(s. auch https://mini.evangelische-religion.de/religionskritik-atheismus/ )
ATHEISMUS UND RELIGIONSKRITIK: GOTT IN ABLEHNUNG ZUR SPRACHE GEBRACHT
Atheismus 1: Aufklärung
Die Aufklärung – die Zeit um 1700, die versuchte, den Verstand in den Mittelpunkt des Denkens zu stellen – hat auch Wurzeln in biblischen Traditionen:
- Befreiung aus Sklaverei (Exodus)
- Kritik an der Herrschaft von Menschen/Königen (Samuel- und Königsbücher)
- Auseinandersetzung mit Gott angesichts von Leiderfahrungen (Hiob, Jeremia)
- Zusammenführung von Natur-Wissen/Weisheit (alttestamentliche Weisheit)
- Bedeutung des Individuums durch Selbstentscheidung (seit Jesus)
- Kritik an den traditionellen Religionen (Götterpolemik – also: Verstand wird zur Beurteilung anderer Religionen benutzt – im Alten und Neuen Testament; Betonung des Menschen Jesus im Neuen Testament)
Neu ist in der Aufklärung der Neuzeit:
Der Verstand sieht sich bewusst als Maßstab für wahre Religion an. Anfänge dafür liegen bei den Deisten (Gott hat eine vernünftige Welt und Religion geschaffen: Wahre Religion ist ethisch einwandfreie Religion, Tugendreligion, die konkreten Religionen sind ein Abfall von dieser Tugendreligion).
Kant (1784) sagte: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Aber: Während Kant den Verstand in Glaubenssachen für nicht kompetent hielt, haben französische Aufgeklärte den Verstand über die Religion gesetzt. Während Voltaire (+1778) Religion als sinnvoll ansah, hat LaMettrie (+1751) sie als pathologisch bezeichnet. Das heißt: Man war sich als Aufgeklärte trotz Einsatzes des Verstandes nicht einig, wie man mit der Religion umgehen soll.
(Beachte: Vernunft = oberstes Erkenntnisvermögen, Erfahrungen, Beobachtungen, werden zu einem Ganzen zusammengeführt; Verstand = Teilaspekt der Vernunft.)
Die Französische Aufklärung im 18. Jahrhundert begann mit einem Blutbad. Es wird geschätzt dass diesem zwischen 200.000 bis weit über 2 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Die als Ausdruck der französischen Revolution geltende Formulierung: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ist aus christlichem Geist geboren – stammt vom Erzbischof François Fénelon (1651-1715). Er wandte sich gegen Atheisten – und sein Buch Télémaque wird mit als eine Grundlage der Aufklärung angesehen. Kurz: Aufklärung heute wird atheistisch bzw. säkular interpretiert. Die Wurzeln sind aber vielfältiger. (S. auch https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/menschenrechte-1/ )
Menschen versuchen, den Verstand über die Religion zu stellen. manche glauben eben aus logischen Gründen nicht an Gott, die Atheisten. Manche sind massiv gegen Gott eingestellt – die Anti-Theisten. Es gibt somit nicht „den“ Atheismus. Den Atheisten sind nur die Menschen zuzurechnen, die sich ausdrücklich als Atheisten bezeichnen – wobei Atheisten einander nicht unbedingt als Atheisten anerkennen: z.B. Comte (+1857) wird von Atheisten nicht unbedingt als Atheist anerkannt, weil er eine eigene atheistische Religion (Religion der Menschlichkeit) gründen wollte. Menschen, die nicht kirchlich gebunden sind (Konfessionslose), sind nicht automatisch Atheisten. Neben Atheisten gibt es Agnostiker, die sich auf die Existenz eines Gottes/von Göttern nicht festlegen wollen. Das Wort „Atheismus“ beinhaltet das Wort „Gott“ – Gegen-Gott-Sein. Weil es jedoch in atheistischer Weltanschauung keinen Gott gibt, lehnen einige Atheisten das Wort ab und bezeichnen sich als die „Brights“, die Klaren, Hellen. Manche nennen sich auch „evolutionäre Humanisten“, geben sich damit einen wissenschaftlichen Klang. Religionskritiker sind nicht als solche Atheisten. Es gibt Atheisten, die Religion kritisieren, es gibt auch religiöse Menschen, die Religion kritisieren.
