiner Verbindung von Krieg mit Gott steht es in altorientalischer Tradition. Kriege sind aus damaliger Sicht notwendiger als Friede, um die Chaosmächte zu besiegen – das heißt: alles, was dem jeweiligen Herrscher, damit der Gottheit/den Göttern entgegensteht, sind Chaosmächte. Diese müssen in die Schranken verwiesen werden. Vernichtung und Demütigung der Eroberten diente dazu, Widerstand – also Chaos – im Keim zu ersticken.

1. Schöpfungsgeschichten: Gott gab dem Menschen Freiheit und Verantwortung. Er missbrauchte seine Freiheit (Genesis 1-3). Genesis 4: Menschen töten einander.

2. Die Völker sind grausam und kriegsgewaltig. Gott vernichtet sie, lässt aber Noah und Familie übrig. Menschen versuchen Gott aus dem Himmel zu stoßen (Turmbau zu Babel). Folge: Gott beruft Abraham, damit es anders werde. Dessen Enkel sind gewalttätig (Jakob/Esau) – aber Gott ist mit Jakob, vergebend und verändernd. Jakob hat gewalttätige Söhne.

3. Die Kinder Israels werden in Ägypten unter Gewalttaten bedrängt. Gott befreit das Volk durch Moses mit Hilfe von Warnung und Wundern. Josua: massive Kämpfe. Gott als Kriegsherr. Bann als Auftrag Gottes (durch Priester?) (Josua 7f. [der Name des Dorfes AI bedeutet: Trümmerhaufen]; Numeri/4.Mose 21; 31 [der Name Horma bedeutet: Bannstadt]). Historisch stehen dahinter wohl eher Infiltration und keine Expansionskriege (z.B. Gideon in: Richter 6f.).

Wichtig: Die jetzige Darstellung des Josuabuches durch den Deuteronomisten ist keine Lüge, sondern Menschen leben als Menschen ihrer Zeit und interpretieren ihre Welt und ihre Vergangenheit aus dieser Sicht. In babylonischer Zeit wird aus der Sicht der Völker die eigene jüdische Vergangenheit als eine des siegenden Gottes dargestellt: Unser Gott war kriegsmächtig und unser Gott beherrscht auch die Sieger-Völker.

4. Der Kampf gegen Kanaan wird mit deren Opferung von Kindern begründet – d.h. es geht um Menschenrechte.

5. Jahwe ist Krieg, heißt es 1Samuel 17,47. Gott Zebaoth = Gott der Heere/Heerscharen (Engel) – aber feminin.

6. Es gibt gerechte und ungerechte Herrscher.

7. Parallel dazu: Propheten treten auf, die Könige zurechtweisen. Eintreten für Moral – Ankündigung des strafenden Gottes – Gott führt auch Krieg gegen Israel, wenn es asozial ist, damit ist Gott auch Herr der Völker, der diese, ohne dass sie es wissen, für sich einsetzen kann. (Gott ist Schöpfer – nicht nur Stammesgott – das bedeutet eine Öffnung von Gott nach Außen, trotz religiöser Volks-Abgrenzung.) Propheten treten auch ein gegen falschen Frieden: Sie rufen Schalom, Schalom – es ist aber kein Schalom (Jeremia 6,14).

Schalom im Alten Testament

Schalom: Frieden als Prozess. Gott versucht den Menschen immer stärker auf seinen Weg des Friedens zu setzen, ihn dafür zu gewinnen. Vgl. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/kirche/theologie-weg-lern-prozess/

Zu 1. Das Paradies bietet ein Bild des Friedens. Grundlage der Schöpfung: Gott sah, dass es gut war. Das zeigt auch die Sehnsucht des Menschen. Das ist die Grundlage, die die Menschheit lenkt: Sie hat in sich das Ziel, auf dieses Gute zuzugehen. (Entelechie: In sich das Ziel haben – Gott wird vollenden, Gewalt und Krieg beseitigen.)

