Synesius von Kyrene

Synesius von Kyrene (370-412) war gebildeter neuplatonischer Philosoph und politisch engagierter Christ und Bischof.

Auch er besingt die Größe, die Schöpfungsmacht Jesu Christi, das All steht im Blick, Sonne, Mond, Planeten – und diese Weisheit, die in allem ist, möge auch das Leben des Dichters bestimmen. Hinweisen möchte ich auf den Schluss des ersten Hymnus, soweit ihn Kayser (49) zitiert: „Horch auf! Zikade singt / vom Morgentaue trunken. Schau, wie die Saite stärker / Mir schlägt und eine Stimme / Begeisternd mich umtönet! / Was giebst du für ein Lied mir / Du heilige Begeisterung?“ Intensive Lichtmetaphorik bestimmt auch den 6. Hymnus, der ähnlich aufgebaut ist und in einen Furiosen „Preis dir“ ausklingt, mit Preis des Gottesgeistes, der von Sohn und Vater gesandt werden möge, „damit mir die Seele erquicke / Der Gottesgaben Fülle“.

Deutlich wird, dass hier stärker als bei manchen anderen das eigene Leben im Blick ist – und das mit ekstatischen Elementen. Die Grenzen des Rationalen übersteigend – in einem rational hergestellten Gedicht.

Paulinus von Nola

Zum Teil sind die Gedichte endlos lang, z.B. Gedichte von Ephraim/Ephräm, von Gregor von Nazianz. Auch Texte von Paulinus von Nola (* 354 in Bordeaux und +431). Die Texte sind zu lesen, zu meditieren, sie erzählen Vita (zum Beispiel von Paulinus) aus einer neuen Perspektive. Es sind Texte für Mönche, Texte gelesen von Gebildeten, Texte vertieft in Klöstern und vermutlich von philosophischen Zirkeln.

In einem langen Gedicht (5) von Paulinus von Nola heißt es am Ende recht schön mit Blick auf Jesus Christus:

Die harmonischen Lieder Davids singen Dir Lob und lassen die Luft erklingen mit Stimmen die Antworten: Amen.  

Christus steht im Zentrum der Gedichte von Paulinus – die Aufgabe der Gedichte ist es, Christus zu verkünden – und so erwartet das zitierte Lied auch die singende Zustimmung der Lesenden und legt ihnen diese in den Mund: Amen.

Grenzen zwischen Menschen werden durch Lieder durchbrochen: Sie sagen zu dem von mir gesungenem Lied: Amen. Sie sind ergriffen, sie stimmen zu.

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An vielen der Übergangsdichter von heidnischer Tradition zum Christentum wird deutlich, dass sie die alte Tradition aufgreifen und versuchen, sie mit dem Christentum zu überwinden. Andere fügten in ihre zahlreichen „heidnischen“ Texte immer wieder auch einmal christliche Aspekte ein, wie zum Beispiel der Lehrer des Paulinus, Ausonius (310-394; nur eine Anmerkung über den Dreieinigen Gott – in einem Text über die „3“, aber auch ein Ostergebet stammt von ihm). Sprachlich galten die römischen Traditionen den Christen wie Paulinus als schön – inhaltlich als leer. Und so wollte man dann schöne Sprache mit göttlichem Inhalt füllen. Sprache bildet die gesamte Wirklichkeit ab – auch die des Handelns Gottes. Die griechische und römische Kultur wurde als eine angesehen, die auf den christlichen Glauben vorbereitete und darum auch von den meisten dankbar aufgegriffen und – unter Aufnahme jüdisch-frühchristlicher Tradition – weiter geführt wurde. Die Adressaten der Gedichte sind ebenso Gebildete, an römischer Literatur Gebildete. Sie kennen die Anspielungen, die Zitate, die leichten Variierungen der „Zitate“. Das wird auch an den Briefgedichten deutlich. Paulinus übernimmt eine Tradition, die in Rom bekannt war, so z.B. von Horaz. Nun stellt sich die Frage: Sind die Briefgedichte einzuordnen wie andere Briefe – also als persönliche Texte – oder sind sie literarische Briefe – also an eine Gruppe Interessierter adressiert? Wie dem letztlich auch sein sollte: Paulinus legt in Briefgedichten seine neue christliche Sicht dar, begründet und verteidigt sie. Diese Briefgedichte können allerdings hier in meiner kurzen Übersicht nicht weiter vertieft werden. Es handelt sich um Texte, die gelesen werden wollen, in Ruhe durchdacht und argumentativ nachvollzogen. Darin unterscheiden sie sich von Hymnen, aber auch von kürzeren Gedichten, die einen Aspekt benennen und vertiefen.

