(s. auch: https://mini.evangelische-religion.de/jesus-christus-in-den-religionen-2/ )

Jesus Christus in hinduistischer Sicht

Vielfältige Beurteilungen Jesu

Vielfältig wie der Hinduismus, ist auch die Stellung von Gurus zu Jesus (vgl. auch an einem Beispiel: Peter Schmidt: A.C. Bhaktivedanta Swami im interreligiösen Dialog. Biographische Studien zur Begegnung von Hinduismus und Christentum, Frankfurt 1999 (Theion X). Es geht über Ignorierung hin zur Anerkenntnis als ethisch besonders hochstehender Mensch (Avatar), als eine Inkarnation eines Gottes, wohl Vischnu, da dieser sich nach hinduistischer Vorstellung überwiegend inkarniert; Ablehnung Jesu als einer, der einen persönlichen Gott vertritt – freilich im Rahmen der Bhakti-Bewegung ist die Vater-Anrede verständlicher als für andere Richtungen; abgelehnt wird der Sühnetod – wobei beides (Verkündigung eines persönlichen Gottes und Sühnetod) von anderen auch wieder anerkannt werden kann; abgelehnt wird Jesus Christus vor allem aber als der einzige Weg zu Gott – wobei immer wieder die Frage zu stellen ist: Wer ist eigentlich „Gott“? Wird Gott als Brahma (Allgeist) interpretiert oder als Vischnu (eine Art Person)?

Unterschiede zu Jesus Christus

(a) Eine Anerkenntnis Jesu als Jesus würde real die Ablehnung der Kastenfrage mit sich bringen (vgl. Gandhi) und (b) die für Hindus theologisch wichtige Frage: Wie muss ich mich verhalten, um in einer besseren Position wiedergeboren zu werden? (c) Wiedergeburt ist mit Jesus nicht kompatibel. (d) Ebenso ist es schwierig, das Bestreben des Menschen nach Heil durch rituellen Kult mit Jesus in Verbindung zu bringen. Weder Götterstatuen, noch Sonnen- oder Feuerriten, noch Meditationspraktiken sind jesuanisch zu begründen. So wie ich Jesus verstehe, würde er Meditationen nicht ablehnen, damit Menschen zur Ruhe kommen (freilich kennt die frühe Christenheit einen anderen Weg: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken). Aber Meditationen im hinduistischen Sinn sind religiös verknüpft (ein Sich-verlieren im Allgeist usw.) – und die sind jesuanisch nicht zu legitimieren, da im Zentrum der Verkündigung Jesu Gott selbst und die Ankunft seines Reiches steht. (e) Auch Brahmanen und Gurus würden ihren hohen Status verlieren. Sie wären vielleicht Lehrer, mehr nicht. Denn Glaubende sind zu Gott unmittelbar und nicht abhängig von Lehrenden (wobei in der katholischen Kirche der Priester eine betontere Rolle spielt). Das können Gurus selbstverständlich nicht akzeptieren. (f) Tantrische Magie im hinduistischen Sinn ist mit Jesus nicht kompatibel wie auch die damit verbundene Betonung des körperlichen Wohlfühlens durch sexuelle Praktiken, da für Jesus der Mensch durch seine Gotteskindschaft eine besondere Aufgabe übertragen bekommen hat: gottgemäßes Verhalten mit Blick auf den anderen Menschen und nicht das Bemühen um ekstatisches Erfassen von etwas, das als göttlich interpretiert wird. Im Christentum gibt es das Erfasstwerden von Gott durch den Geist; es ist aber etwas – abgesehen von Mystikern, die mit Mystikern aller Religionen Gemeinsamkeiten haben –, das der Mensch selbst nicht durch Praktiken steuern kann. Der die Erlösung suchende Mensch wird auch nicht auf sich selbst gewiesen, sondern auf den Mitmenschen. (g) Jesus bestimmt nicht, wie im Zauberwesen (Brahmanen, Gurus, Lamas usw.) Gott, sondern zeigt den Menschen, wie er zu Gott gelangen kann. Der Mensch ist nicht – wie die brahmanische und damit auch von Buddha übernommene Theologie ausspricht – aus sich heraus machtvoll, sondern in seiner Abhängigkeit von Gott gehört er diesem. Es geht nicht darum, mächtig zu sein, sondern vollmächtig.