Zu 2. Gott erwartet von Kain, dass er seine Sünde / Aggression beherrscht – er traut es ihm auch zu. Noah ist Vorbild: Er wandelt mit Gott…; Noah-Bund: Gott fordert Gewalttaten durch rechtliche Sanktionen einzuschränken (9,6). Josef ist ein Muster an Moral und Vergebung, weil gottesfürchtig. Diese Menschen zeigen, wie man sich als Mensch Gottes angemessen (friedvoll) verhält.

Zu 3. Kampf Gottes gegen Gewalt mit warnenden und sich steigernden Strafwundern. Sie waren angekündigt worden. Wenn Menschen sich Gott widersetzen, hat das Folgen. Das Deuteronomistische Geschichtswerk legt in diese Zeit die Kriegsgesetze (Deuteronomium / 5. Buch Mose 20) vor. Soweit wir wissen: Ein Fortschritt – auch wenn sie zum Teil nicht unseren Vorstellungen entsprechen): Menschen müssen nicht in den Krieg ziehen (wer ein Haus gebaut hat, geheiratet hat, Angst hat…), Schonung der Obstbäume, Unterscheidung zwischen Kriege gegen nahe Städte und ferne Städte, Aufruf zum „Frieden“ / Kapitulation, Umgang mit Frauen (Trauerzeit einhalten, nicht als Sklavin verkaufen).

Zu 4. Amos 1-2: Krieg Gottes wegen Verletzung von Menschenrechten. Gott ist gerecht, setzt Gerechtigkeit durch.

Zu 5. Richter 6,24 heißt es: Der Herr ist Friede.

Zu 6. Herrscherspiegel (Samuel-, Königs-, Chronikbücher). Regeln für sozialen Frieden z.B. 10 Gebote, umfassender: 3. Mose/Levitikus 19

Zu 7. Friedensvisionen/-kriegskritische Texte – im Kontext kriegerischer Texte: Hosea 2,20, Jesaja 2,4 (Micha 4,3-5); 9,1-6; 11; 30,15-17, Ezechiel 39,9f, Jesaja 2; 42,13; 65,17-25, Sacharja 4,6; 9,9-17; Haggai 2,2; Psalm 46,10; 85,9ff.; 72,3. Frieden nach Sieg über Gegner – weil Gott Gegner bekämpfen wird.

Manch andere Texte sprechen auch die Hoffnung nach Schalom aus. Gott ist nicht auf der Seite der Mächtigen, er ist auf der Seite der Opfer: Jesaja 52,13-53,12.

Dass der Mensch den Schalom suchen soll, indem er nicht mehr Böses tut, sondern Gutes, das heißt z.B. nicht lügt, das spricht Psalm 34 aus. Gerechtigkeit und Frieden gehören für Psalm 85 und Jesaja 32,17 zusammenSchalom hat also auch weitere Dimensionen.

Krieg und Frieden im Neuen Testament

Jesus Christus

  • Mit Jesus Christus gab es ganz neue Impulse (Feindesliebe – als imitatio Dei / Nachfolge Gottes, Grenzen überschreitend…): innerer Friede – Friede mit Gott – sozialer Friede.
  • Der Gewaltwelt – die als selbstverständlich hingenommen wird (Mt 24,6; Lk 14,31) – wird eine andere entgegengestellt: Die Gemeinde soll als Kinder Gottes eine Enklave des Friedens werden, die nach außen ausstrahlt und Welt verändert.
  • Die Sehnsucht nach Schalom im Reich Gottes wird zum Antrieb für das Handeln in der gewalttätigen Welt.
  • Seligpreisungen (Mt 5,9): Selig, die Frieden stiften (pax facere > Pazifisten)
  • Grenzüberschreitend: Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10,25ff.)
  • Wunder am Sklaven des heidnischen Soldaten (Mt 8,5ff.).
  • Friedensstifter (Jünger – Mt 10,13/Lk 10,5f.) werden allerdings verfolgt (Mt 10,34), werden aber von Gott gerechtfertigt.
  • Exorzistische Tätigkeit: Menschen werden aus Gewaltstrukturen befreit.

