GENESIS 6-10: DIE SINTFLUT-GESCHICHTE (s. auch: https://mini.evangelische-religion.de/noah/ )

Gott plante die Menschen umzubringen, weil es ihm reute, den boshaften Menschen erschaffen zu haben. Und so tötete er Mensch und Tier, nur Noah überlebte samt Familie und den Tieren.

Es ist eine grausame Geschichte. Ich lese sie als Hoffnungs-Geschichte. Wie das? Ein paar Anmerkungen möchte ich geben – die Geschichte ist natürlich vielfältiger angelegt.

Israel war von den Babyloniern erobert worden. Die Oberschicht wurde nach Babylon ins Exil verschleppt. Die jüdischen Theologen wussten: Wir von Israel haben den Vertrag gebrochen, den wir mit Gott bzw. Gott mit uns geschlossen hat. Wir erleiden nun durch die Eroberung die Vertragsstrafe.

In Babylon sind sie mit der alten Noah-Tradition in Verbindung gekommen. Die sagte: Es gab eine große Flut und in dieser Flut sind alle Menschen gestorben.

Der Name Noah wird als „Trösten“ interpretiert – und von daher liegt es nahe, sie als Hoffnungsgeschichte zu lesen, eine Geschichte, die den Israeliten in Babylon Trost sein sollte. Sie haben ihre Situation in die Geschichte hinein gelesen: Das Volk Israel lebt in einer Zeit der Flut – der Überflutung durch die Babylonier. Nur wenige Israeliten leben noch. Doch diese wenigen werden diese Flut überleben. Gott bereitet dem Elend ein Ende – er wird wieder einen Neuanfang schenken. Und mit diesem Neuanfang fängt auch Gott mit dem Volk neu an: Der Noahbund – samt Gebote und Regenbogen als Symbol. Und so wird Noah auch als Vorbild dargestellt.

Dieser alte Mythos wurde also auf die eigene Situation hin umgedeutet – er wurde zum Trost: Das Elend der Überflutung durch die Babylonier wird ein Ende haben – Gott wird dem ein Ende bereiten. (Man muss allerdings bedenken, dass das so eingebettet wird, dass es vor der Abraham-Berufung durch Gott erzählt wird, also den Völkern gilt – somit folgerichtig, denn von ihnen wurde die Erzähltradition übernommen. Auch diesen Völkern gelten die Gebote.

In der Babylonischen Zeit hat das Volk Israel auch die erste Schöpfungsgeschichte durch einen von Gott geprägten Theologen geschenkt bekommen, der ebenfalls alte Traditionen aufgegriffen hat. Dort heißt es: Gott sah seine Schöpfung – sie war sehr gut. Doch in Babylon erlebte man überhaupt nichts Gutes. Der Mensch bereitet dem Menschen nur Übel. Aber: Es kann noch so chaotisch sein: Der Grundton der Schöpfung ist gut. Warum? Der Geist (Ruach) Gottes schwebte über den Urfluten und erschuf die schöne Welt samt Menschen. Und dieser Geist (Ruach) ist es dann auch, der die Strafflut beenden werden wird: Er trocknet die Flut weg. Gott der Schöpfer ist auch der Erhalter.

Die Schöpfungsgeschichte – dieser Mythos ist älter als das Volk Israel, wurde jedoch auf das Volk hin neu erzählt. Und eben als Trostgeschichte. An der großen Flut kam man nicht vorbei. Sie beherrschte die Tradition. Aber man vermochte sie in den großen Kontext des Rettungshandelns Gottes zu stellen.