Ökumenischer Dialog

Es stellt sich die Frage an den Hinduismus: Gibt es dort so etwas wie den „Ökumenischen Dialog“, da die Unterschiede immens sind – und diese Unterschiede kristallisieren sich auch in den unterschiedlichen Jesusbildern: Annahme, Uminterpretation und Ablehnung. Laut Hummel gelten 99% der biblischen Aussagen Hindus als Äußerungen unerleuchteter Juden und Christen, die nicht in der Lage waren, sich zu der Höhe der Meister aufzuschwingen (139). Damit treffen sie sich in der Kritik mit Mohammed, ebenso in der Neuinterpretation einzelner Worte – freilich aufgrund der religiösen Tradition rekurrieren sie zum Teil auf andere Worte als Mohammed (so z.B.: Jesu Wort „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“ bedeute: „es ist in mir“, d.h. in jedem Menschen; bzw. „Ich und der Vater sind eins“ sei das Wort eines jeden Menschen usw.). Darüber hinaus sind gemeinsame Kritikpunkte: Sühnetod, Auferstehung und Jesus als alleiniger Weg zu Gott.

Suche nach Wahrheit

Im Hinduismus erkennt man deutlich die Suche des Menschen nach Wahrheit, nach Spiritualität, nach dem, was die Welt zusammenhält. Christen haben die Wahrheit – aber weil sie diese als Besitz wähnen, fehlt vieles, das sie in tiefe menschlich-spirituelle Dimensionen einführt. Doch Besitz ist Christus als Wahrheit nicht, sondern wichtig ist Nachfolge – und Nachfolge bedeutet: tiefer mit Gott in Jesus Christus verbunden zu werden. In der christlichen Mystik wird der ganze Mensch, auch mit seinem Körper, durch den Geist Gottes, der von Gott dem Menschen zugeteilt wird, gefüllt, gestärkt, vollkommen. Seine Vollmacht bekommt der Glaubende durch Gott, als Person, der der ganz andere ist, es ist eine Beziehung. Im Hinduismus und Buddhismus als Mystik verliert man sich, gibt sich auf, und wird dabei „körperlos“ zum All-Seienden durch „naturhafte“ Verbindung mit dem All-Seienden (Atman). In manchen Strömungen: Seine magische Macht bekommt man durch Verbindung mit dem All-Seienden.

Beeinflusst hat die Sicht der Gita auch den Deutschen Idealismus, der Gott nicht mehr als „Person“ erkennen mag, sondern als eine alles durchwaltende Kraft (in Verbindung mit stoischer Tradition). Was dann auch Auswirkungen hatte auf die Ethik: Die Gottheit ist in jedem Menschen – somit weiß jeder Mensch, was gut ist und was nicht.

Das, was sich beim Hinduismus als Gedanke eindrängt: Was ist Wahrheit? Gibt es die Suche nach Wahrheit? Diese dürfte im Hinduismus mit Xenophanes (* um 570 + 475 v.Chr.; Fragm. 27 und 29) so getroffen sein: Wenn Pferde Götter machen könnten, würden sie sich welche machen, die wie Pferde aussehen (vgl. Feuerbach).

Auswirkungen auf die europäische Esoterik

Auswirkungen des Karma-Denkens auf die Esoterik der Gegenwart laut Oliver Schröm: Rechter Wahn, Braune Esoterik auf dem Vormarsch: Viele Bücher aus der New-Age-Szene zeichnen ein rassistisches Weltbild, in: DIE ZEIT 23, 1998, 63: Im Buch „Karma und Gnade“ von Peter Michel, Verlagsleiter des Aquamarin-Verlages, heißt es: Mongoloide müssen ihr schlechtes Karma abtragen; der „Staresoteriker“ Erhard Freitag habe gesagt, „das jüdische Volk hätte in den Gaskammern des `Dritten Reiches´ Vergehen aus früheren Leben zu büßen gehabt“. Schon der „Esoterikguru“ der zwanziger Jahre, Charles W. Leadbeater habe das „Aussterben der Naturvölker … eine `karmische Unvermeidbarkeit´“ genannt, „da die Angehörigen der germanisch-nordischen Rasse `als höher entwickelte Seelen bereits über diese hinweggeschritten sind´. Zum Reiz asiatischer Religionen auf Führer des Nationalsozialismus s.: Trimondi: Hitler. Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute, Wien 2002.