Woher wissen Christen, dass es aus Gottes Perspektive auf Frieden ankommt und nicht auf Krieg und Gewalt? Jesus lebte und lehrte Frieden. Gott hat ihn dann auferweckt, das heißt, er hat sich zur Lehre und zum Handeln Jesu bekannt. Siehe auch: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/verhalten-ethik/jesus-und-gewaltlosigkeit/ und: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/verhalten-ethik/friedensweg/

Frühe Gemeinde

Jesus Christus wird als „Gegenmodell“ zu Augustus (dem Vertreter des gewalttätigen römischen Reiches) gesehen:

Weihnachtsgeschichte des Lukas: Frieden auf Erden durch Gottes Menschwerdung/Kind – Akklamation Gottes durch Engel – statt Akklamation des Caesar Augustus durch Soldaten (Lukas 2,13f.). Jesus Christus als Licht, das allen Menschen leuchtet und sie auf den Weg des Friedens führen wird (Lukas 1,79) – nicht Augustus. Pax Augusta / Pax Romana wird ersetzt durch den Schalom Gottes.

Die Zugehörigkeit zu Jesus Christus bringt Frieden (Johannes 14,27; 16,33). Der vereinzelten alttestamentlichen Aussage: Jahwe ist Krieg wird die Aussage entgegengesetzt: Jahwe/Gott ist Liebe (1. Johannes 4,8; vgl. Richter 6,24: Gott ist Friede).

Das Thema Frieden in verschiedenem Sinn ist wichtig für den Apostel Paulus:

  • Frieden mit Gott als Voraussetzung für
  • Frieden mit sich selbst,
  • Frieden mit den Mitmenschen,
  • Frieden innerhalb der Gemeinde.
  • Gott wird als Gott des Friedens bezeichnet, der Heilige Geist wirkt Frieden.

Es wird deutlich: Es geht den frühen Christen nicht um Frieden zwischen Staaten. Dazu waren die kleinen verstreuten Gemeinden auch zu unbedeutend – bestanden zum Teil ja auch aus Sklaven und hierarchisch übersehenen Menschen. Zudem gab es noch keine Staaten im gegenwärtigen Verständnis. Der Versuch bestand darin, die Menschen im Sinne Gottes zum Frieden zu bewegen („Evangelium des Friedens“), sich als Gemeinden zu vernetzen, damit die Gesellschaft befriedet wird.

Zusammenfassung:

Gott begleitet den freien Menschen (der sich gegen Gott und gegen den Mitmenschen stellt, somit seiner Verantwortung nicht gerecht wird), indem er verschiedene Wege geht, um Menschen zu sozialen Wesen zu machen: Appell an seine Stärke gegenüber kriminelle Anwandlungen (Kain), Bestrafung und Rettung (Noah), Gebote (Mose/Deuteronomium), einfordern der göttlichen Gebote (Propheten), vor Augen malen einer Welt des Schalom (Schöpfungsgeschichte/Paradies, prophetische Friedenstexte). Im Neuen Testament dadurch, dass die Gewaltwelt durch eine Parallelwelt des Schalom durchdrungen werden soll.

Geschichte, die die Bibel zeigt, ist eine Beziehungsgeschichte: Gott fordert vom Menschen – aber immer nur soweit der Mensch es überhaupt verstehen kann. Wenn der Mensch es verstanden hat, geht Gott weiter.

und: s. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-2/

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Krieg und Frieden: Antike bis zum 19. Jahrhundert (kurzer Überblick)

1. Platon (428-348) unterscheidet zwischen äußerem und innerem Krieg. Der innere Krieg = Aufruhr in einer Stadt (kann schlimmer sein als gegen äußere Feinde). Dieser ist durch gute Gesetzgebung, durch freundschaftliche und friedliche Gesinnung zu erreichen. Der äußere Krieg betrifft die Stämme der Griechen und der ist anders zu behandeln als der Umgang mit den Barbaren. Barbaren sind Feinde, Griechen untereinander würden nur als Freunde Krieg führen. Ziel ist es aber, die Barbaren wie Hellenen anzusehen. (Vgl. Altes Testament: Trennung zwischen: Volk – nähere Völker – ferne Völker; das hat aber eine andere Intention.)

