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Lehre Jesu

 

1. Grundzüge der Lehre

Jesus lehrte den baldigen Anbruch der Gottesherrschaft - und mit ihr den Beginn des Schalom, des Friedens, Wohlergehens, der Gemeinschaft... Er forderte Menschen dazu auf, schon so zu leben, wie es dem Reich Gottes entspricht: das Leben zu ändern, einander so zu begegnen, wie Gott den Menschen begegnet: in Liebe. Um diese Liebe Gottes zu unterstreichen, heilte er die Menschen, die ihn darum baten, nahm er Ausgestoßene in die Gemeinschaft auf (Zöllner und Sünder), redete er in Gleichnissen und weisheitlichen Worten. Jesus hat aus seiner jüdischen Tradition heraus der Menschheit eine neue Sichtweise vermittelt: Gott liebt den Menschen, Gott fordert den Menschen – Maßstab, den Gott anlegt ist: Liebe – bis hin zur Feindesliebe, Gemeinschaft über politische (Umgang auch mit römischen Soldaten), völkische (Einbeziehung der Heiden – freilich: Priorität liegt auf seinem Volk), religiöse (Juden-Heiden) Grenzen hinweg.

Bitte auch beachten, was hier zum Thema "auswendig lernen" geschrieben wurde: https://evangelische-religion.de/theologie-des-nt.html Zudem werden, je nach Evangelium zwischen 70 (Markus/Matthäus) und 100 (Lukas) Personen erwähnt, von denen ca. die Hälfte namentlich genannt werden.

 

 

 

2. Wunder

S. http://evangelische-religion.de/wunder.html

 

 

3. Gleichnisse

Jesus verwendet unterschiedliche Gattungen, um seine Lehre zu formulieren. Er spricht nicht in Form von Göttermythen, auch nicht in der Form, dass er von Gottes Handeln in der Geschichte spricht. Er verwendet zum Teil Gleichnisse und zeigt damit: Gott ist (im Wort) nah. Gleichnisse sind eine kreative, dichterische Gattung (vgl. Kurzgeschichten).

Gleichnisse werden unterteilt in

  1. Bildworte,
  2. Gleichnis im engeren Sinn (etwas Alltägliches wird geschildert),
  3. Parabel (ungewöhnlicher Einzelfall: Ziel der Parabel: Sinnesänderung;
  4. Beispielerzählung (Schilderung eines Sachverhalts mit dem Ziel der Verhaltensänderung).

 

Die Gleichnisse haben überwiegend folgende Themen:

  1. Reich-Gottes-Gleichnisse,
  2. ethisch orientierte Gleichnisse,
  3. Gottes Sein und Handeln,
  4. Stellung von Menschen zu seinem eigenen Handeln.

 

Zu (1) Das Reich Gottes – die Gottesherrschaft – kann nicht in Worte gefasst werden. Der Mensch würde das nicht verstehen. Jesus verwendet darum Bilder aus dem Alltag, die der Mensch kennt, und lässt durch diese das Wesen der Gottesherrschaft durchscheinen. Das Reich Gottes ist wie ein wachsendes Senfkorn (Senfkorn, Sauerteig…), es ist wie ein Schatz im Acker, dessentwegen der Mensch alles, was er hat, weggibt, um ihn zu bekommen. Zum anderen: Der Mensch soll bereit sein, wenn Gott seine Herrschaft aufrichtet (10 kluge und törichte Frauen).

 

Zu (2) Der Herrschaft Gottes entspricht es, sich in einer ganz bestimmten Art und Weise zu benehmen: einander grenzenlos und vergebend zuzuwenden (Barmherziger Samariter; Schalksknecht).

 

Zu (3) Gott ist anders, als viele Zeitgenossen Jesu dachten. Er nimmt den Sünder wie ein Vater auf (Verlorener Sohn), er wendet sich den Gebeten der Menschen zu (Nächtlicher Nachbar, bittende Witwe), er ist gerecht (Weinbergbesitzer).

 

Zu (4) Jesus lebte in Auseinandersetzung mit seinen Gegnern. Darum haben manche auch dieses Thema im Blick (Sohn des Weinbergbesitzers).