Hinduismus – Gurus – Indien

Diese oben gemachten Angaben zum Hinduismus stammen überwiegend aus dem Büchlein von Vanamali Gunturu, der den Hinduismus als eine Religion anpreist, die alle Religionen in sich aufnehmen kann. Ebenso weist er auf die Gurus, die auch im Westen Anhänger bekommen. Freilich ist der ursprüngliche Hinduismus für die Inder reserviert, Fremde gehören den Unberührbaren an. Und was im Westen überwiegend aufgenommen wird, ist das meditierende Element, das Sich-Scharen um einen Guru, der den Anhänger in die Grundlage der Welt einführt. Der Guru ist nicht allein ein weiser Mensch, sondern hat als religiöser Führer göttlichen Status. So spielt das Gurubild wie das von ihm ausgegebene Mantra eine zentrale Rolle.

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Buddhismus und Jesus

Buddhismus: was sich Menschen spirituell ersehnen

Was am Buddhismus interessant ist: Es werden manche Aussagen des christlichen Glaubens verständlicher. So zum Beispiel die Aussage der Kenosis (Phil 2) oder auch die, dass wer sein Leben liebt, es verlieren wird. Nur mit anderer Intention. Während der Buddhist die „Leere“ sucht, sucht der Christ sich auf Christus hin zu „verlieren“.

Anders als in der jesuanischen Versuchungsgeschichte will Mara Buddha davon abhalten, seine Lehre zu verkündigen; Buddha hebt sich, anders als der historische Jesus, stark selbst hervor: Mein ist Glauben, die Kraft ist mein; Weisheit ist bei mir gefunden. Wunderschön vermag ein japanischer Prediger und Schriftsteller Amida-Buddha mit Christus verweben, so, dass die Sehnsucht des Menschen erfüllt wird (Althaus u.a.: Die Weltreligionen und das Christentum, 1928, 12). Darin zeigt sich jedoch der große Unterschied zwischen Christentum und Buddhismus: Der Buddhismus sucht sich, um die menschliche Sehnsucht zu stillen, überall etwas zusammen, wohl alle spirituellen Reichtümer, die sich Menschen im Laufe der Jahrhunderte ausgedacht haben. Das Christentum ist abhängig vom historischen Jesus, dem Christus – und muss sich sozusagen mit ihm zufrieden geben, weil er der Sohn Gottes schlechthin ist. Buddhisten haben die spirituellen Reichtümer – Christen sind die, die den Weg der Liebe Gottes haben.

Der buddhistische Magier meint, er könne durch Verbindung mit dem Allgeist auch alles beherrschen. Aber gerade darin ist auch die Nähe zwischen dem Jesusbild der Evangelien und dem Buddhismus erkennbar: Jesus ist derjenige, der die Dämonen bezwingt, der Gedanken lesen kann, er beherrscht die Naturgewalten usw. Vielleicht kann er auch als einer angesehen werden, der mit ca. 30 Jahren erweckt/erleuchtet wurde, und vielleicht kann sein Geist als die Anwesenheit eines Boddhisattvas angesehen werden: obwohl fern, ist er anwesend. Freilich steht dieses Jesusbild in der jüdischen Tradition, die auch bei Elia/Elisa erkennbar wird, und hat nichts Buddhistisches. Nur ist hieran das erkennbar, was sich der Mensch ersehnt: Er will Negatives beherrschen.