Man merkte allerdings: Das Gottesbild reibt sich mit der eigenen Tradition. Und so ist die Rede von Gottes Trauer über den Menschen, seinen Zorn über ihn und es über seine Reue geredet. Das ist der Keim, das Verhältnis von Mensch und Gott – Gott und Mensch als Beziehungsgeschichte zu deuten:

Gott gab dem Menschen von Anfang an Freiheit. Der Mensch missbrauchte die Freiheit, wandte sich gegen Gott und Mensch. Gott versucht nun, dem Menschen nicht die Freiheit zu nehmen, sondern mit Hilfe von Propheten, Geboten, weiteren Gottesmenschen den Weg zu Gott und des Miteinanders zu weisen. Nicht zuletzt durch Jesus Christus. Gott geht auf den Menschen ein und versucht ihn dazu zu bringen, in Freiheit menschlich zu sein. Und so werden diese alten Mythen der Völker auch Bausteine, um die Beziehung zwischen Gott und Mensch verstehen zu können.

Zu der Noah-Geschichte s. auch: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/das-buch-hiob/

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Umsetzung:

Noah und die „große Flut“ (Sintflut)

Das Volk Israel wurde von den Babyloniern erobert. Viele Menschen waren gestorben, waren getötet worden, viele Menschen wurden verwundet, die Häuser waren zerstört, die Felder verbrannt, die Tiere von den Soldaten der Babylonier waren geschlachtet und gegessen worden. Manche Menschen haben die Katastrophe des Krieges überlebt. Aber: Viele von den Überlebenden wurden nach Babylon verschleppt. Sie mussten dort als Sklaven den babylonischen Herren dienen.

Wie immer, wenn die Not ganz groß ist, fragten die Menschen verzweifelt: Warum lässt Gott das zu? Weise Menschen aus Israel gaben die Antwort: Gott ist gut. Aber weil wir Gott nicht gehorcht haben, weil wir seine guten Gebote übertreten haben, haben wir einander viel Böses getan. Nicht nur die Babylonier haben damals böse gehandelt. Wir auch. Dass wir andere Menschen erniedrigen, verspotten, ihnen den Besitz rauben – das wollte Gott nicht zulassen und hat uns dann bestraft.

Diese Antwort war für die Israeliten sehr hilfreich. Und sie versprachen Gott und einander, sich bessern zu wollen.

Ein weiser Mensch hörte in Babylon eine Geschichte:

Zwei Götter waren sich uneins über die Menschen geworden. Der eine Gott wurde so zornig, weil die Menschen ständig herumlärmten und aufmüpfig waren, so dass er die Menschheit durch eine Wasserkatastrophe zerstören wollte. Ein anderer Gott ließ einen Menschen heimlich ein großes Schiff bauen, und mit diesem Schiff wurden die Menschen dann gerettet.

Als dieser weise jüdische Mensch die Geschichte gehört hat, war er begeistert. Diese Geschichte nehme ich, um meinem Volk in der Notlage zu helfen. Weil er Jude war und an nur einen Gott glaubte, erzählte er die Geschichte auf neue Weise.

Gott sah, dass die Menschen einander böses taten. Er hatte die Menschen gut geschaffen, wollte, dass sie alle gut miteinander leben. Aber sie taten es nicht. Gewalttaten, Überfälle, Kriege, Rechtlosigkeit beherrschten das Zusammenleben. Weil die Menschen nicht mehr an Gott glaubten, gehen sie so bösartig miteinander um. Darum wollte er die alte Menschenwelt zerstören und eine neue Menschheit erschaffen. Dann erkannte Gott, dass es einen gerechten Menschen und seine Familie gab: Noah(*). Den und die ganzen Tiere der Erde will ich nicht zerstören, sagte Gott. Er ließ Noah ein großes Schiff bauen. Die Menschen um Noah herum verspotteten ihn: Was, in dieser Ebene baust Du ein so riesengroßes Schiff? Das ist doch wahnsinnig. Bist du blöd?  Doch als das Schiff fertig war, ging Noah mit seiner Familie hinein – und alle Landtiere kamen paarweise und kamen in dem riesengroßen Schiff aus Holz unter. Denn Gott kümmert sich auch um Tiere. Er wollte nicht seine gute Schöpfung ganz vernichten, und die Tiere gehörten auch zur guten Schöpfung. Dann begann es zu regnen und zu regnen. Die Wasserpegel stiegen und stiegen. 40 Tage und Nächte regnete es. Die Fluten der Meere verschlangen alles Leben.