 

Im Laufe der Kirchengeschichte wurden Gleichnisse unterschiedlich ausgelegt:

  1. Allegorische Auslegung: Jedes Detail eines Gleichnisses wird mit Bedeutung belegt, wird erklärt.
  2. Zentraler Vergleichspunkt: Es wird der wesentliche Aspekt eines Gleichnisses gesucht.
  3. Metaphern: Die gegenwärtige Forschung versucht überwiegend, das Gleichnis als Einheit zu verstehen, das als Ganzes den Menschen in das Erzählte hineinziehen möchte. Stichwort: Metaphern sind wirksam. Gleichnisse verstehen, ist ein kreativer Akt.

 

Anmerkungen zur Gleichnis-Auslegung:

Lies das Gleichnis vom Senfkorn (Markus 4,30-32). Versetze dich in die Situation, in der es erzählt werden konnte. Ausgangspunkt des Ansatzes: Jesus greift keine Erinnerungen auf, sondern die ganz konkrete Situation. Er sitzt mit seinen Jüngern an einem ganz heißen Tag im Schatten eines Baumes. Senfpflanzen sind um ihnen her. Die Spatzen sitzen im Baum und zwitschern herum. Sie ruhen sich aus. Da fragt einer: Was ist das Reich Gottes? Jesus reagiert mit dem Gleichnis. Die Zuhörer haben etwas zu denken - aber nicht nur zu denken. Sie fühlen auch gleichzeitig. Das Reich Gottes: Es geht uns gut, die Hitze wird vom Schatten weggehalten, die Vögel zwitschern vergnügt,... Denken wird mit Emotion verbunden. Aber wie nun kann aus einer kleinen Senfpflanze ein Baum werden? Das ist Gottes Werk. Menschen tun das ihre - säen... - das andere ist Gottes Tat. Und so ist es hilfreich, auch andere Gleichnisse auf dieses emotionale Element hin zu untersuchen.

So ist das Gleichnis vom Schalksknecht (Matthäus 18,21-35), in dem es heißt, dass einer von seiner Schuld frei gesprochen wurde, dann aber einen Mitknecht massiv angeht. Als Hörer freut man sich mit dem frei gesprochenen Knecht - ist dann jedoch empört über ihn, dass er so herzlos ist - und findet das Verhalten des Herrn gerecht, der dann sein Urteil revidiert. Man wird auf eine emotionale Achterbahn geschickt, wird als Zeuge mit in die Geschichte einbezogen. Und selbst weiß man nun, dass es gerecht ist, sich anders zu verhalten als der üble Knecht.

 

4. Streitgespräche

Von Anfang an wird christlicher Glaube von Diskussion und Argumentation bestimmt. Jesus musste seine Lehre mit Worten verteidigen, musste seinen Glauben werbend begründen. Das geschah in Gleichnissen, in Belehrungen seiner Nachfolger / Zuhörer aber auch in Auseinandersetzungen mit theologischen und politischen Gegnern. Die Evangelien überliefern Streitgespräche, in denen es um Jesu Vollmacht/Legitimation geht, um bestimmte Aspekte seiner Lehre (Auferstehung), Annahme von Sündern und Kindern, Ehescheidung, seine Stellung zum jüdischen Gesetz und den Steuern (Mk 3 + 10-12). Vielfach reagiert er auf die Angriffe mit Gleichnissen, in denen er seine Sicht darlegt und dazu einlädt, seine Sicht anzunehmen.

 

5. Gottesbild

Das Gottesbild Jesu ist bestimmt davon, dass Gott als derjenige gelebt und gelehrt wird, der sich dem Menschen liebevoll und im Alltag zuwendet. Gott ist nicht allein der Gott, der in der Vergangenheit am jüdischen Volk gehandelt hat, sondern derjenige, der jetzt an den Menschen handeln will und handelt. Ihm muss sich der Mensch vertrauensvoll zuordnen. Gott wird ihn nicht vor Vernichtung bewahren – aber durch das Sterben hindurch tragen in sein Reich. Er ist der Vergebende und der Fordernde. Jesus redet ihn als Abba (Vater besser: Väterchen/Papa) an, signalisiert damit eine große Nähe zu Gott – und fordert seine Anhänger dazu auf, Gott ebenso als Abba, Vater, anzureden – damit erweisen sie sich als Kinder Gottes, als Familie Gottes. Gott ist auch der Fordernde. Der Mensch, der sich von Gott geliebt weiß, wird aufgefordert, andere zu lieben, vergebend und Gemeinschaft fördernd zu leben, denn Gott wird ihn zur Rechenschaft ziehen (Gerichtsgleichnisse). Jesus steht mit dem Gottesbild in seiner jüdischen Tradition (Gott ist der Schöpfer, der Befreier, der Gesetzgeber, der Bewahrer, der geschichtlich Handelnde) – weist Glaubende aber über das jüdische Volk hinaus: Gott nimmt alle an, die sich von ihm ansprechen lassen, nicht nur fromme Menschen seines Volkes.