2. Aristoteles (384-322) – Lehrer von Alexander dem Großen: Die Gesetze der meisten Staaten sind daraufhin ausgerichtet, Krieg führen zu können. Dagegen soll der wahre Staatsmann so handeln, dass er das Beste – mit Blick auf Frieden/Ordnung – für die Menschen will, aber er muss realistisch sein, das heißt, manche Menschen benötigen den Despoten, manche Staaten benötigen eine kriegerisch wachsame Gegnerschaft. Aristoteles vertritt elitäres Denken: Es gibt Herrscher und Beherrschte (Menschen, von Natur aus Sklaven).

3. Zenon von Kition (333-362): Krieg kommt nicht von Gott, sondern vom Menschen, der die göttliche Ordnung zerstört. Chrysipp (um 300-208) sieht das ähnlich. Kosmopolis – Stadt des Kosmos ist Ordnung und Harmonie – Menschen machen sich Sondergesetze, die in Kriege ausarten. Man muss sich auf die Ordnung konzentrieren und den Frieden als Frieden erstreben. Diese Aussagen wurden aufgenommen von Seneca, Plutarch, Epiktet, Marc Aurel (alle 1./2. Jh. n. Chr. Politisch wurden sie kaum wirksam. Kaiser Marc Aurel fand zum Beispiel den Krieg lächerlich und grässlich, war aber kriegerisch massiv tätig – und auch in der Christenverfolgung). (Vgl. Altes Testamemt: Krieg ist Folge menschlicher Schuld – alle Menschen sind Ebenbild Gottes.)

4. Cicero (106-43): Römisches Fetialrecht (Priesterrecht): Krieg ist unrecht und frevelhaft – darum muss er von Priestern begleitet werden und beginnt nach bestimmten formelhaften Einleitungen: – Kriegs Androhung, – Kriegserklärung, – mystische Handlung (Lanzenwurf in feindliches Land [auch wenn das Land nur symbolisch wiedergegeben wurde, weil die Priester nicht an die Grenzen des römischen reichs fuhren]). Dann war Krieg rechtmäßig – gerechter Krieg. Diese Frage nach Rechtmäßigkeit wurde schon 155 v.Chr. von dem Philosophen Karneades in Frage gestellt. Das sei nicht Recht, was die Römer mit ihrer Expansionspolitik betreiben. Darum wurde der Krieg der Römer nachträglich ethisch begründet. Cicero: Die römische Expansionspolitik dient der Ehre/Treue (fides) und des Heils/Rettung/Schutz (salus). Sie dient der Verbreitung von Gerechtigkeit und Recht in Staaten des Unrechts. (Vgl. Altes Testament: Kriegsgesetze: Bedeutung des Priesters im Kontext eines Krieges. Und: Kriege dienen der Durchsetzung des Gottes-Rechts.)

5. Die Hauptströmung des christlichen Glaubens lehnte die Teilnahme am Militär ab, weil Jesus Feindesliebe und Gewaltlosigkeit lehrte. Beispielhaft sind Tertullian (150-220), Origines  (185-254), Lactantius (250-320), ebenso die gnostisch-christlichen Manichäer (Mani: 216-276 – wegen der alttestamentlichen Kriege lehnte er auch den alttestamentlichen Gott ab).

6. Augustinus (354-430) verschmolz griechisch/römische, alttestamentliche und jesuanische Sichtweisen zum Thema Krieg/Frieden. Und diese wurden dann in Europa der nächsten Jahrhunderte relevant. Er verfasste sein Werk nach der Eroberung Roms durch die Westgoten um 410 (De civitate Dei): absoluter Pazifismus ist Weltflucht – die Welt ist gefallen, sündig, von daher sind Kriege notwendig – es herrscht aufgrund der Sünde nicht nur Frieden. Frieden ist harmonische Ordnung. Alles hat in dieser Ordnung seinen Platz, vom Stein bis hin zum Menschen.

Augustinus denkt den Frieden umfassend:

  1. Wer sich Gott nicht unterordnet (geistlicher Friede) kommt nicht zum
  2. inneren Frieden, weil er aus Hochmut die Ordnung Gottes missachtet: Seele und Leib kämpfen gegeneinander, das heißt in der Terminologie der Neuzeit: Triebe und ÜberIch / Ich. Das ist für Augustinus die Hölle: der Konflikt des Menschen mit sich selbst. Weil der Mensch sich nicht selbst beherrschen kann, will der Mensch über andere Herrschen, es kommt zum
  3. sozialen Unfrieden. Und dieser beherrscht alles: Familien, Nachbarn – bis hin zum Staat.