Von hier aus kann Jesus auch von Buddhisten von einem Teil seines äußeren Erscheinungsbildes als ein buddhistischer Weiser eingeordnet werden. Der Unterschied ist der, dass Jesus Gott seinen Spielraum lässt und Magie keine Rolle spielt (Mantras usw.), sondern dass er vollmächtig handelt. Auch ist er nicht ein wiedergeborener, sondern der Ein(zig)geborene usw. – und von daher ist sein ethischer Anspruch ein immens anderer, ebenso seine Zukunftsperspektive wie auch sein Ausgangspunkt. Jesus geht es nicht um Überwindung des Leids durch Erwachung, sondern um die Verkündigung des Kommens Gottes. Die Überwindung des Leids im buddhistischen Sinn ist individuell, die Gottesherrschaft ist sozial – freilich finden wir diesen sozialen Ansatz intensiv bei Ashoka.

Ansatzweise Gemeinsamkeiten

Man kann einzelne Parallelen herauspicken und somit Gemeinsamkeiten erkennen. Doch ist das Gesamtbild ein ganz anderes als das eines buddhistischen Weisen. So geht es nicht um Auslöschung des Selbst durch Verbindung mit dem „Allgeist“ – wobei diese Selbstauslöschung ja immer noch das Selbst im Blick hat, das ein harmonisches/ausgelöschtes Leben erlangen will –, sondern um Verminderung des irdischen Selbsterhaltungstriebes, wenn es um der Nachfolge willen sein Leben hingibt. Die Verbindung der Glaubenden mit Jesus Christus besteht nicht in der Verbindung mit einem irdischen Menschen/Weisen/Guru, sondern mit dem Auferweckten, von Gott Beglaubigten. Es geht auch nicht um die Verbindung irgendeiner meiner Energien mit Gottes Energie, sondern Gott selbst wird durch seinen Geist meine Energie. Wobei freilich zu beachten ist: Buddha ist nicht Gott – weil die Götter nicht so viel wert sind, wie ein Erwachter. Götter haben die Erwachung noch vor sich. Von daher ist es wohl für manchen Buddhisten keine Besonderheit, wenn Jesus als Gott bezeichnet wird, da es nur eine Stufe unter vielen auf dem Weg zum Erwachen ist.

Die Handlungsanleitungen gelten im Buddhismus dazu, das Selbst zu bezwingen und nicht, um den anderen zu schützen, sich ihm gegenüber positiv zu verhalten. Ausgenommen die Mitleidsregel. Doch stellt sich die Frage: Auch sie ist wohl von dem Versuch der Selbstbezwingung her zu interpretieren, und gilt somit nicht, weil der andere einen großen Stellenwert hat.

Interessant ist nur: Warum wollte Buddha missionieren? Hat der Versucher Mara eigentlich den Buddhismus besser begriffen als Buddha. Ich sehe Ashoka als den großen Menschen an, der als Herrscher sein Volk und nicht das Individuum im Blick haben musste – und von daher sozial aktiv wurde.

Einfluss des Christentums auf den Buddhismus?

Es sieht so aus, als sei nicht allein die Vorstellung vom Boddhisattva Umformung aus christlichen Einflüssen, sondern z.B. auch der Amida-Buddhismus (12. Jh.) oder andere Intentionen, die Buddhas in der Transzendenz anwesend sein lassen und dann einen der Buddhas materialisiert. Könnte hier die Nestorianische Kirche erkennbar werden, die seit ca. 350 in Indien Fuß zu fassen begann? Ist der Apostel Thomas, der im ersten Jahrhundert nach Indien gekommen sein soll, hier greifbarer? Trimondi, der den Buddhismus auch von seiner nicht friedfertigen Seite darstellt, sieht eher den Manichäismus auf bestimmte buddhistische Ansätze auswirken: http://www.trimondi.de/Lamaismus/Krieg-4-Gewalt.htm

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Mohammed und Jesus

Christliche Strömungen zur Zeit Mohammeds

Judentum und Christentum waren im arabischen Raum verbreitet, zum Teil bestimmend. Christentum gab es in verschiedenen Ausprägungen: Gnostische Christen lehnten einen gestorbenen Jesus ab (kannte Mohammed das gnostisch geprägte Barnabasevangelium?), die Reichskirche betonte die Zwei-Naturen-Lehre (Christus wahrer Gott und wahrer Mensch), Monophysiten hielten an der göttlichen Natur Jesu fest (Jesus Christus = Gott), während Nestorianer – die im 4. Jh. schon bis nach Indien und im 7. Jh. bis nach China vorgedrungen waren – an der Menschheit Jesu festhielten und ihn von Gott trennten (Jesus Christus = Mensch und daneben Gott: zwei Personen parallel in einem). Arianer sahen Jesus als geschaffen an, somit gab es – wenn auch nur kurz – eine Zeit, in der er nicht war (vgl. Sure 3,59).