Wesentliche Aspekte des Gottesbildes Jesu finden wir im Vater-Unser (Mt 6,9-13).

 

Das Gottesbild Jesu wird nicht bestimmt von einem Gefühl, sondern Gott lieben bedeutet: Handeln. Gott stiftet Gemeinschaft zwischen sich und den Menschen - die Menschen greifen das auf und bilden eine Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Von daher kann er das Doppelgebot der Liebe formulieren: Liebe Gott und deinen Nächsten.

 

 

6. Einzelne Themen mit Blick auf die Forschung

6.1. Reich Gottes

Jesus kündigt das Kommen Gottes an. Gott wird sein Reich, seine Herrschaft (Basileia) errichten. Es wird eine Zeit des Schalom sein, eine Zeit, in der der Mensch sich rundum wohl fühlt: Eine Zeit umfassenden Friedens. In der Forschung wurden unterschiedliche Ansätze herausgearbeitet:

 

  1. Jesus spricht vom kommenden Reich Gottes: Die Gottesherrschaft wird in der nahen Zukunft kommen - es ist die traditionelle apokalyptische Vorstellung: Gott wird kommen und der ungerechten Welt ein Ende bereiten - er wird seine Gerechtigkeit durchsetzen. Die Benachteiligten werden in Recht gesetzt (vgl. Seligpreisungen Mt 5).
  2. Jesus spricht von der gegenwärtigen Herrschaft Gottes, die in ihm schon angebrochen ist bzw. im liebenden Handeln des Menschen schon vorweggenommen wird.
  3. Jesus spricht vom sich realisierenden Reich Gottes. Menschen handeln schon im Geist der Gottesherrschaft damit es durch sie, den Menschen, herbeigeführt wird. Das ist jedoch eine ideologische Interpretation: Es liegt am Menschen die gute Zukunft herbeizuführen. Sie ist jedoch kaum jesuanisch, sondern in einer Zeit entwickelt worden, als andere Ideologien die Hirne beschäftigte (Nationalismus, Kommunismus).
  4. Grundsätzlich: Jesus spricht in einer dialektischen Form: Das Reich Gottes ist noch nicht da – es ist schon da. Gegenwart und Zukunft sind miteinander verzahnt: In der Gegenwart soll das realisiert werden, was man von der Zukunft Gottes erwartet. Und Jesus erwartet vom Reich Gottes nicht nur die Vervollkommnung oder Beglückung des Individuums, sondern Gemeinschaft der Menschen. Und darum wirkt er auch Gemeinschaft fördernd: Vergebung, teilen, einander annehmen, heilen, Raum lassen... Eschatologie bedeutet: Lehre über die letzten Dinge, über das, was am Ende der Zeit kommen wird. Jesus verkündigt, dass die soziale Herrschaft Gottes am Ende der Zeit kommen wird - und indem er jetzt lebt, was kommen wird, hat diese Endzeit schon begonnen.
  5. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt, lässt sich somit nur in Form von Gleichnissen ansagen. Jesus definiert nicht „Reich Gottes“ sondern spricht es zu. Die Verwendung der Wortkombination Reich/Herrschaft Gottes entspricht gleichnishaftem, metaphorischem Sprechen.
  6. Jesus versucht nicht allein durch Wunder Menschen zu heilen, sondern weiter gefasst auch durch seine Lehre und mit Hilfe seiner Gleichnisse.

 

Man wunderte sich, warum die frühen Christen noch an Jesus festgehalten haben, nachdem sie bemerkten, dass das als nahe verkündigte Reich Gottes ausgeblieben ist. Das hat verschiedene Gründe. Jesus erwies sich als der Auferstandene, damit wird aus dem Verkündiger des kommenden Reiches Gottes der anwesende Sohn Gottes, der Herr - und dieser wirkt in seiner Gemeinde so, wie es dem Reich Gottes entspricht.

