Heiliger Krieg

Heiliger Krieg – Kriege, die im Namen der Götter und für die Götter geführt werden. „Heilig“ bedeutet: den göttlichen Mächten zugehörig.

  • Griechenland: Heilige Kriege wurden geführt, um Tempel von Göttern zu schützen. Der erste heilige Krieg fand ab dem Jahr 600 vor Christus statt, der 4. Heilige Krieg im Jahr 339.
  • Im Alten Orient führte man Kriege im Namen der Götter – Assyrien führte Krieg, um den Weltengott Assur den ihm gebührenden Raum zu verschaffen. Zudem waren die Herrscher, die sich von den Göttern herleiteten, diejenigen, die im Auftrag der Götter das Chaos, das Feinde herbeiführten, bekämpften.
  • Im vorchristlichen Rom wurden Kriege mit Hilfe religiöser Riten durchgeführt, man war also in ständiger Verbindung mit den Göttern und führte sie mit deren Hilfe, nach deren Anweisung.
  • Alttestamentliche Schriften: Das Wort „heiliger Krieg“ begegnet nur im Buch Joel 4,9 (Datierung: 900-300 v. Chr.). Aber immer wieder ist vom Krieg Jahwes die Rede. Dass Gott als Kriegsherr gesehen wird, wird auch in dem vielleicht ältesten Lied des Alten Testamentes, dem Mirjamlied, ausgesprochen: Lasst uns dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.

Heilige Kriege sind vielfach Stammeskriege, in denen der jeweilige Stammes- bzw. Stadtgott Konkurrenten besiegt. Alttestamentliche Stellen betonen wohl in exilischer Zeit, in der Zeit der Auseinandersetzung mit den babylonischen Siegern, rückblickend, dass Jahwe auch ein großer Kriegsgott ist, trotz der Niederlage. Sie sind nicht real. Doch hatten diese Schriften dann in der Wirkungsgeschichte große Auswirkungen, so in der Makkabäerzeit, in der große Teile des Volkes Israel die griechische/seleukidische Besatzungsmacht bekämpfte (165-63 v.Chr.), ebenso in Texten von Qumran (Kriegsrolle 1QM, wohl 30-50 n.Chr.) und dem bar Kochba Aufstand gegen die Römer (132-136 n.Chr.).

Im Epheserbrief, der im Umfeld des Apostels Paulus ca. 80 n.Chr. geschrieben wurde, wird die Kriegs-Metaphorik aufgegriffen und aus christlicher Perspektive ganz neu gedeutet:

  • Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.
  • 11 Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. 12 Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.
  • 13 Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.
  • 14 So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit
  • und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit
  • 15 und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens.
  • 16 Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen,
  • 17 und nehmt den Helm des Heils
  • und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
  • 18 Betet allezeit mit allem Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit und Flehen für alle Heiligen 19 und für mich,…

Gerechter Krieg

Unter „Gerechter Krieg“ (bellum iustum) versteht man Kriege, die nicht allein aus religiösen Gründen geführt wurden, sondern: Es sind gerecht (nach Regeln) geführte Kriege (ius ad bellum) auch zur Durchsetzung von Gerechtigkeit. Der Kampf und die Vernichtung von Barbaren-Völkern bezeichnete der Philosoph Aristoteles als gerechten Kampf. Schon das alte Rom kannte diese Form des Krieges. Denn Kriege konnten nicht einfach so geführt werden, sie mussten begründet werden. Begründet wurden sie zum Teil damit, dass man gegen Barbaren kämpfen musste, die das Reich bzw. die Menschheit bedrohen.

Der Kirchenvater Augustinus hat sich in einer Zeit, als Westgoten und Vandalen Rom geplündert haben (5. Jh.), Gedanken zum Thema Krieg und Frieden gemacht. Dabei hat er griechische und römische Traditionen aufgegriffen, sie aber aus christlicher Perspektive weiter geführt. Gerecht sind Kriege dann, wenn sie dem Frieden dienen, sich gegen Unrecht wenden, von einem Herrscher befohlen werden und nicht gegen Gottes Willen verstoßen. Es geht um ius ad bellum – also um die Legitimation des Krieges (zur Herstellung des Friedens) – und um ein ius in bello – also darum, wenn ein Krieg geführt wird, muss er so geführt werden, dass er dem frieden dient (z.B. Schutz der Zivilbevölkerung).

Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin (13. Jh) und der Reformator Martin Luther (15. Jh) greifen diesen Ansatz auf und führen ihn weiter aus. Wobei zu erwähnen ist, dass nicht erst in der gegenwart die Gewissensfreiheit herrscht, ob das Individuum Krieg als Soldat kämpfen möchte, sondern das gab es auch schon in dieser Zeit. Erasmus von Rotterdam (15./16. Jh) kritisiert die Herrscher massiv, weil sie nicht an die Vorgaben Jesu – und sich somit auch nicht an die Vorgaben des Kirchenvaters – halten, sondern Kriege aus eigenem Interesse führen. Ein Ansatz, der auch schon bei Augustinus da war: Wer Kriege einfach so führt ist mit Räuberbanden gleichzusetzen.

Heilige Kriege – gerechte Kriege

Während der Kreuzzüge (12. Jahrhundert) blühte der Gedanke des Heiligen Krieges wieder auf – verbunden mit dem Märtyrertod. In der christlichen Tradition waren Märtyrer Menschen, die um ihres Glaubens Willen als Wehrlose ermordet wurden. Diese Sicht wurde während der Kreuzzüge ins Gegenteil verkehrt, indem man muslimische Traditionen aufgegriffen hat: Märtyrer sind auch diejenigen, die im Kampf gegen Muslime fallen (Im Koran sind die Märtyrer, die im Kampf für Allah fallen). Ihnen wird die Vergebung der Sünden versprochen. Gleichzeitig werden diese Kämpfe als Pilgerfahrt bezeichnet – also Nudging aus mittelalterlicher Sicht – und unter dem Slogan: Deus lo vult (Gott will es). Das sind die Worte, die angeblich die Menge gerufen hatte, nachdem Papst Urban II. 1095 zum Kampf gegen die muslimischen Angreifer von Byzanz bzw. den muslimischen Eroberern Jerusalems aufgerufen hatte. Der Kampf wurde als gerechter Krieg angesehen, als Verteidigungskrieg zur Befreiung der Christen im Heiligen Land. Allerdings gab es auch in der Zeit schon Widerspruch, so hat Radulfus Niger (12. Jh) betont, die wahre Pilgerfahrt sei ein spirituelles Ereignis – er ist ein Glaubensweg zu Gott, der den Pfad der Sünde verlässt. Gott will militärische Pilgerreisen nicht, da der spirituelle Zustand der Christen, die auf Kreuzzug gehen, katastrophal ist. Und so kritisiert er alle möglichen Stände und Berufe, sowohl in Europa als auch im Heiligen Land. Das heißt: Die Kirche selbst ist nicht mehr der Civitas Dei, sondern der der Civitas terrena zuzuordnen.

Während des 30jährigen Krieges (17. Jh) führte man von katholischer wie von protestantischer Seite Heilige Kriege durch. Jede Gruppe sah sich als Verteidigerin des wahren Glaubens, des wahren Gottes. Gleichzeitig musste aber auch etwas anderes zurechtgerückt werden: Das Verhältnis der Herrscher untereinander: Protestantische Fürsten sahen sich durch den katholischen Kaiser mit seinen katholischen Fürsten gegängelt. Es war also nicht allein eine Frage der Religion, sondern auch eine Frage der Macht, eine Frage der Vorgabe, dass der Herrscher (also der Kaiser) seit Augustinus die Aufgabe hat, das Reich unter der katholischen Kirche zu einen, während die protestantischen Fürsten die Aufgabe darin sahen, ihren wahren Glauben gegen die katholische Übermacht zu verteidigen. In dieser Zeit entstanden viele Texte, die diesen Kampf als religiösen Kampf beeinflussten.

Diese Ansätze wurden bis in die Neuzeit aufgegriffen, obgleich die Kriege säkularisiert (Überführung vom Göttlichen/Kirchlichen ins Zeitliche/Weltliche) wurden. Das heißt, dass nicht mehr Gott eine Rolle spielte, sondern weltliche Argumente.

