Grundsätzliches: Beweis und Wahrnehmung von Wirklichkeit
Begrenztheit der Sprache – überwinden der Grenzen
Wir Menschen hängen von unserer Sprache ab. Und die hängt grundsätzlich von lebensnotwendigen Dingen ab:
Nahrung, Schlaf, Sex, Wetter, Sicherheit.
Darüber können wir uns verständigen – an diesen lebensnotwendigen Bedürfnissen entwickelte sich vermutlich Sprache. Die Sprache wurde abstrakter mit den Erfahrungen und den Religionen – dann auch verbunden mit Dichtung und Philosophie.
Von daher versagt unser Sprechen häufig angesichts von Erfahrungen, die nicht unmittelbar mit unseren Bedürfnissen zusammenhängen – damit versagt auch unser Denken. Insofern ist es bewundernswert, dass wir Menschen in abstrakte Dimensionen vorgestoßen sind, Dimensionen, die eigentlich undenkbar sind.
Hierin ist der Philosoph Heraklit (5. Jahrhundert v. Chr.), einer der Vorsokratiker, zu bewundern. Er konnte Dinge, die sich sprachlich ausschließen, als Einheit formulieren: “Es ist unmöglich, zweimal in denselben Fluss hineinzusteigen.“
Aufgabe: Was meint er wohl damit? (Lösung befindet sich unten.)
Hierin bewundere ich auch die christliche Trinitätslehre / Dreieinigkeitslehre: Menschliches Denken wird auf die Spitze getrieben – es wird etwas gedacht, was unvorstellbar ist – damit dringt das Denken sozusagen in göttliche Bereiche vor…:
Gott ist eine Einheit – Vater, Sohn, Heiliger Geist – als diese Einheit aber auch verschieden. Dazu siehe: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/trinitaet-dreieinigkeit/ .
Angesichts der Dimension Gottes versagen Sprache und Denken. Wir können ja selbst Schöpfung nicht angemessen denken und zur Sprache bringen. Das zeigt sich heute besonders in der Naturwissenschaft: Wie können wir die Unendlichkeit oder Endlichkeit des Kosmos verstehen? Was ist das Leben – wie kann Materie leben? Das zeigt sich aber auch in dieser Frage: Was ist das: Liebe? Was ist Gerechtigkeit?
Was leisten Sinne?
Von hier aus kann man nicht nur die Frage stellen, was leistet die Sprache, sondern auch: Was leisten unsere Sinne? Was leisten Auge, Ohr, Nase, Geschmacksinn, Tastsinn? Sie nehmen eigentlich nur wahr. Und das Wahrgenommene wird im Gehirn interpretiert. Ist das, was wir wahrnehmen und interpretieren, auch gleichzeitig die Wirklichkeit schlechthin? Wie interpretieren wir das Gesehene überhaupt? Aus welcher Tradition, aus welcher Erfahrung? Also: Welches Wirklichkeitsverständnis haben wir?
Wir sehen zum Beispiel alle eine Blume am Straßenrand. Manche sehen sie – sehen sie gleichzeitig nicht. Manche sagen: Oh wie schön! Andere sagen: Was soll das Unkraut hier. Wieder andere sagen: Oh, ein Korbblütler, dass die Blume jetzt schon blüht? Wir nehmen also die einfachsten Dinge unterschiedlich wahr.
Uns Menschen macht es aber auch Spaß, uns selbst bzw. unsere Sinne zu überlisten: https://www.ichmussmal.de/illusionen/kippbilder.html
Adaptionen, Farbtäuschungen, Illusionen, Optische Täuschungen, Vexierbilder.
Wir können mit unseren Sinnen viel wahrnehmen. Können wir mit unseren Sinnen aber auch Gott wahrnehmen? Im christlichen Verständnis ist das nicht möglich. Unsere Sinne können nur Schöpfung wahrnehmen, weil sie selbst geschaffen wurden. Aber sie können nicht den Schöpfer selbst wahrnehmen. Das geht nur, wenn er sich selbst zu erkennen gibt. Das nennt man „Offenbarung“: Gott offenbart sich – und dann können wir ihn wahrnehmen.
Weil alles über das Gehirn läuft, lässt sich aber auch der Schöpfer durch das Gehirn vernehmen – denn er benutzt die Sinne, damit wir ihn wahrnehmen können. Er offenbart sich (Gebet – hören, Abendmahl – schmecken, fühlen, Wort Gottes = Bibel – lesen/sehen/fühlen, Symbole, Träume usw.).
Aufgabe: Gibt es weitere Sinne als die oben genannten Sinne?
Fühlen wir uns nicht manchmal beobachtet? Womit nehmen wir das wahr?
Was sind „Beweise“?
Sind naturwissenschaftliche „Beweise“ kompatibel mit geschichtlichen „Beweisen“? Sind diese kompatibel mit juristischen „Beweisen“? Sind diese wieder kompatibel mit mathematischen „Beweisen“? Stimmen mathematische Beweise immer – auch mit der Wirklichkeit überein? So hat man – ich las es einmal – mathematisch bewiesen, dass die deutsche Bevölkerung im Pferdemist ersticken würde, würde sie so zunehmen wie zur Zeit der Berechnung (19. Jahrhundert) – und wenn weiterhin jeder Bewohner ein Pferd haben wollte. Nun: mathematisch war das richtig – doch die Erfindung des Autos machte einen Strich durch die Rechnung.
In all den gegenwärtigen Reizthemen: Urknall, Darwinismus-Evolution, Schöpfung – prallen die Meinungen und Weltbilder hart aufeinander, weil auch Beweise interpretationsbedürftig sind.
