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Krieg und Frieden: Neuzeit
In den Abschnitten 1-2 wird nur das dargestellt, was in der Neuzeit relevant geworden ist. Detailliertere Sicht s. die vorangegangenen Beiträge.
Grundlegende Literatur:
1. Bibel
Altes Testament*:
Es gibt im AT viele Stellen, die schonungslos die Gewalt der Menschen darstellen, verbunden mit dem damaligen Gottesbild. Neben diesen überwiegenden Gewalttexten, aus der Geschichte erklärbar, gibt es einzelne Texte, die Schrittweise der Gewalt etwas anderes entgegensetzen. In das Ringen des Menschen um Gewalt und Schalom (umfassender Friede) wird Gott mit hineingezogen - bringt sich Gott immer wieder zur Sprache:
* Es wird im kommenden Abschnitt das geschildert, was aus heutiger Perspektive neu und weiterführend war – also die nicht militärische Sicht.
Neues Testament: Jesus Christus
Jesus setzt neue Akzente: Die heile/vollkommene Welt wird Gott herbeiführen, doch der Mensch soll jetzt schon das Seine dafür tun.
2. Kirchengeschichte
Frühe Christen: Pazifismus
Diese Vorstellung Jesu beherrschte die frühe Christenheit bis ins 3./4. Jahrhundert in offiziellen Schriften, es wird aber deutlich, dass in der Realität auch (einzelne?) Soldaten Christen waren.
Augustinus (+430) / Thomas von Aquin (+1274): Reich Gottes – Reich der Menschen
Ab diesem Zeitpunkt wurde durch Augustinus intensiv über das Verhältnis von Kirche und Staat nachgedacht (Reich Gottes – Reich der Menschen [diese Unterscheidung ist schon neutestamentlich]). Dieses Verhältnis wurde im Laufe der Kirchengeschichte unterschiedlich beschrieben – und je nach Beschreibung entsprach der Friede der Herrschaft Gottes – im Bereich der Herrschaft des Menschen müssen Wege gefunden werden, ihn mehr oder weniger durchzusetzen.
Augustinus lehrte in einer Zeit des Krieges (Vandalen griffen Rom an), des Untergangs des alten römischen Reiches (476), dass für den Frieden im Reich der Menschen – dem sündigen Teil – eine realistische Sicht vorzuherrschen habe – der Krieg durch Regeln begrenzt werden muss. Und in diese bezog er auch traditionelle Friedensgedanken ein (Cicero). Diese wurden dann vom großen Denker im Hochmittelalter, Thomas von Aquin weitgehend übernommen. In diesen ging es darum, den Krieg zu begrenzen. Folgendermaßen kann die Intention zusammengefasst werden:
Erasmus von Rotterdam (1518)
Seine Friedensschrift sah Erasmus als eine im Auftrag des Habsburger Herzogs Karl, Franz I. von Frankreich und Papst Leo X. an und sollte den Teilnehmern eines geplanten Friedenskongresses (der nicht stattgefunden hat) als Denkanstoß dienen. Auf dem Friedenskongress sollte die Lage in Italien geordnet werden. Gewidmet wurde die Friedensschrift dem Bischof von Utrecht, der als Mediator dienen sollte. Friedensarbeit ist Folge christlicher Ethik, sie ist Aufgabe aller, nicht nur der Herrscher. Erasmus vertritt nicht allein pazifistische Sicht, sondern argumentiert zivilrechtlich: Voraussetzung des Friedens ist eine christliche Gestaltung der Gesellschaft (vgl. Jesus). Er griff die Herrscher an, weil sie Kriege führten, um sich selbst Macht, Ehre und Besitz anzueignen und appelliert an deren christlichen Glauben. Er wendet sich dagegen, dass moderne Waffen den Namen von Aposteln bekommen. Krieg wird als Krankheit angesehen – nicht als Folge der Vernunft. Wenn Menschen unbedingt Krieg führen wollen, dann gegen den expansiven Islam. Zu Erasmus s. auch: http://evangelische-religion.de/krieg-frieden-kirchengeschichte.html
Pazifismus im Mittelalter und der frühen Neuzeit und Friedensbewegungen bzw. Friedensschriften
Die strenge pazifistische Sicht Jesu kam immer wieder in der Kirchengeschichte zum Vorschein. So bei Franz von Assisi (+1226) und zahlreichen Gruppen: Hussiten/Böhmische Brüder, Quäker, Mennoniten…. Als erste europäische Friedensbewegung wird im 10. Jahrhundert der Versuch gesehen, den Frieden Gottes unter dem Adel durchzusetzen (Pax Dei). Ebenso wandten sich Alkuin und bayerische Bischöfe gegen gewaltsame Sachsenmissionierung durch Karl dem Großen. Erziehung/Bildung soll das erreichen, nicht Gewalt.