Atheismus 2: Götterkritik im Altertum
Kritik an Göttern gab es schon vorchristlich in Griechenland im 5.-3. Jh. v. Chr., ein paar Beispiele:
- Der Mensch ist das Maß aller Dinge (Protagoras von Abdera).
- Götter strafen Menschen nicht – also gibt es sie nicht (Diagoras von Melos) (im 4. Jahrhundert haben keltische Krieger Tempel geplündert – unbeschadet).
- Götter sind nur Vorstellungen der Menschen (Prodikos von Keos).
- Götter sind Erfindungen von Regierenden, um die Menschen beherrschen zu können bzw. um Gesetze durchsetzen zu können (Kritias).
- Der höchste Gott braucht keine Menschen, kümmert sich auch nicht um ihn (Antiphon).
Kritik an Göttern gibt es in alttestamentlichen Schriften (Gen. 1: Gott schuf die Gestirne – sie sind keine Götter; Gott schuf den Menschen, damit er herrsche und nicht Sklave der Götter ist; Weisheit 13: Götterstatuen sind nur Holz); von Atheisten im genannten Sinn ist schon im Alten Testament die Rede: Sie sagen: Es gibt keinen Gott (z.B. Psalm 10,4). Christen wurden als Gottlose und Abergläubische bezeichnet, weil sie nicht an Götter glaubten, ihnen nicht opferten, denn Jesus sei nur Mensch gewesen, er sei ein zu Gott erhobener Magier.
Kritik an Göttern/an Gott ist nichts Neues, nichts Modernes, sondern moderne Gottes- bzw. Religionskritiker stehen auf den Schultern alter Denker. Im asiatischen Raum war Buddha (um 600 v.Chr. [?]) auch ein Götterkritiker. Frühe Kritiker, die sich gegen die christliche Gottesverkündigung wenden, waren Celsos (um 180 n.Chr.: Gegen die Christen) und Porphyrius (um 270?: Fünfzehn Bücher gegen Christen), sowie Kaiser Julian (+ 363; Gegen die Galiläer).
Atheismus 3: Kritiker des 19.-20. Jh. n. Chr.
Von diesen Kritiken zehren auch die modernen Atheisten, die vor allem im 18. bis 20. Jahrhundert Schriften veröffentlichten: Ludwig Feuerbach (Gott = Konstrukt des Menschen), Karl Marx (Religion = Opium des Volkes), Friedrich Nietzsche (Gott ist tot), Eduard von Hartmann (der Mensch Jesus ist lächerlich), Ernst Haeckel (Monistenbund: Alles in der Welt ist in einem Grundprinzip begründet: Gott = Naturgesetz), Sigmund Freud (auch der erwachsene Mensch braucht eine Vaterfigur = Gott) usw. Atheistisch ist auch das System des Sozialdarwinismus (Evolution des Menschen – Höherzüchtung des Menschen – Ausmerzung unwerten Lebens).
Seit Deismus und Aufklärung werden nicht mehr Theologen als die angesehen, die wissen, wer Gott ist, sondern Philosophen und Naturwissenschaftler meinen, die Frage klären zu können.
Unterteilen kann man die Atheisten in solche, die Religion aus „wissenschaftlicher“ Perspektive kritisieren (Comte: Religion ist vorwissenschaftlich, der Versuch, Unerklärliches zu erklären), aus anthropologisch-psychologischer Sicht (Feuerbach und Freud), moralischer Sicht (Nietzsche), soziologisch-politischer Sicht (Marx).