 

6.2 Ethik

Zur Ethik siehe: https://evangelische-religion.de/ethik---jesus.html

Die Bergpredigt (Matthäus 5-7) stammt nicht von Jesus, sondern wurde von Matthäus aus Worten, Lehren Jesu zusammengestellt. Sie beinhaltet zentrale ethische Ansätze Jesu:

Matthäus nennt in der Bergpredigt sechs Antithesen, in denen er Worte Jesu traditionellen Ansichten entgegenstellt – zum Teil in rigorosen Sätzen:

Es ist besser, sich zu versöhnen als dass Gott Opfer gebracht werden – ein Opfer ohne Versöhnung ist nicht recht (nicht zürnen und beschimpfen). Ein Mensch, der verkrüppelt ist, wird von Gott eher angenommen als einer, der mit Blicken eine Frau entwürdigt hat (nicht ehebrechen), wer seine Frau wegschickt und ihr somit die Zukunft nimmt, ist Ehebrecher (nicht Ehe scheiden). Das Wort, das der Mensch spricht, soll vertrauenswürdig sein (nicht schwören). Statt an seinem Besitz zu hängen, soll man mehr abgeben, als erbeten wird. Der Feind ist zu lieben. Über die Antithesen hinaus: Jesus will, dass man gibt, dass man seine Freizügigkeit aber nicht hinausposaunt, er will, dass Menschen sich um das Wesentliche kümmern – nicht um Besitz, dass Menschen einander vergeben und nicht richten. Kurz: Es geht darum, Gottes Willen zu tun.

 

Zusammengefasst geht es darum: Gott will, dass Menschen einander lieben (keine gefühlige Angelegenheit, sondern aktive Zuwendung). Lieben bedeutet: einander Schuld vergeben, einander unterstützen, das Leben zu ermöglichen.

Die Ethik wird auch als Reich-Gottes-Ethik bezeichnet, weil es darum geht, die Zukunft, die Gott zum Wohl des Menschen herbeiführen wird, jetzt schon vorwegzunehmen. Sie wird als Interimsethik bezeichnet: In der kurzen Zeit, in der die Welt besteht, kann man entsprechend rigoros handeln. Sie ist nicht eindeutig zu fassen: Sie ist eine Art Gesinnungsethik: Es kommt auf die innere Einstellung an, die vom Tun des Willens Gottes bestimmt ist – das heißt auch: sie ist somit eine Art Gehorsams-Ethik, die von der Situation bestimmt wird, somit auch Verantwortungs-Ethik. Das, was Liebe tun konkret bedeutet, ist in der jeweiligen Situation verantwortlich zu entscheiden.

Zu dem Thema Tierethik s. https://evangelische-religion.de/tierethik.html

 

6.3 Passion Jesu: Leiden + Kreuzigung + Rechtfertigungslehre

Mit der Passionsgeschichte greift Markus ältere Traditionen auf. Sie beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem und endet mit seiner Grablegung. Immer wieder wird im Markusevangelium auf den gewaltsamen Tod Jesu hingewiesen. Denn nicht an den Wundern, seinem „herrlichen Tun“ ist Jesus als Sohn Gottes erkennbar, sondern an seinem Kreuzestod (Messiasgeheimnis). Als Gegner erweisen sich im Wesentlichen der Hohepriester und die Schriftgelehrten. Sie wollen Jesus aus religiösen Gründen – wegen Gotteslästerung: Übertretung von Geboten – hinrichten. Dazu kommt, dass Jesus als Nachkomme Davids als politischer Aufrührer angesehen werden konnte. Darum lag es auch im Interesse der römischen Besatzungsmacht, Jesus hinzurichten (Inschrift am Kreuz: INRI: Jesus von Nazareth König der Juden / wenn man das auf hebräisch liest, dann kommt JHWH heraus, also Jahwe, worauf Schalom Ben-Chorin hingewiesen hat: Jeschua Ha-Nozri We-Melech Ha-Jehudim - was verdeutlicht, warum die Führer dagegen Einspruch erhoben haben [Joh 19,21]). Er wurde also aus religiösen + politischen Gründen hingerichtet. Jesus selbst ahnte seine Hinrichtung, kündete sie seinen Jüngern an, unter anderem in den so genannten Abendmahlsworten (dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird; nehmt hin und trinkt, mein Blut für euch vergossen), betete jedoch im Garten Gethsemane um Befreiung von diesem Tod, stimmte letztlich jedoch in Gottes Willen ein.

