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Jesus und die Folgen für die christliche Ethik

 

 

Aufgaben: Recherchiere in den folgenden Texten:

  1. Was sagt Jesus über das reale Verhalten der Menschen?
  2. Wie sollen Menschen sich verhalten?
  3. Wie verhält sich Jesus?

 

Matthäus 5-7 (Bergpredigt)

Matthäus 25,31-46

Markus 1-2

Lukas 10,25-37

 

 

Gott bringt sich in Jesus Christus zur Sprache - und er bringt zur Sprache, welche Verhaltensweisen er sich vom Menschen wünscht. Voraussetzung jüdisch-christlichen Glaubens: Glaube hat Auswirkung auf das Verhalten des Menschen. Das ist die Grundlage, die mit der Befreiung aus Ägypten gegeben ist, der Verhaltensanweisungen folgen: Gott schließt mit dem Volk einen Bund - dieser beinhaltet, dass man sich so verhält, wie es Gottes Willen entspricht. es werden religiös-kultische und religiös-soziale Verhaltensweisen gefordert.

 

Welche Folgen hat diese Aussage, dass Gott in Jesus Christus handelt, für die Ethik - und damit verbunden für das Menschenbild und das soziale Miteinander?

 

Jesus betont das Individuum. Es selbst muss entscheiden: Wie verhalte ich mich verantwortlich mit Blick auf den Willen Gottes? Gleichzeitig verlangt Jesus vom Individuum, dass es sich sozial engagiert, bis dahin, dass es sich zugunsten der Gesellschaft aufgibt, nicht die eigenen Vorteile sucht. Jesus befiehlt nicht, sondern er argumentiert in seinen Reden, lockt dazu, diese Vorstellungen zu befolgen, indem er Gleichnisse erzählt, indem er Regeln gibt - aber begründet, das heißt: Es sind nicht nur Befehle, die er gibt, sondern er versucht sie auf Vernunftbasis nachvollziehbar zu machen.

 

Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Vorstellung vom Reich Gottes - von einem Leben unter der Herrschaft Gottes: Wenn Gott herrscht, dann geht es gerecht zu und liebend. Menschen müssen nicht mehr leiden unter: Hunger, Krankheit, Behinderung, Knechtschaft durch Mächte oder Menschen, Ausgestoßensein, Erniedrigung... Das reich Gottes bedeutet: Schalom. Und diese Vorstellung ist Ausgangspunkt für das Verhalten des Individuums: Wenn es unter Gottes Herrschaft kein Hunger mehr gibt, dann muss ich mich jetzt dafür einsetzen, dass Menschen nicht mehr hungern, leiden, ausgestoßen sind - ich habe mich für den Schalom einzusetzen.

Allerdings ist Jesus nicht so naiv zu meinen, dass der Mensch in der Lage ist, selbst diesen Schalom herbeizuführen. Der Mensch hat sich so zu verhalten - herbeiführen wird Gott den Schalom. Siehe: https://evangelische-religion.de/lehre-jesu.html (6.1).

 

 

Seine Worte haben Folgen für

das Individuum - für die individuelle Lebensführung

  • Freiheit, Unabhängigkeit von Menschen - gebunden an Gottes Willen

 

Diese individuelle Lebensführung hat wiederum Folgen für die Gestaltung der Gesellschaft

  • Gemeinschaft zwischen: Gesunden und Kranken/Behinderten, Mann und Frau, Reichen und Armen.
  • Grundlage der Gemeinschaft sind, wie es in Jesu Tradition - gefordert in den 10 Geboten und von den Propheten - heißt:

Liebe/Güte, Friede, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit/Treue:

Güte und Treue begegnen einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich.

Psalm 85,11

  • Zur Frage nach dem Verhältnis von Glaubenden und Staat/Herrscher ist zu sagen: Der König war in alttestamentlicher Zeit nicht autark, sie standen im Fokus prophetischer Kritik. Herrscher sind Gott untergeordnet, haben nach seinem Willen zu handeln. Die Frage stellt sich, ob das auch in dem Wort Jesu deutlich wird, das im Kontext der Steuerfrage gesprochen wurde: Muss man dem römischen Kaiser Steuern geben?:

Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört,

gebt Gott, was Gott gehört. (Markus 12,13ff.)