Moderne Atheisten: Richard Dawkins (Religionen sind für alles Übel in der Welt verantwortlich – er betreibt eine aktive atheistische Mission – bezeichnet sich allerdings als Agnostiker), Christopher Hitchens (Religionen müsse man der Lächerlichkeit preisgeben), Michel Onfray (Lust ist das Höchste Gut – wir brauchen keine Religionen), Sam Harris liebt den spirituellen (buddhistisch geprägten) Atheismus, Daniel Dennett, der Evolutionist und Naturalist, kann, wie Victor Stenger, den Menschen rein wissenschaftlich erklären – und Herbert Schnädelbach sieht sich als frommen Atheisten, als einen, der um religiöse und transzendente Fragen nicht herumkommt, aber Gott nicht benötigt. Bernd Ehlert (Religion war für die Evolution des Menschen notwendig, muss aber durch Verstand und Vernunft zum Wohl der Menschen überwunden werden). Der Inder Jaya Gopal – Gründer der Atheist Society of India – wendet sich im Wesentlichen gegen den Islam.
Das ist ein Merkmal so mancher zeitgenössischen Atheisten, die Schriften publizieren: Polemisch alle Religionen zu jeder Zeit und an allen Orten undifferenziert als Einheit zu sehen – und atheistische Systeme, die für Mord und Totschlag verantwortlich sind (französische Revolution, Nationalsozialismus, Kommunismus) den Religionen zuzuführen. Auseinandersetzung mit Atheismus aus christlicher Sicht: Manfred Lütz; Alister McGrath (er spricht vom atheistischen Fundamentalismus); Alexander Kissler (er sieht: Atheisten berufen sich auf ihre Definition von Vernunft – um andere Denk-Positionen mit einem Totschlagargument zu verhindern); Lutz Simon (begründet, dass Wissenschaft und Gott sich nicht widersprechen).
Neuer als die klassischen eher aggressiven Atheisten, sind die „Frommen Atheisten“. Hier kann man nennen: André Comte-Sponville (Spiritualität ohne Gott), Bruno Latour (zu dem Gott beten, den es nicht gibt), Alain de Botton (Religion für Atheisten).
Atheismus gibt sich dominant, ist jedoch wie andere Strömungen in einer Gesellschaft nur eine Stimme unter anderen. Atheisten sehen sich selbst als die wahren Wissenschaftler – wobei es auch viele Wissenschaftler gibt, die sich einer Religion (so dem Christentum) zuordnen. Das bedeutet: Es gibt nicht nur ein Welt-, Menschen- und Gottesbild. Menschen sind als Menschen immer befangen, ob nun religiös welcher Couleur oder anti-religiös welcher Couleur auch immer.
Atheismus 4: Gottesbeweise
Dawkins legt viel Wert darauf, den Gottesglauben auch dadurch zu widerlegen, dass er die philosophischen Gottesbeweise widerlegt. Eine Anmerkung zu den Gottesbeweisen (Detaillierter s.: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/philosophie-gottesbeweis/ ):
- Ontologischer Gottesbeweis: Gott ist das Seiende an sich – und das kann nur gedacht werden, wenn es das auch gibt.
- Kosmologischer Gottesbeweis unterteilt sich unter:
- Kausalitätsbeweis: Alles hat eine Ursache – die anfangslose Ursache ist Gott.
- Kontingenzbeweis: Wenn etwas existiert, dann muss es etwas geben, das diese Existenz ermöglicht – und es muss außerhalb der ermöglichten Existenz stehen.
- Kinetischer Beweis: Materie, Raum, Zeit können sich nicht selbst verändern – es muss etwas vorhanden sein, das diese Veränderungen verursacht. Gegenwärtig wird dieser Beweis von den Menschen bevorzugt, die sehen: die Naturkonstanten sind so fein aufeinander abgestimmt, dass Leben erst ermöglicht wird. Eine minimalste Abweichung hätte nie zum Leben geführt (z.B. Abstand der Erde von der Sonne – Bedeutung des größten Planeten Jupiter für das Leben auf der Erde usw.).