Ein wesentlicher Unterschied in der Passions-Darstellung der Evangelisten sind die letzten 7 Worte Jesu am Kreuz. Während Jesus laut Markusevangelium sagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ sagt Jesus laut Lukasevangelium: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" und "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist". Ebenso lesen wir im Lukasevangelium, dass Jesus zu einem Mitgekreuzigten sagt: "Heute wirst du mit mir im Paradies sein". Und Johannes berichtet, dass Jesus zu Maria sagt: Johannes – dein Sohn; zu Johannes: Maria – deine Mutter und: "Mich dürstet" und: "Es ist vollbracht." Während Markus die Verlassenheit Jesu hervorhebt, fasst Lukas – ganz im Stil der Historiker seiner Zeit – das Wirken Jesu in diesen letzten Worten zusammen. Schwer ist die johanneische Version zu interpretieren. (Dazu siehe: https://evangelische-religion.de/7-worte-am-kreuz.html )

 

Nach der Auferstehung Jesu wurde gefragt: Wie konnte es sein, dass der Sohn Gottes diesen schlimmen Tod sterben musste? Weil der Tod Jesu in den Kontext des Passafestes fiel (Erinnerung an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten) konnte man ihn leichter als Befreiung von Sünde deuten: Weil Jesus als Mensch Gottes den Opfertod starb, wurde (a) Gott mit den Menschen versöhnt (Opfer: Sühnetod) und (b) der Mensch mit Gott. Dadurch wurde der Mensch befreit – klassisch als Rechtfertigungslehre bezeichnet: der Mensch kann sich vor Gott nie rechtfertigen, er ist Sünder schlechthin. Gott selbst rechtfertigt den Menschen = Gott macht den Menschen gerecht. (Das war vor allem auch die Intention der Theologie des Paulus, die Neuentdeckung Luthers ca. 1500 Jahre später.) Es wird also gefragt: Warum starb Jesus? Die Antwort: Für uns! Also nicht zum Selbstzweck, nicht als Unglück in der Geschichte – sondern zum Nutzen für die Menschheit.

Heutige Schwerpunkte der Interpretation, die darüber hinausgehen: Jesus lebte die Liebe Gottes bis zur letzten Konsequenz; das Kreuz zeigt (mit Blick auf die Auferstehung): Wenn der Mensch sich von Gott verlassen fühlt – ist Gott dennoch nah, in der Gottverlassenheit kann der Mensch Gott begegnen. Kritik am Kreuz finden wir zum Beispiel beim Philosophen Nietzsche: Es bedeute Lebensverneinung, Schwäche. Und heute fühlen sich manche Atheisten durch Kreuze provoziert.

 

6.4 Auferstehung – Hoheitstitel

Mit dieser Fragestellung wird die Christologie besonders betont, das heißt die „Lehre von Jesus Christus“. Jesus Christus wird nicht allein als Mensch (Jesus) wirksam, sondern als derjenige, der als Auferstandener (Christus) geglaubt wird und wirkt. Denn mit der Erfahrung Jesu als Auferstandener begann etwas ganz Neues. (Dazu s. auch: https://evangelische-religion.de/auferstehung.html )

Die Evangelien berichten von der Auferstehung Jesu bzw. der Auferweckung Jesu durch Gott. Die Berichte haben unterschiedliche Intentionen: (a) Leeres Grab; (b) Deutung des Leeren Grabes durch Engel / Jesus selbst; (c) Erscheinungen Jesu.

Das Ereignis wird unterschiedlich interpretiert. Während manche die Auferstehung als Fiktion, deuten, als Selbstbetrug bzw. Betrug, als Gruppenvision/-audition oder die Scheintodhypothese vertreten, erkennen andere, dass eine besondere Erfahrung der ersten Gemeinde zugrunde liegt.