Gott hat der sündigen Welt Hierarchie gegeben, damit Ordnung annähernd hergestellt wird, was aber aufgrund der Sünde der Menschen nie vollständig möglich ist. Dennoch: Der Staat hat den Bildungsauftrag sowie legislative, exekutive und juridische Gewalt, soll mit Weisheit und Recht regieren, ausgerichtet an der Herrschaft Gottes (civitate Dei). Die Regierung sollte im Auftrag Gottes gegen Krieg handeln – ist aber gegen Gott eingestellt (von daher führt sie kriege durch). Damit entsakralisiert er die Herrscher, Herrscher sind nicht per se „heilig“/“göttlich“ – er trennt Kirche und Staat. Der Christ darf Soldat sein, muss aber unter manchen Bedingungen nicht Gehorsam leisten. Als Privatperson ist er der Bergpredigt unterworfen, als Soldat aber nicht.

Augustinus war in jungen Jahren Manichäer, wurde dann später aber Christ und verteidigte die alttestamentlichen Kriege als von Gott befohlene Kriege, die aber durch das Neue Testament als überholt gelten. Das Alte Testament muss aus der Perspektive des Neuen Testamentes / des Geistes Gottes gelesen werden. Die Aufforderung, friedfertig zu sein, gilt nicht nur einem Volk, sondern allen Völkern.

Kriege sollten nun nur noch möglich sein, wie bei den Römern, um Unrecht zu bestrafen – dann sind sie klagend zu führen. Aber anders als bei Cicero: Imperiale Kriege sind wie Präventivkriege nicht gerecht. Ziel der Kriege ist Friede – von daher zielen sie immer auf Eintracht mit dem Feind. Auch der einzelne Soldat soll Pazifist sein – sich beherrschen, ohne Hass agieren, seine Motivation hinterfragen (Unterscheidung von Militär und Zivilpersonen; Ablehnung der Folter). Er lobte Kaiser Theodosius wegen eines Krieges, den er klagend führte und Feindschaft danach nicht duldete (civ. V,26).

7. Alkuin (735-804) und andere Bischöfe kritisierten Karl den Großen, weil er unrechtmäßig Krieg mit Missionierung verbunden hat. (Europa war in dieser Zeit noch lange nicht christlich.)

8. 10. Jahrhundert Pax Dei/Treuga Dei – Gottesfrieden: „Anfänge europäischer Friedensbewegung“. Eindämmung der Kriege des Adels untereinander.

9. Anna Komnene (1083-1154) eine Geschichtsschreiberin aus Byzanz, Tochter des Kaisers, sah Krieg als großes Übel an, als Folge politischen Versagens.

10. Zu den Kreuzzügen s. https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/kirche/kreuzzuege/

11. 1181-1226: Franz von Assisi war pazifistisch eingestellt: Als Kreuzfahrer eine Stadt eroberten, wurde Franziskus durch die Gewalt erschüttert „Brüder, besinnt euch, nicht die Muslime versperren euren Weg, sondern euer eigener Teufel, euer Hass und eure Habsucht“, soll er gesagt haben. Bestand hat eine Herrschaft nur, wenn sie Frieden mit sich bringt – den Frieden, den Jesus Christus in die Welt brachte.

12. 1139 Konzil verurteilt todbringende und gottverhasste Kriegstechnik (Armbrust).

13. Thomas von Aquin (1225-1274) greift Traditionen auf – vor allem auch Augustinus -, verknüpft diese aber mit dem neu aufgekommenen Aristotelismus und der Betonung der „Naturgesetze“ / Naturrecht – das heißt: Es gilt allen. Glaube, Hoffnung, Liebe sind Tugenden, die der Mensch nicht aus sich selbst hat, sondern von Gott geschenkt bekommen muss (virtus infusa). Im Rahmen der Liebe / Caritas bespricht Thomas das Thema Frieden, als Wirkung der Liebe. Die Störung ist der Krieg. Wann ist Krieg erlaubt?