- Teleologischer Gottesbeweis: Jeder Plan hat einen Planer – das Universum muss geplant sein.
- Moralischer Gottesbeweis: Wir verhalten uns nur sittlich, weil Gott uns das Gewissen gegeben hat – Gott ist die Triebfeder des Gewissens und der Sittlichkeit.
- Ethnologischer Gottesbeweis: In allen Kulturen gibt es eine Gottesahnung.
- Eudämologischer Gottesbeweis: Es gibt immerwährende Sehnsucht nach Glück – es wird irdisch nie gestillt, es muss eine Erfüllung der Sehnsucht nach Glück geben = Gott.
Fazit: Gegen alle solche und ähnliche Gottesbeweise gibt es Argumente, denn sie sind philosophische Versuche, den Glauben zu begründen. Gottesbeweise sind jedoch nur Glaubenden ein Beweis. Genauso: Gegenbeweise gegen Gott sind nur Atheisten ein Beweis, weil für Glaubende Gott real ist – und die Gottesbeweise eben nur Versuche sind, Gott mit dem verstand zu erfassen. Gottesbeweise berücksichtigen auch immer die „Unfassbarkeit“ Gottes. Von daher geht die Kritik an ihnen („Sie sind ja keine Beweise!“) immer ins Leere. Vielleicht ist die Bezeichnung „Gottesbeweis“ auch Schuld an dem Missverständnis.
Den Religionen kommt es nicht auf Beweisbarkeit Gottes an, sondern auf das richtige Verhältnis zu den Gottheiten, denn die Gotteserfahrungen sind dominant. Christlicher Glaube: Glaube heißt „Vertrauen“ – „Vertrauen“ ist ein Beziehungswort. Christen vertrauen Gott aufgrund der Worte und Taten, die Jesus Christus gesprochen bzw. gewirkt hat und wirkt.
Nichtsdestotrotz reflektiert der christliche Glaube in der Theologie auch Gott, sie muss es tun, da sie über den Glauben an Gott kommunizieren muss. Jesus argumentiert, Paulus argumentiert… – durch die gesamte Kirchengeschichte hindurch wird argumentiert. In manchen Zeiten und Menschengruppen sind bestimmte Argumente einleuchtend, in anderen Zeiten und unter anderen Menschen wieder andere.
Atheismus 5: Evolutionärer Humanismus
Als Humanismus wird die Anschauung angesehen, die die Würde eines jeden Menschen betont, die Toleranz, Gleichheit, Gewissensfreiheit einfordert. Ein berühmter Vertreter ist zum Beispiel Johann Gottfried Herder. Herder selbst war Pfarrer. Und der Pfarrer Friedrich Niethammer prägte den Begriff. In Deutschland wurde dieser Begriff von Atheisten aufgenommen. sehr aktiv ist die Giordano-Bruno-Stiftung als Organisation, die sich dem evolutionären Humanismus verpflichtet weiß: Die Zehn Angebote des evolutionären Humanismus ( http://www.leitkultur-humanismus.de/manangebote.htm ) Weitere Gruppen: Humanistischer Verband, Humanistische Union, Internationaler Bund für Konfessionslose und Atheisten… Zu weiteren „Alternativen der 10 Gebote: https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Zehn_Gebote
Humanisten unserer Zeit nehmen die Bezeichnung „Humanismus“ für ihre atheistische bzw. agnostische Weltanschauung in Beschlag. Um sie als Weltanschauung zu konzipieren, werden angenehme Menschen der Vergangenheit dem Humanismus integriert (z.B. Cicero + 47 v. Chr.). Humanismus wird den Religionen entgegengesetzt – wobei freilich nicht ausgeschlossen wird, dass Humanismus auch in Religionen vorkommt. Evolutionärer Humanismus darf freilich nicht mit der Evolution der Natur verbunden werden. Denn der Natur ist der Mensch egal. Es geht darum, dass sich der Atheismus entwickelt. Der Begriff wurde, wie der Begriff „Humanismus“ genommen, weil er modern und gut klingt.