  • Die Besonderheit der Erfahrung wird dadurch unterstrichen, dass Jesus besonders transparent gezeichnet wird: Er wird nicht erkannt – und gleichzeitig erkannt, er geht durch Wände – lässt sich aber berühren usw.
  • Historisch gesehen muss irgendetwas geschehen sein, dass die verschreckten Anhänger Jesu zu mutigen Verkündigern machte.
  • Darüber hinaus ist eine Frau die erste Zeugin (Maria Magdalena), was gegen eine Erfindung spricht. Wäre es ein Phantasiekonstrukt, wären Männer als Erstzeugen genannt worden. In den Evangelien wird ja nachträglich versucht, die Männer Petrus bzw. Johannes als Zeugen hervorzuheben - ebenso durch Paulus.
  • Auffällig ist auch, dass wir aus der Zeit der frühen Christenheit keine Grabes-Verehrung kennen, keine Pilgerwege zum Grab des gestorbenen Jesus. Das heißt, dass er von den Herrschern irgendwo an einem unbekannten Ort verscharrt wurde (das wäre die rationale Interpretation) - oder das heißt, dass es kein Grab gab (das wäre die Glaubens-Interpretation). (Andere meinen, die Verkündigung des leeren Grabes sei erst durch Markus eingeführt worden. Darum sagen die Frauen nichts weiter. Da aber keine Verehrung des Grabes Jesu bekannt ist, ist diese rätselhafte Stelle im Zusammenhang mit dem insgesamt eigenartigen Schluss des Markusevangeliums wohl anders zu deuten.)

 

Folgen der Erfahrung der Auferstehung/Auferweckung Jesu:

 

a) Die Bedeutung für die Beurteilung Jesu: Hoheitstitel (siehe: http://evangelische-religion.de/hoheitstitel.html )

Während Jesus zur Zeit seines irdischen Lebens als Rabbi / Lehrer angeredet werden konnte, möglicherweise auch als Sohn Davids, wurde er nach der Auferstehungserfahrung als Messias/Christus bezeichnet. Das heißt: Als von Gott Gesalbter. Damit wird eine jüdische Vorstellung aufgenommen: Juden erwarteten den gesalbten (König) Gottes, der Gottes Herrschaft aufrichten wird. Entsprechend ist er als der von Gott Gesandte der Herr/Kyrios, dem der Mensch sich unterwirft. Jesus wird auch als Sohn Gottes bezeichnet, das heißt, er wurde nach seiner Auferstehung zum Sohn Gottes erhöht (Paulus), oder war – nach anderer Vorstellung, Lukas – schon zu Beginn seines Lebens „Sohn Gottes“ bzw. wurde es durch die Taufe (Markus)Die Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes kann im einzigartigen Verhältnis Jesu zu Gott begründet liegen: Er spricht Gott als Abba/Vater an und handelt an Gottes Stelle mit den Menschen (Sündenvergebung, Wunder). Jesus wird als Erlöser, Retter, Heiland (Sotär) bezeichnet, weil in ihm die Fülle Gottes in seiner Liebe zu den Menschen erfahren wurde. Jesus selbst hat sich höchst wahrscheinlich als Menschensohn bezeichnet. Der Grund ist nicht eindeutig. Möglich ist, dass er sich als den von Gott Gesandten gesehen hat, der Recht und Gerechtigkeit unter den Menschen herstellen sollte (wie in der Apokalyptik: Daniel, Buch Henoch) – das trifft auf Worte zu, die vom kommenden Menschensohn sprechen. Aber er spricht auch vom leidenden Menschensohn und vom gegenwärtig handelnden Menschensohn, was die apokalyptische Vorstellung sprengt.

Nach der Erfahrung Jesu als Auferstandener machten sich die Menschen Gedanken: Wer war dieser? Wie kann das sein, dass er auferweckt wurde, dass er solche Taten tun und solche Worte sprechen konnte? Christen sprachen in hymnischen Texten (Christushymnen) von ihm als Präexistenten: Er ist schon immer gewesen (Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott), er hat Anteil an der Schöpfung - ist Schöpfungsmittler (alles ist durch das Wort geworden), er wurde Mensch, von Menschen abgelehnt, starb am Kreuz für den Menschen, ging wieder zurück in die Herrlichkeit Gottes. Dieses wird in hymnischen Texten bekannt: Johannesevangelium 1 und Philipperbrief 2). In den Hymnen finden wir eine „Christologie von oben“ – das heißt, es wird die göttliche Herkunft Jesu betont – daneben finden wir die „Christologie von unten“ – das heißt das Menschsein Jesu wird betont.