Mohammeds Kritik an Christen

Im Folgenden werden nur die Aussagen Mohammeds wiedergegeben. Andere Aussagen, so die im Hadith von Sahih Muslim, dass Jesus kommen wird, 40 Jahre lang leben, heiraten, Kinder zeugen und eine Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen wird, wurden nicht aufgenommen.

Mohammed stand in alttestamentlicher und neutestamentlicher Tradition. Er meinte, dass er im Dienste des Gottes stehe, in dem auch die alttestamentlichen Propheten standen. Er sei der letzte Gesandte, der Maßgebende, der Maßstab für die vor ihm ergangenen Worte (Sure 3,2). Die ihm offenbarten Worte seien Gottes Worte schlechthin, womit historische Tatsachen, die diesen Offenbarungen widersprechen, den Offenbarungen untergeordnet werden. Die Schriften von Juden und Christen wurden als „inspiriert“ anerkannt, freilich fand Mohammed in ihnen zahlreiche „Fälschungen“ bzw. falsche Auslegungen, was ihnen vorgeworfen wird: „Es ist ein Umbiegen mit ihren Zungen und ein Stechen in den Glauben“ (4,46 und 3,78). Erst im dritten Anlauf (nach Moses und Jesus) konnte Allah sich vollständig gegen die Fälscher durchsetzen und wird den Koran – anders als die Bibel – vor Fälschungen bewahren (Sure 15,9; 2,140).

Jesus wird als herausragender Prophet anerkannt (er ist Gesalbter, Sohn der Jungfrau [nicht Inkarnation, sondern in Maria geschaffen; 3,45–59], Wundertäter [3,49; 5,112–115], Diener des Einen Gottes; er wird in der letzten Zeit wiederkommen [Sure 43,61]). Doch viele Aspekte der Lehre und Biographie Jesu werden nicht aufgenommen, somit indirekt als nachträgliche Fälschungen / Umdeutungen angesehen:

  • So wird abgelehnt, dass Jesus Allahs Sohn sei (Sure 9,29-33; 6,101), weil die Zeugung des Gottessohnes plastisch – im heidnischen Sinn als Verkehr eines Gottes mit der Menschenfrau Maria – vorgestellt wird (6,101). Der Glaube an die Sohnschaft Jesu wird mit Höllenstrafen bedroht (19,86ff.).
  • Abgelehnt werden der Kreuzestod (Sure 4,157), der Sühnetod sowie die Auferstehung Jesu.
  • Verstanden wird die „Trinitätslehre“ – die Einheit Jesu Christi mit Gott Vater und dem Heiligen Geist – als ein Drei-Götter-Glaube (Sure 5,73.116 [auch Maria als Göttin; Sure 19 ist nach Maria benannt]).
  • Und wer nach Mohammed, dem Gesandten Allahs, weiter daran festhält, der müsse bekämpft bzw. unterworfen werden (Un- bzw. Falschgläubige müssen besonders gekennzeichnete Kleidung tragen, sie dürfen keine öffentlichen Ämter bekleiden, sie dürfen nur im Stillen ihrem „Unglauben“ folgen, müssen gedemütigt Schutzsteuern zahlen [Sure 9,29] bzw. gebrandmarkt werden [9,35]? [Unterwerfungszeichen auf den Angesichtern: 48,29], den Ramadan beachten; Götzendiener werden getötet [9,5 – auch Juden und Christen: 9,30.52?] und nehmen Ungläubige Zuflucht zu Mohammed, sollen sie aufgenommen aber „missioniert“ werden [9,6]). Muslime können diese Stellen als solche interpretieren, die als Reaktionen auf Angriffe zu verstehen sind: Juden bzw. Christen und Heiden haben Mohammed angegriffen – darum erlässt er so harrsche Befehle.
  • Mohammed lehnt die Bezeichnung Gottes als Vater ab, das heißt die persönliche Nähe Gottes, der in den Glaubenden wohnt. Das bedeutet: Es wird zwischen Mensch und Allah eine starke Distanz gesehen (Sure 19,93), Allah ist der Transzendente, der souveräne Richter, der seinen Willen in Mohammeds Offenbarungen mitteilen lässt.
  • Die Feindesliebe (Mt 5) spielt keine Rolle bzw. die Glaubensfreiheit des Anderen (Mt 13,24-30) (womit Mohammed wohl christlichen Traditionen außerhalb des Neuen Testaments nahesteht) – was freilich nicht alle Muslime so sehen. Es gibt aus der Frühzeit Mohammeds – als er und seine Anhänger noch in der Minderheit waren – Toleranz-Aussagen. Berühmt ist das Wort: Ihr habt eure Religion, und ich habe meine (109,6). Aus späterer Zeit, als er in Medina Juden gewinnen wollte, stammt der andere immer wieder verwendete Satz: Es gibt keinen Zwang in der Religion (2,256 – gemeint ist wohl eher: kein Zwang im Glauben, das heißt, dass es, wie der Kontext zeigt, innerhab der muslimischen Umma unterschiedliche Ansätze geben kann). Aus der Zeit des Kampfes gegen die Mekkaner gibt es kriegerische Sätze (2,190ff.; 9,5.28ff. u.v.a. auch in den Ahadith von Al-Buchari). Es ist gut, dass sich manche Muslime heute von solchen Sätzen distanzieren – indem sie die positiven Sätze hervorheben.
  • Jesus werden Worte in den Mund gelegt, die im Neuen Testament nicht zu finden sind (Sure 5,72: „O ihr Kinder Israel, dienet Allah, meinem und euerm Herrn“ – und Sure 43,63f. führt weiter: „dies ist ein rechter Pfad“. Oder siehe das Wunder mit Jesu Worten 5,112–116; auch der neugeborene Jesus spricht in Sure 19,27–33: „Siehe, ich bin Allahs Diener …“; 61,6 sagt Jesus: „Oh, ihr Kinder Israel, siehe, ich bin Allahs Gesandter an euch, bestätigend die Thora, die vor mir war, und einen Gesandten verkündigend, der nach mir kommen soll, des Namen Ahmad ist“ [hier wird Joh 14,16 und 16,7 uminterpretierend bearbeitet: parakletos = Tröster wird verändert zu periklytos = der Gepriesene = arabisch: Ahmad = Variante zu Muhammad; in 61,7 wird davon gesprochen, dass Menschen, anders Mohammed, gegen Allah eine Lüge ersinnen). Eine Interpretation der Samenkorn-Gleichnisse Jesu finden wir: Sure 48,29. Juden und Christen wird vorgeworfen, Texte ausgelassen zu haben, die im Alten/Neuen Testament Mohammed verheißen haben sollen (Sure 5,13f.). (Auch Maria und die Jünger [3,52; 61,14] und alttestamentliche Gestalten werden uminterpretiert und mit Bekenntnissen zu Allah und sich als Muslim bekennend vorgestellt: Ismael sollte von Abraham geopfert werden, nicht Isaak; Sure 37,100ff.; vgl. die dem Abraham in den Mund gelegten Worte: Sure 2,126ff.: Wisst ihr es besser oder Allah? [140])
  • Die Bedeutung, die im Neuen Testament der „Heilige Geist“ hat, bekommt im Koran der Engel Gabriel (Sure 2,97-98; 16,102).
  • Für Mohammed haben Juden und Christen (die Schriftbesitzer) und er denselben Gott. Aber er ist nur insofern derselbe Gott, wenn er im Sinne des Koran, also laut Mohammed im Sinne Allahs verstanden wird. Alle anderen Aussagen seien Hinweise auf ihre Abtrünnigkeit, darum werden sie in der Hölle enden.