Giordano Bruno war eine sehr schillernde Person, die alle möglichen Menschen vor den Kopf gestoßen hatte. Er spekulierte über Gott und die Welt und wurde, nachdem die Inquisition ihn dem weltlichen Gericht ausgeliefert hatte, vom Herrscher der Stadt Rom 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Es gibt jedoch auch den christlichen Humanismus (z.B. Jacques Maritain), der den Menschen als offenes Wesen betrachtet, als Person, die nicht allein biologisch bestimmt wird, sondern als Mensch auch in der Lage ist, Gott wahrzunehmen.
Atheismus 6: Nationalsozialismus und Kommunismus als atheistische Systeme
Unbestritten ist, dass Kommunismus atheistisch dominiert wird. Die Vertreter halten mit ihrer atheistischen Weltanschauung nicht zurück, sie drückt sich auch in der Verfolgung von Glaubenden aus (um nur Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot, Castro, die nordkoreanischen Kims zu nennen). Umstrittener ist es, den Nationalsozialismus den atheistischen Systemen zuzuordnen, weil die Vertreter nicht unbedingt atheistisch orientiert waren (Kerr = Protestant; Himmler = okkult – mit Interesse am Buddhismus; Goebbels/Bormann = atheistisch; Rosenberg = germanische Religion). Hitler, von Haus aus Katholik, berief sich immer auf die „Vorsehung“ – ein Begriff, den jeder nach seinen eigenen Wünschen interpretieren konnte –, er konnte auch sehr „fromme“ Wendungen in seine Reden einfügen. „Der Führer ist tief religiös, aber ganz antichristlich. Er sieht im Christentum ein Verfallssymptom…. Es ist eine Abzweigung jüdischer Rasse.“ (so Goebbels) Anhand der Tagebücher von Rosenberg und Goebbels wird deutlich, dass Hitler in den Kirchen Konkurrenten sah, die er zunächst gleichschalten wollte („Deutsche Christen“) – und weil das nicht ganz gelang, hatte er vor, sie nach dem Krieg ganz auszuschalten. Nichtsdestotrotz gab es viele (auch hochrangige) Kirchenvertreter, die den Nationalsozialismus nicht als atheistisches System erkannten – obgleich es immer auch solche Menschen gab, die Hitler und seine nationalsozialistischen Genossen durchschauten. Dass Hitler eher ein taktisches Verhältnis zu den Kirchen hatte, das sieht man daran, dass er Goebbels verbot, aus der Kirche auszutreten, um Christen nicht gegen sich aufzubringen. (Er benötigte sie, um seinen Krieg führen zu können.) Ideologische Atheisten werden von manchen Atheisten den „Religiösen“ zugewiesen. Damit kann man leichter sagen, dass nur Religionen für Unmenschlichkeiten verantwortlich sind.
Atheismus 7: Glaube der Atheisten
Atheisten glauben, wenn sie nicht glauben, nun nicht an die Nichtexistenz Gottes. Das ist kein Glaube. Glaube im christlichen Sinn bedeutet: vertrauen – und man kann nicht der Nichtexistenz vertrauen.
Freilich haben Atheisten – je nach Strömung – auch ihren „Glauben“, setzen ihr Vertrauen auf etwas. So steht zu Beginn des Atheismus in der Neuzeit die Errichtung des Tempels der Göttin Vernunft. Nietzsche glaubt an den elitären Herrenmenschen, zu dem sich der Mensch selbst erschaffen kann, Feuerbach ist nicht ganz so fasziniert vom Herrenmenschen, aber er sieht auch die Macht des Menschen, der so groß ist, Gott erschaffen zu können – und nun selbst größer werden soll, indem er sich als Mensch wirklich erkennt und darum auch sich selbst als diesen Seienden erschafft.