  • Es wird deutlich: Zwischen "Staat" und "Kirche" wird getrennt. Gleichzeitig aber ist der "Staat" nicht von Gott losgelöst, denn alles gehört Gott, auch der "Staat". Jesus sieht es wohl so, dass es angebracht ist, den Kaiser in staatlichen Belangen zu unterstützen - gleichzeitig ist er aber frei zu entscheiden: Was gehört dem Kaiser, was Gott. Man ist darum frei zu entscheiden, weil man selbst auf jeden Fall eben nicht dem Kaiser, sondern Gott gehört, man ist somit frei.

 

Jesu Ziel:

Gelingendes Leben:

  • Für Jesus ist gelingendes Leben ein Leben, das Gottes Willen zum Wohl der Menschen ausführt.
  • Jesus kämpft gegen das Leiden an - greift somit die Theodizee-Frage auf: Nicht Gott will das Leiden - der Mensch soll dagegen angehen.
  • Jesus tritt für die Würde aller Menschen ein: mit Wort und Tat.
  • Es geht Jesus um selbst verantwortetes Leben, das in der Beziehung zu Gott als Vater gegründet ist.

 

Der Gesellschaft geht es gut, wenn es dem Individuum gut geht - dem Individuum geht es gut, wenn es der Gesellschaft gut geht. Aber das alles war keine neue Einsicht Jesu. Jesus trat mit dem Anspruch auf, den Willen Gottes, der dem Volk Israel bekannt war, wieder klar und deutlich - verschärfend und weiter führend - ins Bewusstsein zu rufen. Die Prägnante Weiterführung wird vor allem in der Feindesliebe deutlich:

Liebt eure Feinde! (Matthäus 5,44) (siehe Aufgabe 4: "intelligente Feindesliebe")

Weiterführung darum, weil Ansätze schon in Proverbia/Sprüche 25,21 und Exodus 23,4 ausgesprochen werden.

 

Jesus und seine Nachfolger fassen die alttestamentlichen Vorgaben zusammen:

a) in der Goldenen Regel, die in der positiven Form in unseren breiten von Jesus Christus her bestimmt ist (siehe unten Aufgabe 5):

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten. (Matthäus 7,12)

b) im Doppelgebot der Liebe (siehe unten Aufgabe 6):

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst. (Lukas 10,27; vgl. Markus 12,29-31!)

 

Aufgabe 1:

Jesus greift die Sehnsucht vieler Menschen nach einem solchen guten Leben auf - und das dürfte auch bis in die Gegenwart hinein die Sehnsucht vieler Menschen weltweit bestimmen. Kann sein ethischer Ansatz heute noch relevant sein? Kann er Basis oder Korrektiv sein?

 

Aufgabe 2:

Wenn Gott sich in Jesus Christus zur Sprache bringt - und auch die Verhaltensweisen benennt, die er sich wünscht - wie verbindlich/unverbindlich ist das für Christen? Nur für Christen - man bedenke: Es ist Gott, der Schöpfer der Welt, der Erhalter der Welt und der Vollender der Welt. Was ist, wenn Menschen sich nicht daran halten?

 

Aufgabe 3:

Vergleiche diesen Ansatz Jesu mit den unter "Philosophische Ethik 2" genannten Ansätze: Mit welchen gibt es Berührungspunkte? Welche schließen sich aus?

 

Aufgabe 4a:

Den Feind zu lieben bedeutet nicht, ihm um den Hals zu fallen und man kann nicht auf Befehl ein positives Gefühl für einen entwickeln, der einem feindlich gesonnen ist. Liebe ist eine Handlung, die dem anderen wohl tut. Und das kann man tun, auch wenn man den anderen nicht mag. Und so folgt auch diesem Auftrag, den Feind zu lieben, die Aufforderung: Betet für die, die euch verfolgen! Dem anderen Gutes tun bedeutet, wie der Text, der der Feindesliebe vorangeht, zeigt, dass man nicht die Gewaltspirale fördert und intelligente Feindesliebe übt - das heißt: überraschend handelt (siehe: https://evangelische-religion.de/bergpredigt-neuzeit.html). Denk Dir Situationen aus - oder entnimm welche den Nachrichten - an denen man testen kann: Was bedeutet es, die Gewaltspirale durch intelligente Feindesliebe zu durchbrechen?

 

Aufgabe 4b:

Kurz bevor Jesus öffentlich aufgetreten ist, gab es einen berühmten Zwischenfall in Israel. Pilatus wollte Kaiserbilder in Jerusalem aufstellen. Dagegen demonstrierten Juden, weil sie es als Gotteslästerung angesehen haben. Als Soldaten die Demonstranten umstellten, warfen sich die Demonstranten nieder und sagten, dass sie sich lieber umbringen lassen wollen, als die Gotteslästerung zuzulassen. Das durchbricht die Gewaltspirale - ist das mit "Feindesliebe" gleichzusetzen?

