CHRISTLICHE SOZIALLEHRE / SOZIALETHIK

Aufgabe: Von Dietrich Bonhoeffer kommt der Satz:

Es reicht nicht, die Opfer unter dem Rad zu verbinden. Man muss dem Rad selbst in die Speichen fallen. Zu Bonhoeffer: http://www.bonhoeffer.ch/artikel/bonhoeffer-bbdem-rad-in-die-speichen-fallenab/

Überlege: Was meint er in der Zeit des Nationalsozialismus damit?

Dieser Satz von Bonhoeffer kennzeichnet auch das Wirken von Diakonie und Caritas: Es geht nicht nur darum, dass man den Menschen, die in Not geraten sind, hilft, sondern es geht auch darum, alle Bedingungen, die Menschen in die Not führen, so gut es eben geht, zu verändern. Das heißt, man muss im Bereich der Gesetzgebung seine Stimme erheben, man muss vor Ort jeweils das verändern, was Not herbei führt.

Um das bewerkstelligen zu können, denkt die christliche Soziallehre (Katholisch) bzw. Sozialethik (Evangelisch) über das Handeln und politisch verantwortliches Denken nach. Grundlegend sind die drei Standbeine: Gemeinwohl, Solidarität und Subsidiarität.

Gemeinwohl:

Es geht darum, dass nicht Individual-Interessen bzw. Gruppen-Interessen vor dem Gemeinwohl stehen dürfen, sondern dass zwischen Individuen, Gruppen und Gesellschaft ein ausgewogenes Verhältnis herrscht. Doch was ist das „Gemeinwohl“? Das, was Gemeinwohl ist, kann nicht einer oder eine Gruppe bestimmen, sondern wird durch die Interaktion verschiedenster Gruppen und Individuen immer wieder neu austariert. Dabei handelt es sich um sehr komplizierte gesellschaftspolitische Prozesse, denn wenn Medien alle dasselbe sagen, dann kann die Bevölkerung auch in eine Richtung gedrängt werden – oder wenn manche Gruppen unterdrückt und bedrängt werden, sie Angst bekommen, ihre Meinung auszusprechen, dann ist das Gemeinwohl sehr stark gefährdet. Von daher gehört zu diesem Prozess Meinungsfreiheit dazu.

Solidarität:

Menschen tragen füreinander Verantwortung. Sie bilden eine Gesellschaft aus Individuen, die einander helfen müssen, das Leben nach Wunsch und Notwendigkeit gestalten zu können. Nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark, helfen also Interessengruppen einander – aber nicht nur. Sondern man erkennt, dass man auch fremde Menschen/Gruppen unterstützen muss, weil es dadurch der Gesellschaft besser geht. Man ist aufeinander angewiesen.

Subsidiarität:

Subsidiarität heißt, dass die kleinsten Einheiten einer Gesellschaft für sich selbst verantwortlich sind und gestärkt werden müssen. Die kleinsten Einheiten sind: Familie, Kommune – und es geht dann politisch immer weiter (Kreis, Land, Bund…). Diese kleinsten Einheiten bilden die Grundlage der Gesamtgesellschaft und die Gesamtgesellschaft hat diese kleinsten Einheiten zu unterstützen. Diese prägen dann wieder die Gesamtgesellschaft. Konkret: In den Diktaturen ist das Prinzip andersherum: Es wird von einer Gruppe, die die Macht hat, bestimmt, was die jeweils untergebenen Menschen tun müssen, welchen Gesetzen sie zu folgen haben, welcher Weltanschauung sie folgen müssen. Das Subsidiaritätsprinzip bedeutet hingegen, dass die Regierung die Pflicht hat, unabhängig von den Weltanschauungen der kleinsten Einheiten diese zu unterstützen und zu fördern, denn diese bilden auch die Grundlage der Weltanschauung für den Staat. Regierungen müssen somit die Familien, die Sport- und Kulturvereine usw. unterstützen, sie müssen die Kirchen (denen ja die Mehrheit der kleinsten Einheiten in unserem Land zugehören) unterstützen – und diese prägen jeweils wieder die Gesellschaft. Die Regierungen können laut dieses Prinzips nicht mehr sagen: Wir wollen die kleinsten Einheiten nicht mehr unterstützen! oder sie können nicht mehr sagen: Die Weltanschauung/Religion der Gesellschaft gefällt uns nicht, wir wollen sie verändern! Wenn eine Regierung das sagt, dann vergreift sie sich am Grundprinzip unserer Gesellschaft.

Aufgabe: Finde Beispiele – diskutiere:

Zurzeit wird jeder noch so kleinen Gruppe, die medial wirksam auf sich aufmerksam macht, Raum gegeben – zum Teil auch auf Kosten der Mehrheit.

  • Ist das richtig? Ist das falsch?
  • Darf / muss eine kleine Gruppe ein großer Raum eingeräumt werden?
  • Wie kann eine Gesellschaft damit umgehen, damit sie nicht von einer kleinen weltanschaulichen Gruppe abhängig wird?
  • Wie muss eine Gesellschaft mit Minderheiten umgehen, dass diese angemessen berücksichtigt werden?