3. 19. und 21. Jahrhundert
Moderne Zeit: christliche Kirchen, Gruppen und Individuen:
Durch die vielen militärischen Auseinandersetzungen in Europa wurde die Waffentechnik immer ausgefeilter, dann aber auch der Schiffsbau immer besser, die Kriegstaktiken wurden raffinierter, sodass dann ab dem 15. Jahrhundert Länder von Europa (Portugal, Spanien, Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Russland) den anderen Weltmächten und Kontinenten überlegen war. Mit Militarismus brachte Europa Reichtümer auf den Kontinent; mit einem aufgrund des Reichtums ermöglichten riesigen Unterdrückungsapparates wurden Völker gegeneinander ausgespielt und gefügig gemacht, wurden Herrscher bestochen und Völker aufgewiegelt. Seit dem 15. Jahrhundert betrat Europa im Grunde wieder die Bühne der Weltpolitik. Und in diese Politik hinein gab es dann einzelne Menschen und Gruppen, die andere Akzente setzen wollten.
Manche versuchten, dem Individual-Pazifismus durch Vernetzung mit anderen Gruppen gesellschaftspolitisch größeres Gewicht zukommen zu lassen; andere versuchten, die traditionelle Sicht vom Krieg als ultima ratio (letzte denkbare Möglichkeit) zu begründen.
Zwei-Reiche-Lehre
Ausgehend von Paulus beschreibt vor allem Augustinus die Welt als eine der zwei Reiche: a) Reich Gottes und b) Reich der Menschen. Das Reich Gottes ist göttlich, das Reich der Menschen ist sündig. Gott greift in die sündige Welt ein, um in ihr sein Reich sichtbar werden zu lassen. Diese Zwei-Reiche-Lehre wurde in der Folgezeit unterschiedlich ausgeführt. Hier sei nur gesagt:
Es gibt keine christliche Politik, Wirtschaft, Kunst… Nur Christen in der Politik, Wirtschaft, Kunst… - und die Christen haben das durchzusetzen, was Jesus vor Augen stand. Das aber auch im Bewusstsein der Mehrstimmigkeit. Christen leben noch nicht im Reich Gottes, sie sind Teil des Reichs der Menschen, somit auch Teil der sündigen Welt. Christen sind als Christen in ihren Berufen; nicht: Christ zu Hause - Nicht-Christ im Beruf.
Von daher: Das Schauen auf die mächtigen Kriegsfürsten entspricht der traditionellen Geschichtsschreibung. Sie ist aber zu revidieren zugunsten der einzelnen aktiven Menschen. Es waren einzelne Christen oder kleine Gruppen (Mennoniten…), die im Laufe der Kirchengeschichte die pazifistischen Worte Jesu ernst nahmen. Erst im 20./21. Jahrhundert wurden diese Aktionen durch eine breitere Basis aufgenommen und mit der moderateren Sicht (Augustinus) verbunden. Einzelne Christinnen und Christen waren Salz der Erde, Licht der Welt, die sich mit anderen wenigen zusammengetan haben - zum großen Teil aber gar nicht mehr bekannt sind, weil sich Geschichtsschreibung traditionell auf die Kriegsherren konzentrierte. Der alte Kampf zwischen Institution und „Charisma“ – den wir schon im AT erkennen (Könige/Priester gegen Propheten) – wird auch in dieser Frage sichtbar.
Anmerkung 1: In der Orthodoxen Kirche Russlands konnte sich im 20. Jahrhundert keine ähnliche Friedensbewegung etablieren, da die orthodoxe Kirche in der Hand des Staates lag, der für sich in Anspruch nahm, die sozialistische/kommunistische Friedensbewegung schlechthin zu sein. Als Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen hatten sie aber auch Teil an dessen Friedensprojekten, allerdings bestand immer der Verdacht, dass die russisch Orthodoxe Kirche der verlängerte Arm des Sowjetstaates war. Das hat sich bis heute nicht geändert, da die Orthodoxe Kirche ein anderes Verständnis von der Trennung von Staat und Kirche hat als es im Westen vorherrscht.
Anmerkung 2: Die Fragen stellen sich:
Ist Waffengewalt ultima ratio? Es ist nicht immer deutlich, wann Kämpfe verantwortet werden können, so zum Beispiel: War der Kampf der Alliierten gegen Hitler/Japan richtig oder falsch? Oder ist Waffengewalt ganz abzulehnen?: Vielleicht wäre auch das Hitlerregime wie das der Sowjets irgendwann in sich selbst zusammengefallen. Was ist der Maßstab für richtiges Handeln? Aufrechnen der Anzahl der Opfer? (Aus meiner persönlichen Perspektive stellt sich die Frage nicht: Wenn man die Biographien liest, die von Verfolgten aus der damaligen Zeit berichten, dann war der militärische Kampf gegen den Faschismus richtig.)
Manche meinen, Kämpfe können nie richtig sein. Manche meinen, intelligente Feindesliebe bekommt Gewalttäter in den Griff. Manche setzen Individual-Verantwortung und Kollektiv-Verantwortung in eins. Manche sehen diese Aspekte gerade andersherum: Es gibt notwendige Kämpfe, man darf aufgrund von Individual-Pazifismus nicht alle Menschen eines Staates leiden lassen. Manche sehen in einer Art "Militär" des passiven Widerstandes und der Sabotage eine Lösung. So lange eine Gesellschaft solche Diskussionen zulässt, so lange ist es gut.