Auch heute glauben so manche an den Menschen, sie vertrauen ihm, dass er den Glauben an Gottes Schöpfung ersetzen kann durch den Menschen und seine wissenschaftliche Schöpferkraft. Die heile Welt wird erschaffen – durch den Verstand, den arischen Stamm, der Arbeiterklasse, der Wissenschaft: Groß ist der Mensch – er nimmt seine Zukunft selbst in die Hand, er duldet keine Götter neben sich, er erkennt sich selbst als Gott, erkennt seine wahrhafte Größe. Er selbst stellt die Gebote auf, er definiert das, was Menschenwürde ist und wem diese zugesprochen wird. Die erste Schöpfungswoche dominierte Gott. Danach aber tritt ab der zweiten Woche der Mensch als Schöpfermacht auf (Sloterdijk).
Und dieser große, von sich selbst überzeugte Schöpfermensch hat nicht Satan, Teufel oder wie die bösen Mächte der Religionen noch heißen, als Gegenspieler, sondern die Religionen selbst sind die Bösen. Die Religionen versuchen den guten Menschen von seinem reinen Weg des Glaubens an den Menschen abzuhalten. Sie reden ihm ein, wie mickrig und sündig der Mensch ist, sie reden ihm ein, dass er den anderen bekämpfen soll – darum sein Streben: Schafft sie ab die Religionen, schafft die reine, religionslose Welt! Aber dennoch weisen Untersuchungen darauf hin, dass das, was Religionen unter Aberglauben verstehen, in atheistischen Kreisen vielfach vorhanden ist.
Aufgabe: Im Internet gibt es massive Angriffe gegen Religionen. Eher nett sind die begeisterten Aussagen, dass Studien erwiesen hätten, was Atheisten sowieso glauben, Atheisten seien intelligenter als Gläubige.
Atheismus 8: Christen und Atheisten
Christen können dem Atheismus nur schwer etwas entgegensetzen, weil die Grundaussage ihres Glaubens lautet: Gott kann nicht bewiesen werden, weil der Mensch als Geschöpf nur Geschaffenes beweisen und von sich aus erkennen kann – und Gott ist kein Teil der Schöpfung. Der Mensch kann höchstens versuchen, der Handschrift Gottes in der Schöpfung nachzuspüren (Schönheit der Natur, die Ordnung, die Systeme, das Auge, die Zellen usw. – sie können nach heutigem Verständnis nicht aus sich selbst entstanden sein usw.). Aber grundsätzlich sagt der Glaube: Gott muss sich dem Menschen selbst offenbaren/zeigen. Damit macht er sich kritischem Denken jedoch angreifbar. Der Vorwurf liegt nah, dass diese Art zu denken nur eine Ausflucht ist). Was Christen tun können, das ist:
- darauf hinweisen, dass wir Menschen an unsere begrenzte Sprache und immanente Vorstellungskraft gebunden sind,
- dass es unterschiedliche Arten von „Beweise“ gibt (nicht nur mathematische Beweise, sondern auch juristisch bzw. historisch anerkannte Beweise, naturwissenschaftliche „theoretische“ Beweise usw.),
- der Mensch sich überfordert, wenn er nun meint, sich als Gott ansehen zu müssen, alles in die Hand nehmen und beherrschen zu müssen,
- im Sinne Jesu andere Lebensentwürfe bieten:
Nach weit verbreiteter christlicher Auffassung muss zwischen der Selbstoffenbarung Gottes und der daraus folgenden Religion unterschieden werden. Der Mensch macht aus dieser Selbstoffenbarung Gottes eine Religion, so sagt es zum Beispiel Karl Barth („Dialektische Theologie)“. Auch der Christ interpretiert die Selbstoffenbarung Gottes im Rahmen der allgemeinen religiösen Muster.
- Er betet – wie alle beten.
- Er hat Gefühle zu Gott – wie alle Gefühle zu Gott haben. Usw.