Nun kann man natürlich sagen: Mohammed hat die christliche Interpretation, dass Jesus Gottes Sohn sei, nicht verstanden, es sei christlich anders zu verstehen, somit sei ein Gespräch mit Muslimen darüber möglich; oder: Mohammed habe das, was die Kreuzigung Jesu betrifft, falsch überliefert bekommen, von daher kann es im religiösen Gespräch korrigiert werden – doch so einfach geht das leider nicht, weil der Koran ja als das Wort Allahs schlechthin angesehen wird, müsste ja auch Allah sich geirrt haben, indem er die Christen falsch verstanden hat (ebenso wenn Maria, die Mutter Jesu, mit Maria, der Schwester Aarons identifiziert wird [Sure 19,27–33; ist das im Sinne von „Haus Aaron zu verstehen? Aber 3,35ff. wird der Vater des Mose als Vater Marias bezeichnet]). Ein Irren Allahs (und seines Gesandten?) ist für den Koran undenkbar. Gott ist nach christlichem Verständnis übrigens nicht 1+1+1 = 3, sondern die dritte Potenz von 1 hoch 3 = 1. (Zur Trinität s. http://www.evangelische-religion.de/trinitaet.html )

Unterschiede in der Ethik

  • Die Heiligkeit Gottes wird im Neuen Testament stärker betont als von Mohammed, trotz seiner Distanzierung Allahs von Menschen. Menschen können laut Neuem Testament Gott nicht von sich aus nahen außer in dem Sohn Gottes Jesus Christus; der Mensch ist grundlegend ein Sünder, Gegner Gottes. Nach Mohammed ist Gutes Tun ein Moment, der von Allah belohnt wird, so dass dieser, je nach Ausschlag der Waage der guten / bösen Werke ins Paradies kommen kann. Das heißt, durch seine Taten kann der Mensch Allah näher kommen, was für Christen normalerweise nicht gilt, denn die Nähe zu Gott ist durch Jesus Christus schon gegeben, muss nicht erst erlangt werden.
  • Allah kann auch gnädig sein, Sünde übersehen, daran haftet jedoch eine gewisse Willkür – oder „Freiheit“ Allahs. Insofern kann selbst Mohammed nicht sicher sein, ob Allah ihn annehmen wird (Sahih al-Bukari, Hadith 5.266; vgl. Sure 14,4) und andere können auch nicht sicher sein: Gehorcht Allah und seinem Gesandten; vielleicht findet ihr Barmherzigkeit (Sure 3,132 vgl. 5,35 – so zumindest die Übersetzung; anders 3,31). Zum anderen: Gnade ist nur gültig, wenn gute Werke folgen (Sure 5,74 und 6,54). Sure 3,99 spricht – im Vergleich mit den Schriftbesitzern – allerdings davon, dass Muslime anders als diese dem Feuer entrissen seien.
  • Manchmal ist die Barmherzigkeit Allahs mit Übeltätern eigenartig, so dann, wenn eine Sklavin – trotz Verbot – um Gewinn willen zur Hurerei gezwungen wird: 24,33; das hat möglicherweise damit zu tun, dass der Koran an konkreten Situationen ausgerichtet ist und auf sie eingeht, in diesem Fall auf einen Menschen, der Mohammed nahesteht, der ihn damit reinwäscht.
  • Nach christlichem Verständnis sind auch unterlassene gute Taten Sünde und nicht allein das Nicht-Erfüllen vorgeschriebener Taten (beachte aber Sure 92,19). Die Vorstellung von Christi Sühnetod wird von Mohammed nicht anerkannt, da jeder sich selbst verantworten müsse. Im Christentum nimmt Jesus die Sünden der Menschen auf sich, um die Menschen zu befreien – es ist aber nicht allein der Mensch Jesus, der wirkt, sondern Jesus in seiner Einheit mit Gott (z.B. 2Kor 5,19). Und da es diese Einheit Jesu Christi mit Gott für Mohammed nicht gibt, kann er auch die spezifische Sühnetodvorstellung nicht annehmen. (Freilich gibt es bei den Wahhabiten die Vorstellung, dass Märtyrerinnen [Märtyrer bekommen Huris – ob es nun Jungfrauen oder Trauben sind] Auserwählte ins Paradies mitnehmen dürfen – d.h. es gibt die Vorstellung, dass ein anderer durch den Tod dieser Frau gerettet werden kann. Die Vorstellung der „Huris“ wird auch rein spirituell, metaphorisch interpretiert.)
  • Mohammed kann auch den Tod Jesu nicht akzeptieren, da er von der Vorstellung ausgeht, dass Allah seine Gesandten vor der Verfolgung bewahrt (Sure 47; vgl. Sure 48: Der Sieg ist Zeichen der Sündenvergebung).
  • „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“ (Paulus) – das kann Mohammed nicht sagen, da es auf den Einzelnen ankommt, die ihm vorgeschriebenen Werke zu wirken.
  • Liebe Allahs ist abhängig vom Tun (Sure 2,190; 2,276; 3,57; 4,160) – nicht so im christlichen Glauben. Im Johannesevangelium wird gesagt, dass Gott die Welt geliebt hat, bevor die Welt Gutes getan hat – von daher kann Gott nach christlichem Verständnis in diesem Maße wie Allah nicht irreleiten, wen er will (Sure 14,4) – freilich bietet die Aussage im Vaterunser „und führe uns nicht in Versuchung“ große Interpretationsschwierigkeiten. Im Koran gibt es auch Aussagen wie: Allah liebt sie und sie lieben ihn (Sure 5,54: aber beachte den Kontext: Warnung vor Abfall von Allah) – auf solche Texte stützen sich mystisch veranlagte Muslime.
  • Ethisch lehrt Jesus die Hinwendung zum Nächsten – Mohammed lehrt die Abwendung von Ungläubigen: Man solle sie sich nicht zum Freund nehmen, da die Gefahr bestehe, vom Islam abzufallen (Sure 4,89.139.144; endgültige Ausgrenzung von Christen: 5,51.57.80f.) – auch wenn es sich um Verwandte handelt (9,23). (Freilich wird auch das von Muslimen so interpretiert: Es geht nicht um Menschen als solche, die man meiden solle, sondern immer nur um antiislamische Kämpfer und Spötter.) Allah hat die Nichtglaubenden zu den Niedrigsten der Niedrigen gemacht (Sure 65).
  • Nicht nur die Tora, auch das Evangelium (!) wird zu dem folgenden Aufruf verwendet: Sie sollen kämpfen in Allahs Wegen und töten und getötet werden. Eine Verheißung sei gewährleistet in der Tora, im Evangelium und im Koran (Sure 9,111) – wobei er selbst sieht, dass „Allah“ in die Herzen derer, die Jesus folgen, Güte und Barmherzigkeit legt (Sure 57,27).
  • Durch diese Hinweise wird deutlich, dass Mohammed befürchtete, Menschen könnten von seinen von Allah empfangenen Offenbarungen abfallen (s. auch Sure 71,26f.).