 

Aufgabe 4c:

Jesus war nicht naiv. Feindesliebe kann auch übel ausgehen. Kannst Du ein gravierendes Beispiel aus dem Leben Jesu nennen? Ja, seine Kreuzigung. Ist sie ein Gegenargument gegen das Gebot der Feindesliebe als Ausdruck des Willens Gottes?

 

Aufgabe 5:

Vergleiche die oben genannte positive Form der Goldenen Regel mit der negativen Form. Letztgenannte lautet:

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

Worin unterscheiden sich diese Verhaltensweisen?

 

Aufgabe 6:

Lieben bedeutet in der Zeit Jesu nicht, dass man nur ein positives Gefühl für einen anderen entwickelt. Liebe äußert sich in einer Tat, die dem anderen gut tut. Wenn man das bedenkt, was bedeutet dann die Forderung, Gott zu lieben? Wie tun Menschen im Sinne Jesu Gott etwas Gutes?

 

Mini-Exkurs

Wichtig ist: Das Sein geht dem Sollen voran. Das heißt: Der Mensch weiß sich von Gott geliebt - die Folge ist das Handeln im Sinne Gottes. Umgekehrt fordert die allgemeine Moral (auch leider die des Christentums), indem sie das Sollen vom Sein trennt: Du sollst so handeln, auch wenn du es nicht einsiehst. Du sollst so handeln, weil es gut ist, weil es die Gruppe fordert, weil es Tradition ist usw. Diese Sicht, die das Sollen betont, ist gesellschaftlich relevant. Die Sicht Jesu ist eher elitär, ist Ideal. Das Sein des Menschen: Er ist Ebenbild, hat eine Beziehung zu Gott, und aus dieser heraus handelt dann der Mensch liebend. Wie Meister Eckhart, der Mystiker sinngemäß sagte: Man soll nicht darüber nachdenken, was man tun soll, sondern darüber, wer man vor Gott - in Bezug auf Gott - ist. Daraus folgt dann das Handeln.

Es geht hier also nicht um Humes Gesetz (aus Seinsaussagen kann man keine Sollensaussagen machen), da das Sein aus Gott keine logische Vorgabe ist, sondern das Sein ein Beziehungsbegriff, der mit Gott zusammenhängt. Zudem bedeutet die "Sollensaussage" nicht, dass die Folge der Beziehung möglichst logisch konsequent/normativ ist (was laut Hume eben nicht geht), sondern: Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, welche Folgen sein Sein, seine Beziehung zu Gott in der Realisierung, also im Handeln, hat. Die Folge ist ein Handeln aus Liebe, das heißt eine, die dem anderen Wohl tut - aber was das konkret bedeutet, das muss der Einzelne aus seiner Beziehung zu Gott entscheiden.

Dass aus dem Sein der Gottesbeziehung die Liebe folgt, auch wenn "Liebe" weit gefasst ist, behält auf einer neuen Ebene das "Sein-Sollen-Muster" bei. Das darum, weil sie - wie auch immer Liebe konkret aussieht - von Gott in Jesus Christus vorgegeben ist. Aber das erkennt man nicht nur über biblische Schriften, sondern: Wer aus der Beziehung mit Gott (aus dem Geist Gottes) lebt, erkennt, dass dem so ist. Das Sollen ist dann kein Sollen mehr, sondern ein Leben im Sein.

 

Noch eine Anmerkung zu Humes-Gesetz:

Übrigens halte ich die gesamte Diskussion die aus dem Hume-Gesetz folgte, letztlich für gesellschaftlich nicht relevant. Da jede Gesellschaft nur funktioniert, weil man dieser Sein-Sollen-Argumentation folgt. Nachdenkenswert und ein wenig praktikabel finde ich allerdings die Ansätze der Diskursethik: Man hält alles so lange bei, bis man den jeweiligen Punkt ausdiskutiert bzw. sich geeinigt hat. Sollen folgt auf ein diskutiertes Sein, bis man ein neues "Sein" beschlossen hat - das man dann allerdings wieder zur Disposition stellen muss, denn aus dem Sein kann ja kein Sollen folgen. Ob das realistisch ist, und den Zusammenhalt einer Gesellschaft fördert, muss man freilich diskutieren - freilich: Die gesamte Diskursethik hat selbst die Basis im Sein-Sollen...