  1. wenn der Fürst ihn einsetzt, der Vernunft entsprechend, zum Wohl der Gemeinschaft;
  2. wenn er (mit den alten Römern) gerecht ist, d.h. Unrecht ahndet,
  3. aber – wie Augustinus – da Krieg dem Frieden dient, muss schon im Krieg friedvoll gehandelt werden. (Heute: Humanitäre Intervention.)
  4. Ein Krieg gegen Ketzer ist gerecht, um das Gesetz zum Wohl des Staates durchzusetzen, nicht aber ein Präventivkrieg, um Glauben unter Heiden durchzusetzen.
  5. Im Krieg selbst ist die Tötung Unschuldiger zu vermeiden, auch Schuldiger dann, wenn nicht eindeutig ist, wer schuldig und wer nicht schuldig ist.

14. Im 15. Jahrhundert Hussiten/Böhmische Brüder. Im Mittelalter waren Katharer, Albigenser und Waldenser für Gewaltfreiheit.

14a. Der Kardinal Nikolaus von Kues veröffentlichte 1453, nach der Eroberung Konstantinopels durch den Islam die Schrift. Vom Frieden zwischen den Religionen (De pace fidei). Darin geht es darum, dass Gott alle Menschen geschaffen hat, darum alle Menschen eine Einheit bilden – sie im Grunde auch alle denselben Gott anbeten. Sie haben zwar unterschiedliche Riten, aber der dahinter stehende Gott ist derselbe. Die Menschen müssen für den wahren Glauben geworben werden. Wenn Gott sich zeigen würde, würden sie glauben – darum bittet einer der Protagonisten: „Wenn es Dir so zu handeln gefällt, werden Schwert und blanker Haß und jegliches Unheil aufhören, und alle werden erkennen, wie es nur eine einzige Religion in der Riten-Mannigfaltigkeit gibt.“ Gott aber spricht darauf hin den freien Willen des Menschen an. Daraufhin reagiert Jesus: „Die Wahrheit ist jedoch eine; und es kann nicht so sein, daß sie durch eine freie Vernunft nicht erfaßt wird. Darum wird die ganze Verschiedenheit der Religionen zu dem einen rechten Glauben geführt werden.“ Auch der heute so genannte Weltethos kommt zur Sprache: Paulus: «Die göttlichen Gebote sind sehr kurz und allen wohlbekannt. Sie sind allen Nationen gemeinsam. Ja, das Licht, das uns sie zeigt, ist der Vernunft-Seele anerschaffen. Denn in uns spricht Gott, daß wir Ihn, von dem wir das Sein empfingen, lieben und dem anderen nur das tun sollen, von dem wir wollten, daß es uns geschehe. Die Liebe ist also die Vollendung des Gesetzes Gottes, und alle Gesetze werden auf sie zurückgeführt.» Alle Religionen können sich darauf einigen, dass die eine Weisheit Gottes – in Jesus Christus – zu erstreben ist. Bislang verhindert der Fürst der Finsternis diese Erkenntnis beim einfachen Volk. https://urts99.uni-trier.de/cusanus/content/uebs.php?ueb=8

14b. Nikolaus von der Flüe, Mystiker und Einsiedler (1417-1487), lehrte Frieden: Man muss aufeinander hören und einander gehorchen – das heißt, man muss miteinander das Weitere aushandeln. Er hat die Eidgenossen zum Friedensvertrag geführt. Wichtig war ihm: Frieden ist in Gott, denn Gott ist der Frieden. 1947 (!) wurde er als Friedensheiliger heilig gesprochen. Ein Gebet, das von ihm hergeleitet wird, zeigt diesen Frieden: „Mein Herr und mein Gott / nimm alles von mir / was mich hindert zu dir. / Mein Herr und mein Gott / gib alles mir / was mich führt zu dir. / Mein Herr und mein Gott / nimm mich mir und gib / mich ganz zu eigen dir. Amen.

Wenn von ihm geredet wird, muss auch von seiner Frau Dorothea gesprochen werden. Sie beschreibt die Kriegssituationen: brach liegende Felder, die nicht bestellt werden konnten, Plünderungen, Morde, gelegte Feuer, Traurigkeit und Ängste. Sie ließ ihn den Weg Gottes gehen – sagte Ja zu diesem sonderbaren Weg ihres Mannes.