Dann hörte es auf zu regnen. Aber es dauerte noch Monate, dann stieß das Schiff an den Berg Ararat. Als großer Berg war er zuerst vom Wasser befreit.  Und noch länger dauerte es, bis mehr Land wieder trocken war. Um zu sehen, ob es schon irgendwo trockenes Land gab, schickte er den Raben aus. Doch er kam immer wieder zurück, weil er kein festes Land gefunden hatte. Doch dann, dann war es soweit, der die Raben kamen nicht mehr zurück. Dann schickte er die Taube aus. Auch sie kam immer wieder zurück. Doch dann kam die Taube eines Tages zurück und hatte einen kleinen frischen Zweig des Olivenbaums in ihrem Schnabel. Noah wartete noch ein wenig, als dann die ausgeschickten Tauben auch nicht mehr zurückkamen, wusste er: Bald ist es soweit. Als das Land wieder belebbar wurde, verließ er mit seiner Familie und allen Tieren die Arche.

Noah war echt dankbar, dass sie gerettet worden waren. Er brachte Gott ein Opfer. Und Gott versprach Noah, dass er alles Lebendige nicht mehr so schwer bestrafen möchte. Nie werden aufhören: Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und Gott schloss einen Bund mit Noah und gab ihm vorläufig ein paar Gebote, die allen Menschen gelten. Weitere Gebote für das jüdische Volk kamen dann später mit Moses. Aber erst einmal gab es nur wenig Gebote, die das Zusammenleben regeln sollten. Als Zeichen des Bundes sagte Gott, gebe ich euch Menschen und allen Lebewesen den Regenbogen.

Und die Israeliten in Babylon hörten ganz gespannt zu. Sie verstanden: Der weise Mensch hat nicht nur eine alte babylonische Geschichte neu erzählt, er hat sie uns erzählt! Auch wir haben die Fluten des Krieges erlebt. Gott hat uns diese furchtbare Zeit überleben lassen! Und nun beginnt Neues: Gott setzt uns den Regenbogen als großes Hoffnungszeichen in die Wolken. Obwohl wir als Volk so viel schlimmes erleben, Gott lässt es nicht zu, dass wir ganz vernichtet werden. Und immer wieder, wenn wir den Regenbogen sehen, werden wir daran erinnert. Aber wir werden auch daran erinnert, dass wir Gottes Gebote halten sollen, damit wir Menschen gut miteinander auskommen.

(*) Die Söhne hießen Sem, Ham und Japhet. Wie die Frauen der Söhne hießen wird nicht überliefert. Aber viele Jahrhunderte später wurde auch der Name der Frau genannt: Haikal bzw. wurde sie mit dem alttestamentlichen Namen Naema verbunden.

Der Name Noah bedeutet: Ruhe/Trost. Haikal bedeutet entweder „großes Haus/Palast“, Naema bedeutet: Liebliches Tun.

Eine Erzählung aus der Zeit heraus zu verstehen, wird „historische Exegese“ genannt.

Eine Erzählung für die eigene Zeit neu zu interpretieren wird „Hermeneutik“ genannt. Der alttestamentliche Erzähler interpretiert die alte sumerisch/babylonische Geschichte in seiner Zeit neu – wie wir sie für heute neu interpretieren. Allerdings wird in der säkularen Zeit Gott mit Blick auf Katastrophen nicht mehr berücksichtigt. Der Mensch führt die Katastrophen selbst herbei. Sie sind, wie im Alten Testament, Folge des schlimmen menschlichen Handelns. Aber eben: Gott ist der Richter. Jörg Zink formulierte eine Untergangsgeschichte der Menschheit, die diese selbst herbeiführen. Vom Himmel herab schauten die ratlosen Engel zu, wie die Menschen einander vernichten.