Gemeinsamkeiten

Wer die Gemeinsamkeiten von muslimischem und christlichem Glauben vermisst, wird in dem zuvor genannten Text wenig finden. Es ist auch schwer, Gemeinsamkeiten herauszustellen. Das Problem liegt nicht so sehr im Koran oder in den Hadithen, sondern in der Interpretation des Koran durch Muslime. Und so gibt es Interpretationen, mit denen wir Christen gut leben können: Paradiesvorstellungen nur metaphorisch, militärische Auseinandersetzungen mit Gegnern nur bei Notwehr (freilich ist auch dieses christliche Verständnis nicht jesuanisch), um den Koran in seiner wirklichen Aussage zu verstehen bedarf es der Hilfe Allahs/Gottes, gemeinsam ist der Glaube an einen Gott (wenn auch unterschiedlich zu verstehen), manche ethischen Gesichtspunkte wären hier zu nennen. Es kommt immer auf den jeweiligen Muslim als Interpreten des Koran an. Mit manchen gibt es mehr Gemeinsamkeiten, mit anderen so gut wie keine. Das muss nicht Verdrießen: Auch zu Atheisten gibt es massive Unterschiede. Wir Menschen haben nun einmal unterschiedliche Weltbilder. Von daher ist es wichtig, die Regeln des Interreligiösen Dialogs zu beachten.