Anders die Lieder von Ambrosius. Sie sind Gebrauchslieder für Gottesdienste:

Ambrosius von Mailand

Ambrosius (339 in Trier – 397) ist derjenige, der christliche Lieder als Gemeindelieder im Westen populär gemacht hat. Ambrosius setzte auch Gottesdienste und Gesang ein, um gegen einen Befehl der Kaiser-Mutter Justina passiven Widerstand zu leisten. Mit Erfolg. Augustinus schildert in seinen Bekenntnissen (9,12) wie sehr ihn diese Lieder berührten, aber auch, dass ein Lied ihn angesichts des Todes seiner Mutter getröstet hat. Er spricht damit das Abendlied, „Gott, Schöpfer von allem„, an http://hymnarium.de/hymni-ex-thesauro/hymnen/82-deus-creator-omnium :

Gott schenkt allen Ruhe – Nachtgebet und Lieder preisen Gott – in der Finsternis der Nacht, möge der Glaube nichts von Finsternissen wissen – nichts Trübes mag verhindern, im Traume Gott zu sehn.

Das Gedicht „Ewiger Schöpfer der Welt“ hat enge Parallelen zu dem Morgengesang, der unter Hilarius angesprochen wurde. Hier steht der Hahn jedoch im Zentrum, der die Menschen weckt, der Hoffnung schenkt, Kranken Besserung gibt. Strauchelnde werden Jesus anbefohlen. Am Schluss heißt es:

O Licht, scheine du in die Herzen und
verjage den Schlaf der Seele:
dich soll zuerst unsere Stimme preisen,
und was wir gelobt, wollen wir dir auch halten.

Das Gedicht vollzieht das, was hier ausgesprochen wird: Es preist am Morgen nach dem Erwachen zuerst das Licht Gottes. So lässt sich allerdings fragen, ob der Hahn wirklich den krähenden Hahn meint, oder ob der Begriff nicht doch auf Christus hinweist, der Menschen „weckt“. Das erste, was den Sinn beschäftigen soll: Gott; das letzte am Tag, was den Sinn beschäftigen soll: Gott. Und während des Tages möge Gott den Betenden vor üble Taten bewahren, damit er am Ende des Lebens Gott aus reinem Herzen singen kann (vielleicht ist das Lied von Ambrosius: Iam lucis orto sidere). Ambrosius besingt nicht nur Tagesläufe, er zieht zum Beispiel auch Schlussfolgerungen aus dem Sterben Jesu für den Christen (Schon steigt herauf die dritte Stunde). Das Weihnachtslied (Intende qui regis Israel) sieht Jesus als Licht, das auf der Welt erscheint. An diesem Lied kann man sehen, dass ein Hymnus nicht nur Lied ist, sondern auch als Argument angeführt werden kann: https://calvinistinternational.com/2016/12/13/intende-qui-regis-israel-1/. Eine ausführliche Interpretation dieses Liedes zeigt, wie vielschichtig solche wenigen Zeilen eines Hymnus sein können: https://www.bistum-eichstaett.de/index.php So wären weitere Texte zu nennen, zum Thema Streit (Allmächtiger Lenker, wahrhafter Gott), ein Gebet an den heiligen Geist (Nunc, sancte nobis Spiritus).

Viele dem Ambrosius (zugeschriebene?) Texte betreffen Märtyrer, das heißt Menschen, die wehrlos wegen ihres Glaubens an Jesus Christus Folterqualen und Tod erdulden mussten. In diesen Texten werden die Märtyrer geehrt (Agnes beatae virginis, Grates tibi Iesu novas, Victor Nabor Felix pii, Apostolorum supparem, Apostolorum passio). Genannt seien nur ein paar Verse aus Aeterna Christi munera http://hymnarium.de/hymni-ex-thesauro/hymnen/175-aeterna-christi-munera (Übersetzungen s. auch: https://gregorien.info/de ):

Der Heiligen Glaube, treugelobt,
Der Gläubigen Hoffnung, unbesiegt,
Christi vollkommene Liebeskraft
Zermalmt den Fürsten dieser Welt.

In ihnen wohnt des Vaters Ruhm,
In ihnen wirkt der Willensgeist,
In ihnen jubelt laut der Sohn,
Durchfreudet ganz der Himmel sich.

Auch die Lieder des Ambrosius durchbrechen Grenzen: Grenzen des Alltags – der Alltag ist eingebunden in die Gottesbeziehung. So auch das Sterben – auch das gewaltsame Sterben. Man dürfte sich der schwankenden politischen Lage bewusst gewesen sein: Ändert sich der Kaiser – ist die Zeit der Freiheit beendet. Wird der lokale Mob aus irgendeinem Grund angestachelt, kann das Leben schnell beendet sein. handelnd und singend versuchte man, diese Grenzen auszudehnen, Raum zu gewinnen, damit ein wenig irdische Sicherheit gegeben wird. Wenn die Launen der Politik wieder zuschlagen, war man angesichts der Erinnerung an die Märtyrer gewappnet.