In Frankreich wurden 1789 der König samt Adel der Macht und der Privilegien beraubt. Gegen diese „Volksherrschaft“ kämpften ab 1792 Staaten, die noch von Königen und Adel beherrscht waren (Koalitionskriege). Die „Volksherrschaft“ sollte zurückgedrängt werden. Die französischen Soldaten unter der Führung Napoleons (1769-1821) – gekommen, um die Völker von  den Bedrängern zu befreien, und zum Ruhm, Ehre und Reichtum der Soldaten – konnten sich behaupten und unterwarfen die östlichen Staaten. Damit einher gingen massive Kämpfe gegen Vertreter der christlichen Kirchen (Klöster wurden geschlossen, Kirchen und Kunst wurden zerstört…). 1812 wurde das französische Heer im Zusammenhang des Russlandfeldzugs geschlagen.

Diese Eroberungszüge Napoleons führten dazu, dass sich in Deutschland immer stärker ein nationaler Widerstand entwickelte, in dem unter anderem Ernst Moritz Arndt (1769-1860), der Philosoph Johann-Gottlieb Fichte (1762-1814), Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852; Turnvater Jahn) diesen Kampf – den Befreiungskrieg – gegen die antichristlichen französischen Kräfte religiös aufgeladen haben. Es waren nicht mehr nur Fürsten, die gegeneinander kämpften, sondern wie auch im Duktus der Französischen Revolution: Völker. Das heilige Volk Deutscher Nationen bekämpft die sozialen Chaos bringenden französischen Besatzungsmächte. Parallel dazu versuchte eine rationalistische Gruppe (z.B. Carl von Clausewitz 1780-1831) den Krieg rein rational, taktisch und sachlich zu führen.

An diesem zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten Gedankengang knüpfte man dann auch im Kontext des 1. Weltkrieges an: Gott mit uns – und zog in heiliger Erregung in den säkularen Krieg. Solche Kriege führte dann ca. 30 Jahre später das nationalsozialistische Deutschland gegen den Bolschewismus, das orthodox-kommunistische Russland gegen die Deutschen. Ebenso sprach der britische Außenminister Lord Halifax von einem heiligen Krieg, den die Alliierten gegen das antichristliche nationalsozialistische Deutschland führten.

Dass Kriege noch immer aus der Perspektive der Gerechtigkeit geführt werden, sieht man in der Gegenwart daran, dass der Westen vor allem dann besonders aktiv wird, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wie im Krieg gegen den politischen Islam (IS). Zudem werden diese Kriege als Verteidigungskriege angesehen, da die Terrorbedrohung (Al Kaida, IS) massiv geworden war.

Exkurs: Reich Gottes – Reich der Welt (Civitas Dei – Civitas terrena/diaboli)

Augustinus hat einen besonderen Gedanken eingebracht: Die Welt, in der wir leben, ist nicht die heile Welt, die Gott erst in Zukunft herbei führen wird. In dieser Welt, die zwar Gott, dem Schöpfer gehört, hat der Mensch einen freien Willen – auch den Willen, zu sündigen, also Kriege zu führen (Civitas terrena). Aber seit Christus ist diese Welt (Civitas terrena) nicht mehr allein sichtbar, sondern es wird schon die anbrechende Welt Gottes in der Kirche/in den Christen erkennbar (Civitas Dei). Christen leben als normale Menschen in beiden Welten. Sie werden einerseits von der weltlichen Herrschaft bedrängt, weil die weltliche Herrschaft nur Weltliches im Blick hat, andererseits aber können sie sich dem Leben in der weltlichen Welt nicht entziehen. Augustinus beschreibt nun die Aufgaben der Herrscher und Bürger in der weltlichen Welt in ihrem Verhältnis zu den Christen, bzw. das der Christen zu der weltlichen Welt. Im Kontext der weltlichen Welt haben sich die Herrscher auch an Gottes Willen auszurichten, das bedeutet, dass sie Regeln mit Blick auf den Krieg einzuhalten haben. Frieden ist der Normalzustand – Krieg sollte nur unter ganz bestimmten Bedingungen geführt, damit er als gerechter Krieg, der dem Frieden (dem Recht Gottes) dient, gelten kann. Die Herrscher haben nicht nur mit Blick auf den Krieg Regeln einzuhalten, sondern auch mit Blick auf den „inneren Frieden“: Sie haben dem Bürger Freiheiten zu lassen, damit er im Frieden Gott dienen kann, gleichzeitig haben sie auch dem Bösen zu wehren (Augustinus nimmt an dieser Stelle aus dem Paulusbrief Römer 13 auf, in der die Aufgabe der Herrscher darin besteht, für Sicherheit zu sorgen).

