www.evangelische-religion.de

Sieben Worte Jesu am Kreuz

 

Die sieben Worte Jesu am Kreuz können zu einem Teil gut darstellen, was der christliche Glaube zur Frage der Theodizee zu sagen hat. An dieser Stelle geht es nicht um die Frage, welches der Worte Jesus gesagt hat, ob keines, ob alle, ob das eine oder andere. Hier geht es um die Frage: Welche Wirkung haben diese Worte, um Leiden bewältigen zu können.

 

Es geht nicht um die Frage:

Woher kommt das Leiden, warum leiden Menschen?

Es geht darum:

Wie gehe ich mit dem Leiden – dem vielfältigen Leiden – um?

 

Es sind „nur“ Worte – aber dadurch, dass Gottes Sohn / Gottes Geist Ursache dieser Worte ist, haben sie für Glaubende eine besondere Bedeutung. Die Frage danach, welches Wort historisch korrekt ist, ist nicht mehr dringlich, wenn die Wirkung dieser Worte für die jeweiligen Glaubenden beachtet wird, die durch den Geist Gottes hervorgerufen wird.

 

Traditionelle Reihenfolge der Worte Jesu am Kreuz.

 

1. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

Reaktion auf die Not der Schuld, auf die Bosheit der Menschen – Vergebung. Vergebung ermöglicht Neuanfang. Der Mensch kann durch Vergebung befreit werden vom bösen Handeln.

 

2. „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43)

Reaktion auf die Not des Todes – ewiges Leben.

 

3. „Frau, siehe, dein Sohn!“ und: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27)

Reaktion auf die Einsamkeit – Gemeinschaft, Zuwendung zum anderen.

 

4. „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27,46 – Psalm 22)

Reaktion auf die Erfahrung der Gottverlassenheit: Klage. Gott sein Leid klagen – Leiden aussprechen. Jesu Klage ist meine Klage, meine Klage ist Jesu Klage. Ich sehe mich in seinem Leiden, sehe ihn in meinem Leiden. Einheit mit Gott, auch wenn ich ihn nicht spüren sollte.

 

Gottverlassenheit verursacht durch Untaten der Menschen (Theodizee als Folge der Anthropodizee):

a. Verrat durch den Freund (Judas)

b) Verleugnung durch Freunde (z.B. Petrus).

c. Ungerechte Verhaftung.

d. Ausgesetzt sein rechtlicher Willkür: Falsche Zeugenaussagen.

e. Verbale Erniedrigungen.

f. Folterungen (Schläge, angespuckt werden, Dornenkrone, Entkleidung)

g. Zur-Schau-Stellung als Verhöhnter.

 

5. „Mich dürstet.“ (Joh 19,28 – Psalm 69,22)

Reaktion auf das Leiden des Körpers – das Leiden des Körpers durchzieht die gesamte Passionsgeschichte.

 

6. „Es ist vollbracht.“ (Joh 19,30)

Was ist vollbracht? Jesu Leben, in dem er versuchte, das Leiden zu bekämpfen – aus der Erwartung des Schalom / Reich Gottes heraus: Wunder + Lehre – Erhebung der Erniedrigten, sein gesamtes Handeln als derjenige, der Gottes Willen offenbart. Das Leben kann an ein Ziel kommen. Leiden widerspricht nicht der Zugehörigkeit zu Gott.

 

7. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46 – Psalm 31,5f.)

Sich Gott anbefehlen – es geht weiter im Schalom Gottes.

Wie ich Jesus in meinem Leiden sehe und mich in seinem, so auch in der Auferstehung: Seine Auferstehung ist meine Auferstehung. Gott wird auch mein Leiden beenden. Gott erhebt den Erniedrigten aus dem Staub. Gott wird sich zu mir, dem Menschen, bekennen. Ihn vollenden, seine Würde zurückgeben. Gott ist auf der Seite des Opfers – nicht auf der Seite der Täter.