15. Erasmus von Rotterdam wurde um 1517 beauftragt, zu einer geplanten Friedenskonferenz eine Friedensschrift zu verfassen: Die Klage des Friedens. Es gibt keinen gerechten Krieg – Krieg bedeutet, Schuld auf sich zu laden, Herrscher sollten eher auf Macht, Land, Vermögen verzichten, als Kriege zu führen: „Wo denn ist das Reich des Teufels, wenn es nicht im Krieg ist? Warum schleppen wir Christus hierhin, zu dem der Krieg noch weniger passt als ein Hurenhaus?“ Seine Friedensschrift sah Erasmus als eine im Auftrag des Habsburger Herzogs Karl, Franz I. von Frankreich und Papst Leo X. an und sollte den Teilnehmern eines geplanten Friedenskongresses (der nicht stattgefunden hat) als Denkanstoß dienen. Auf dem Friedenskongress sollte nach der Schlacht von Mariano (20.000 Tote), in der Feuerwaffen („Höllenmaschinen“) verwendet wurden, die Lage in Italien geordnet werden. Gewidmet wurde sie dem Bischof von Utrecht, der als Mediator dienen sollte. Friedensarbeit ist Folge christlicher Ethik, sie ist Aufgabe aller, nicht nur der Herrscher. Erasmus vertritt nicht allein neutestamentliche pazifistische Sicht („Wer immer Christus verkündigt, verkündigt den Frieden“), sondern argumentiert zivilrechtlich: Folge des Friedens ist eine christliche Gestaltung der Gesellschaft. Er griff die Herrscher an, weil sie Kriege führten, um sich selbst Macht, Ehre und Besitz anzueignen und appelliert an deren christlichen Glauben. Er wendet sich dagegen, dass moderne Waffen den Namen von Aposteln bekommen. Krieg wird als Krankheit angesehen – nicht als Folge der Vernunft. Zur gleichen Zeit verfasste Thomas Morus seine Utopie, der Jesaja 2,2-4 zugrunde lag.

16. Francisco de Vitoria (1483-1546) gilt als „Vater des internationalen Rechts“.

17. Bartholome de Las Casas (1485-1566) (Begründer der Menschenrechte): Die leidenden Indianer sind der gekreuzigte Christus. Aufgrund seiner Einwände gegen das Verhalten der Spanier in Südamerika, wird mit dem Krieg nicht nur die Tötung verbunden, sondern auch der Besitz kommt in den Blick, zudem das Thema der Verhältnismäßigkeit.

18. Radikales Täufertum (Zwingli-Schüler): Christen dürfen nicht Obrigkeit sein, weil Jesus auch abgelehnt hat, König zu werden. Obrigkeit darf Schwert gebrauchen – liegt aber in der Ordnung Gottes außerhalb der Vollkommenheit Christi.

19. 17. Jahrhundert Quäker (Society of Friends) George Fox verweigerte Kriegsdienst unter Cromwell, unter William Penn wanderte die Gruppe aus, gründete Pennsylvania… – sie bildeten einen Verbindungsausschuss der historischen Friedens Kirchen (1935).  Mennoniten (haben nach Verfolgung nur noch zum Teil den radikalen Pazifismus vertreten) (einschließlich Amish und Hutterer und Kirche der Brüder/Church oft he Brethren).

Das Historisches Friedenszeugnis („Peace Testimony“; 1661) verfasst von der Quäkerin Margaret Fell wurde König Charles II. übergeben. 1693 verfasste der Quäker William Penn die Schrift: „Entwurf zum gegenwärtigen und zukünftigen Frieden in Europa“, in dem er aktive Friedensarbeit anmahnte – und einen europäischen Staatenbund präzise andachte.

20. Matthias Bernegger (1620): Tuba Pacis – gegen Kriegshetze; Emeric Crucé (1623): Friedensplan für Europa und die Welt; Maximilien de Béthune (1638): Friedensgeheimplan – Fiktion, aber weitreichende Auswirkung.