Zu Augustinus muss man beachten, dass er im Übergang von Antike zum Mittelalter lebte. Das bedeutet, die Situation der Christen ist nicht zu vergleichen mit der Zeit im Hochmittelalter oder mit der Zeit Luthers, der im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit lebte.

Das Mittelalter wird auf weiten Strecken vom Kampf zwischen Papst und Kaiser bestimmt: Wer hat die wahre Macht? Beide sahen sich als von Gott eingesetzt an. Das wird auch durch den Reichsapfel des Kaisers symbolisiert: Das Kreuz betont die Herrschaft Christi, im inneren des Reichsapfels befinden sich Reliquien der Heiligen, deren Fürbitte und Begleitung man damit erbittet. Der Papst sah sich ebenfalls als Oberhaupt an, da er sich als Nachfolger des Apostels Petrus von Jesus Christus eingesetzt sah und der Kaiser als Christ ihm untergeordnet ist. Es gab also von beiden Potentaten Tendenzen, das irdische und das göttliche Reich zusammenzuführen.

Luther hat aus seiner Zeit stärker die Civitas Dei mit der institutionalisierten Kirche Verbunden, die bestimmte Aufgaben hat, und die Civitas terrena mit den Herrschern. Das bedeutet, dass zwei Größen miteinander ringen und bestimmte Aufgaben haben. Die Kirche verkündet das Evangelium (Wort), der Herrscher sorgt für Sicherheit (Schwert). Kirche und Staat werden voneinander getrennt, aber beeinflussen und begrenzen einander, da die Christen beiden Bereichen zugehören. Gott ist allerdings Gott über beide Bereiche. Von daher darf der Staat nicht den Anspruch erheben, den ganzen Menschen „bestimmen“ zu wollen. Was Ideologien der Neuzeit, sowohl der Nationalismus, Nationalsozialismus als auch der Sozialismus bzw. Kommunismus versuchen: auch die Gesinnung des Menschen zu beherrschen.

Gerechter Friede

In der Gegenwart betont man in den Kirchen, dass es nicht um einen gerechten Krieg geht, sondern um einen gerechten Frieden. Welche Bedingungen müssen herrschen, damit ein gerechter Friede zustande kommt? (a) Es muss Rechtsstaatlichkeit herrschen, (b) die Bevölkerung muss an politischen Prozessen beteiligt werden, (c) soziale Gerechtigkeit muss im Fokus stehen, (d) das Gewaltmonopol eines Staates ist gleichermaßen Bedingung wie (e) die Entwicklung einer konstruktiven Konfliktkultur (vgl. Senghaas) zudem ist (f) relevant, dass Staaten nicht isoliert agieren, sondern dass weltweite Strukturen errichtet werden, denen die jeweiligen Regierungen verantwortlich sind. Politischer Friede und sozialer Friede hängen eng zusammen. Und aus christlicher Sicht gehören dazu auch der geistliche Friede, das heißt die Beziehung zu Gott, und der daraus resultierende innere Friede.

Gerechter Friede sollte nicht gleichgesetzt werden mit Pazifismus. Wie man dem ursprünglich friedenssichernden Ansatz des „gerechten Krieges“ vorwirft, Unrechtsstrukturen gefördert zu haben, so ist auch einem streng pazifistischen Ansatz des „gerechten Friedens“ dieser Vorwurf zu machen, da es in gewisser Weise eine Auslieferung von Menschen an Gewalttäter beinhaltet. Von hier aus gesehen ist der Ansatz der intelligenten Feindesliebe wichtig: Hierbei geht es darum, Modelle des Widerstandes zu entwickeln, die Aggressionen des Gegners ins Leere laufen lassen. Da auch das allerdings eine große Leidensbereitschaft erfordert und der Mensch vollkommen anders gepolt ist, muss an dieser Stelle noch viel Arbeit geleistet werden. Es handelt sich also noch um eine Zielvorgabe.