Es wäre schön, wenn alle das Bestreben hätten, weise zu werden. Das heißt: Den Menschen – auch sich selbst – Mensch sein zu lassen. Sich freuen an dem, was man entdeckt – und sich sachlich auseinandersetzen mit dem, was andere entdecken.
Meine Position
Da es in diesen Fragen um Weltanschauung geht, weil weder Religion noch Naturwissenschaften zu bestimmten Dingen Beweise vorlegen können, muss man seinen Standpunkt reflektieren. Darum möchte ich kurz meinen Standpunkt benennen (und der muss persönlich formuliert werden, denn man darf nicht als Tatsache darstellen, was nicht bewiesen werden kann):
Ich versuche beide Aspekte zu verbinden: Ich sehe die biblischen Schöpfungsberichte als staunende Versuche des Menschen an, seine Welt zu erklären. (Gegen andere christliche Beobachtungen sehe ich in Genesis 1 und 2 nicht einen einzigen Schöpfungsbericht, sondern zwei.) Diese staunenden Versuche sind für mich von grundlegender Bedeutung, weil sie eines verdeutlichen: Hinter allem steht ein schaffender, liebender, erhaltender und vollendender Wille. Wir nennen ihn Gott.
Daneben ist das gegenwärtige Staunen des Menschen zu nennen, der versucht, das, was er sieht, in Zusammenhänge zu bringen und sie nicht mit der Größe „Gott“ zu erklären. Jeder, der ein wenig mit Wissenschaft grundsätzlich zu tun hat, weiß, dass nur ein Bruchteil von dem Erkannten wirklich „bewiesen“ ist. Darum gibt es Theorien, Hypothesen, Thesen… – die verifiziert bzw. falsifiziert werden müssen.
Beide Weltbilder (Religion und Naturwissenschaft) kann man so formulieren, zur Sprache bringen, dass sie einander ausschließen. Beide kann man aber auch so zur Sprache bringen, dass sie einander ergänzen, einander befruchten. Dass ich mich hier in die Nesseln setze – ist mir bekannt: Nesseln von frommen Christen und Nesseln von hardcore Wissenschaftlern.
Einstein soll gesagt haben: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“ Man kann weitergehend formulieren: Wissenschaft fragt: Wie ist alles entstanden – religiöse Menschen fragen: Warum ist alles entstanden. Und beide Fragen gehören für den Menschen zusammen, wenn er nicht lahm bzw. blind sein will.
Gott als Lückenbüßer
Christen haben es nicht nötig, Gott immer wieder als Lückenbüßer einzusetzen wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer gesehen hat (http://www.ekd.de/vortraege/huber/060204_huber_berlin.html). Gott ist kein Teil der Schöpfung und er kann nicht bewiesen werden – er kann nur bekannt (das Wort kommt von „bekennen“) werden. Und wenn Gott bekannt wird, wird er sich selbst offenbaren – so glauben Christen. Dann taucht Gott auf einmal nicht mehr nur in Lücken auf – sondern Glaubende sehen Gottes Hand – seinen Geist – überall am Wirken.
Die Ablehnung von Gott als Lückenbüßer, ist eigentlich eher veraltet. Die Wissenschaft erkennt, dass es keine Lücken in dem Maße gibt, wie man es sich vorher dachte, denn jede wissenschaftlich beantwortete Frage öffnet wieder tausend neue Fragen. Und je mehr die Wissenschaft erkennt, desto mehr staunt sie über die Gesetzmäßigkeit, über die Präzision. Und Staunen ist der Beginn von Religion – aus christlicher Perspektive. Man darf aber nicht vergessen, dass der christliche Glaube sagt, dass Gott sich zeigen muss, offenbaren muss, um ihn wirklich erkennen zu können.
Übrigens: Wenn Wissenschaftler sagen würden: Wir haben Gott wissenschaftlich bewiesen – haben sie dann wirklich Gott, den Schöpfer, den Vater Jesu Christi, bewiesen? Im christlichen Sinn wäre ein solcher Wissenschaftler genauso „Gott-los“ wie einer, der Gott ablehnt.
Religion, Kunst, Wissenschaft
Der Mensch in seiner religiösen Dimension nimmt Welt anders wahr als in seiner wissenschaftlich orientierten Dimension. Eine dritte ganz wichtige Dimension ist die der Kunst. Der Mensch als Künstler hat auch andere Zugänge zu seinem Umfeld, zur Natur, zur Gesellschaft, zu sich selbst als Mensch, zu Gott – als zum Beispiel der Naturwissenschaftler, Soziologe, Psychologe, Theologe. Wir sind nicht eindimensional – sondern mindestens dreidimensional „geschaffen“.
Literatur:
Fred Hartmann und Reinhard Junker: Bibel – Schöpfung – Evolution. Grundlegende Unterrichtsentwürfe für Schule und Gemeinde, Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg 2009 (Kreationistischer Ansatz)
Andere Position (EKD): http://www.ekd.de/download/ekd_texte_94.pdf
Ian G. Barbour: Naturwissenschaft trifft Religion. Gegner, Fremde, Partner? Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 2010 und: Francis S. Collins: Gott und die Gene. Ein Naturwissenschaftler entschlüsselt die Sprache Gottes, Freiburg 2012 und: Barbara Drossel u.a.: Naturwissenschaftler reden von Gott, Gießen 2016
Dieser Link weist auf eine Untersuchung hin, in der 70% der amerikanischen Wissenschaftler keine Probleme zwischen Glauben und Wissenschaft sehen und nennen auch ein paar Ansichten deutscher Wissenschaftler: http://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft.html?&news[action]=detail&news[id]=4488