Wenn es richtig läuft, dann passt aber der Christ seine allgemeine Frömmigkeit den Vorgaben der Offenbarung Gottes an.
- So ist der Mensch allgemein bereit, auch seinen Glauben mit Waffengewalt zu verteidigen (wie Petrus, der mit dem Schwert die Gegner Jesu bekämpft) – die Korrektur durch Gottes Wille: Feindesliebe.
- So möchte der Mensch allgemein Gott durch stundenlange Gebete zu überreden versuchen – die Korrektur durch Jesus: Macht nicht viele Worte, euer Vater im Himmel weiß was ihr braucht.
- So möchte der Mensch allgemein seinen Gott ganz groß und mächtig zeigen, möchte nicht wegen Gott leiden oder dass Gott leidet – die Korrektur: Jesus befiehlt dem Petrus, ihm nachzufolgen statt dem Leiden zu entfliehen; oder auch die Kindheitsgeschichten Jesu (Lukas 1f.; Matthäus 1f.) zeigen nicht wie allgemein üblich (Alexander, Augustus, Buddha, Mohammed) einen großartigen, wunderhaften Jungen, sondern Gottes Handeln wird besungen.
- So möchte der Mensch seine Nähe zu seinem Gott durch intensiven Kult zeigen – Gottesliebe äußert sich im christlichen Glauben nicht allein in der Pflege der Gottesbeziehung, sondern auch in der Nächstenliebe.
- So möchte der Mensch seinen Gott, seine Götter verlassen, wenn sie nicht zu seinem Nutzen handeln – Jesus sagt: Es geht um Gott, nicht um den eigenen Nutzen.
- So möchte der Mensch von sich aus Gott nahe kommen durch allerlei religiöse und ethische Regeln und Praktiken – Jesus sieht: Der Mensch muss das nicht tun, da Gott ihm als Vater schon nah ist: Er muss nur umkehren und zum Vater laufen.
- Jesus Christus will verkündigt werden – aber die Menschen können diese nicht ertragen, sie leben im Widerspruch zur Botschaft. Von daher wird sich immer Widerstand gegen die Botschaft regen: Gott bricht von außen in die Menschenwelt, in der der Mensch, so er Macht hat und sich als Macher ansehen möchte, gerne allein sein will.
Aufgaben: Kannst Du die Aussagen nachvollziehen?
- Was sich Christen wünschen:
- Menschen respektieren Menschen – wie man Gott respektiert.
- Menschen respektieren Gott – wie man Menschen respektiert.
Weitere Überlegungen:
- Kann man Gott nicht erst dann ablehnen, wenn man weiß, wer Gott ist? Lehnt man dann aber nicht Gott selbst ab, sondern nur das Bild, das man sich von Gott gemacht hat? Kann man sich überhaupt von Gott ein adäquates Bild machen? Lehnen wir nicht immer nur unsere Gottesbilder ab, wenn wir Gott ablehnen?
- Im Gegensatz dazu: Wenn wir Gott nicht ablehnen – lehnen wir nur den Gott nicht ab, von dem wir uns ein Bild gemacht haben, dem wir zustimmen können, das uns passt?
- Der christliche Glaube sagt: Einem Gott, wie er sich in seinem Volk und in Jesus Christus gezeigt hat, dem kann man als Mensch, der bei Sinnen ist, niemals zustimmen. Ein solches Gottesbild ist irrational. So bleibt der Gott, der in Jesus Christus gehandelt hat, immer eine Provokation, eine Herausforderung, eine Überraschung, weil er sich nicht in ein Schublädchen stecken lässt, das man für ihn gezimmert hat. Das verbirgt sich auch hinter dem Verbot im Alten Testament, sich ein Bild von Gott zu machen. Gott ist ein Geheimnis. Aber muss man dann nicht sagen: Man weiß nicht, wer Gott ist? Welche Antwort hat das Christentum darauf?
Literatur: Gottlos? Von Zweiflern und Religionskritikern, Herder Korrespondenz. Spezial, April 2014