21. Westfälischer Friede (24.10.1648 – nach 5 Jahren Verhandlung) – europäische Friedensordnung (bildete das Ende  des 30-jährigen Krieges) gleichberechtigter Staaten und Miteinander der Konfessionen. Realismus ist Maßstab für politische Einigung. Über dem Vertrag steht: „im Nahmen der Hochheyligen untheilbaren Dreyfaltigkeit, Amen

22. Voltaire (1694-1778) wandte sich gegen den Krieg, der Länder verarmen lässt – aber: Menschen sei der Krieg so schwer abzugewöhnen wie den Wölfen das Fressen von Lämmern. Man denke auch an seinen Briefwechsel mit Friedrich II. (Kritik am Christentum, weil in seiner Zeit Europa von Kriegen beherrscht war.)

23. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) war auch friedensbewegt. Aber er sah, dass angesichts des Absolutismus, der herrschte, der Friede keine Chance hat. (Anders als der als utopisch angesehene Versuch von Abbé Saint Pierre [1658-1743] [Traktat vom ewigen Frieden]).

24. Immanuel Kant (1724-1804): Der Mensch ist bösartig, gibt sich aber dennoch eine Ordnung, seine Natur treibt ihn dazu,  damit er trotz Boshaftigkeit mit anderen leben kann (der Mensch/Bürger – nicht die Könige). Wenn Menschen durch Vernunft Recht herstellen können, müsste es auch zwischen den Völkern möglich sein. Zustand der Wildheit führt letztlich zum Völkerbund. Seine Schrift (Zum ewigen Frieden; 1795) gilt als Höhepunkt europäischer Friedensliteratur. (Dazu s. Frieden+Krieg 2: Èmeric Crucé.) Allerdings lehnt Kant jeglichen Widerstand ab, hat somit mit der Realität, also dem Kampf für den Frieden nicht viel zu tun.

25. Graf Leo Tolstoi (1828-1910) war ein russischer Schriftsteller, der die Bergpredigt als Regierungsprogramm Jesu gelesen hat. Man müsse sich daran halten – und das Böse wird aufgrund seines schlechten Gewissens auf längere Sicht scheitern. Tolstoi versuchte diese Sicht auf seinem Landgut umzusetzen, kritisierte Staat und Kirche massiv. Die Gruppen, die ihm folgten, wurden vom kommunistischen System verboten. Gandhi und dann weiter Martin Luther King wurden durch Tolstoi beeinflusst. Der Mensch muss der Wahrheit in Worten und Handlungen folgen – das schließt aktiven Widerstand gegen Unwahrheit ein.

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Im Grunde herrscht seit alttestamentlicher Zeit eine Auseinandersetzung zwischen Realpolitik und dem Versuch, diese durch neue Bilder/Ansätze zu ändern. Wie ist Frieden zu erreichen? Durch kontinuierliche Friedensarbeit – aber die, so Jesus Christus – kostet viel, sogar das Leben. Aber da sie dem Willen Gottes entspricht, wird sie letztlich zum Ziel führen. Vollendet wird sie jedoch nur durch Gott.

Es gab dann in den pazifistisch orientierten Kirchen drei Gruppen:

  1. die pietistische Gruppe, die die Vollkommenheit Christi lebte – ohne Welt-Verantwortung;
  2. die Gruppe, die wehrlos Angriffe als Nachfolge Christi erduldete;
  3. die liberal protestantische Gruppe, die Wehrlosigkeit zur aktiven Gewaltlosigkeit weiter führte (intelligente Feindesliebe).

Obwohl sich genannte europäische Aufklärer für Frieden aussprachen: Kriege beherrschten die Politik Europas des 17.-20. Jahrhunderts – auch in der Loslösung vom Christentum (Aufklärung, Napoleon, nationalsozialistische und kommunistische Expansionen).

Weiter s.: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-2/

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Grundlegende Literatur: Arnold Angenendt: Toleranz und Gewalt: Das Christentum zwischen Bibel und Schwert, Achendorff-Verlag Münster, 2014, Nachdruck der fünften aktualisierten Auflage 2009 und: Ines-Jacqueline Werkner und Klaus Ebeling: Handbuch Friedensethik, Springer VS, Wiesbaden 2017