 

b) Die Bedeutung für den Glaubenden

- Auferweckung des Menschen, das heißt dessen ewiges Leben (1Korinther 15),

- Auswirkungen auf sein Handeln: auferstehen zu einem gerechten und liebenden Handeln gegen eine Kultur des Todes (für Menschenrechte…)

 

 

6.5 Nachfolge

Jesus verlangte von denen, die ihm folgen einen besonderen Lebensstil, einen Stil, der seinem eigenen Leben entsprach:

(a) Gottvertrauen – damit hängt zusammen:

 

(b) Kritik am Reichtum, denn der reiche Mensch vertraut dem Besitz, nicht Gott – und der Verarmte, der nach Besitz trachtet, sucht ebenfalls nicht Gott. Zum anderen geht er gegen das asoziale Verhalten der Reichen vor: der Reiche übersieht den Armen: Wenige haben alles, viele haben nichts und müssen hungern. Diejenigen, die ihm nachfolgen, können Gott vertrauen und können somit anspruchslos und besitzlos leben.

 

(c) Jesus wendet sich gegen Gewalt – und fordert von den Seinen, dass sie bereit sind, im Einsatz für die Gottesherrschaft gewaltlos zu sterben.

 

(d) Doppelgebot der Liebe ist einzuhalten: Liebe Gott und den Nächsten. Wobei „Liebe“ nicht im gegenwärtigen Sinn als liebevolles Gefühl verstanden werden darf, sondern als aktive Zuwendung zu dem anderen.

 

(e) Leben in der Gemeinschaft der Kinder Gottes.

 

Nach Jesu Hinrichtung und Auferstehung lebten die frühen Christen überwiegend in diesem Geist, freilich gab es schon früh Auseinandersetzungen um den richtigen Weg: Bleiben im jüdischen Gesetz oder Öffnung zu den Heidenvölkern. Im Laufe der Kirchengeschichte wurden die Forderungen Jesu immer wieder vergessen, übersehen – aber auch immer wieder neu in den Mittelpunkt gerückt. Christliche Realpolitik lebt in dem Spannungsverhältnis: notwendige Gewalt – verbotene Gewalt; lebt in dem Spannungsverhältnis allen Besitz aufzugeben – mit dem Besitz Gutes zu tun. So ist zum Beispiel diakonischer Einsatz seit dem 1. Jahrhundert durch diejenigen möglich gewesen, die ihren Besitz zur Unterstützung Armer eingesetzt haben. Es gab in der christlichen Gemeinde Menschen, die alles aufgegeben haben und Menschen, die mit ihrem Besitz anderweitig verantwortlich umgegangen sind. Nachfolge bzw. Kirche gibt es nur in Auseinandersetzung mit der Botschaft und dem Leben Jesu. Und diese hat freilich auch zu Trennungen geführt (katholisch-orthodox-protestantisch > Ökumenischer Rat der Kirchen, Ökumene: http://evangelische-religion.de/%C3%B6kumene-modelle.html ).

 

 

7. Jesus als Ebenbild Gottes

Jesus wird von Christen als Ebenbild Gottes angesehen - weiter geführt: als der, der uns Gott zu erkennen gibt. In Jesus sehen wir Gott. Man muss aber bedenken: Jesus war Mensch. Als Mensch ist er nicht der, der die Fülle Gottes vertritt. Aus der Retrospektive der Auferstehung und der Geistgabe erkennen Christen in Jesus Christus die Fülle Gottes: Durch den Geist Gottes allein kann die Fülle Gottes erkannt werden - allerdings für uns Menschen durch unser individuelles Menschsein begrenzt. Ohne den Geist Gottes sieht man nur den Menschen Jesus, den Menschen, der in seiner Zeit gelebt hat, der bevorzugt auf die Fragestellungen seiner Zeit eingegangen ist, so eingegangen ist, dass die Menschen seiner Zeit ihn verstehen konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir in den Evangelien schon die Klage hören, dass die Jünger Jesus nicht richtig verstanden haben. Auch der Apostel Paulus bekennt, dass Gott nur verzerrt erkannt wird - aber die Glaubenden werden Gott erkennen, wie sie jetzt schon von Gott erkannt sind: unverzerrt.