Recht durchzusetzen, um eine friedvolle Gesellschaft zu erreichen, geht nicht immer friedlich, vor allem wenn es eine friedlose, gewalttätige Gesellschaft ist, die diszipliniert werden muss. Maßstab für Recht ist das Menschenrecht. Aber: Sind Menschenrechte eine weltweit anerkannte feste Größe?
Ohne die Vision vom Frieden/Schalom, die in der Bibel grundgelegt ist, die Vision vom ganz neuen Zusammenleben der Menschen, kann wohl der Wettlauf gegen Menschen, die Gewalt und Waffen betonen, nur schwer gewonnen werden. Frieden bedeutet aber nicht nur Abwesenheit vom Krieg - sondern Friedensarbeit ist alle Bereiche menschlichen Lebens umfassend (innerer Friede, spiritueller Friede, sozialer Friede, wirtschaftlicher Friede, zwischenstaatlicher Friede).
Entsprechend geht es nicht mehr darum, einen gerechten Krieg zu definieren, sondern einen gerechten Frieden in den Blick zu nehmen. Es gilt, eine Friedensethik zu konzipieren. Aber aus christlicher Perspektive ist sie nur durch den Glauben an Jesus Christus weiterzutreiben. (Auch Pazifismus kann Militanz entfalten.)
Moderne Zeit: christlicher Kulturkreis:
Matthias Bernegger (1620): Tuba Pacis – gegen Kriegshetze; Emeric Crucé (1623): Friedensplan für Europa und die Welt; Maximilien de Béthune (1638): Friedensgeheimplan – Fiktion, aber weitreichende Auswirkung. Abbé Saint Pierre (1658-1743): Traktat vom ewigen Frieden. Vgl auch: Westfälischer Friede (24.10.1648 – nach 5 Jahren Verhandlung) – europäische Friedensordnung gleichberechtigter Staaten und Miteinander der Konfessionen. Realismus ist Maßstab für politische Einigung. Über dem Vertrag steht: „im Nahmen der Hochheyligen untheilbaren Dreyfaltigkeit, Amen“
Immanuel Kant (Schrift: „Zum ewigen Frieden“ – 1795) hat mit seiner Friedensschrift darauf Wert gelegt, dass der Krieg nicht einfach eine Normalität ist, sondern ein Übel, das Menschen machen, entsprechend auch durch Einsetzen des Verstandes die Pflicht haben, diesen zu beenden. Das bedeutet: Einen föderalen Friedensbund zwischen Ländern zu schließen, der sich immer weiter ausweitet, bis er die Welt umspannt. Der Mensch ist bösartig, gibt sich aber dennoch eine Ordnung, seine Natur treibt ihn dazu, damit er trotz Boshaftigkeit mit anderen leben kann (der Mensch/Bürger – nicht die Könige). Wenn Menschen durch Vernunft Recht herstellen können, müsste es auch zwischen den Völkern möglich sein. Zustand der Wildheit führt letztlich zum Völkerbund. Seine Schrift ist Höhepunkt europäischer Friedensliteratur.
Beginn des 20. Jahrhunderts: Parallel zu den kirchlichen Bewegungen gab es auch bürgerliche Bewegungen, allerdings mit sehr unterschiedlichen Zielen und politischen Ambitionen. Ebenso radikaler Pazifismus (1892 Deutsche Friedensgesellschaft - Bertha von Suttner zusammen mit Alfred Hermann Fried: Nie wieder Krieg! (z.B. Kurt Tucholsky), Revolutionäre Pazifisten (Kurt Hiller 1926 ohne bzw. mit Sozialismus verbunden), anarchische Pazifisten (Erich Mühsam); Atompazifismus (Physiker: Max Born, Otto Hahn, Albert Einstein, aber auch Albert Schweitzer, Bertrand Russell). Im Gegensatz zu den amerikanischen Gruppen waren die europäischen Gruppen weniger christlich orientiert, eher liberal / Freidenker: Friedenskongresse ab 1843 – berühmt z.B. Richard Cobden, aber unterstützt vom Quäker John Bright. Weitere Aktivisten, z.B.: Hodgson Pratt. 1901: Friedensnobelpreis; 1907: Haager Friedenskonferenz; 1959 gründete Johan Galtung das erste Friedens- und Konfliktforschungsinstitut (Oslo: PRIO); 1968: Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK); 1970: das älteste Friedensforschungsinstitut in Deutschland ist das „Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung“.
In Zeiten, in denen sich so viele für Frieden eingesetzt haben wie nie zuvor (Beginn des 20. Jahrhunderts), gab es die schlimmsten Kriege: 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg (Europa und Asien), die Auseinandersetzungen in der Sowjetunion und später in China aufgrund des gewalttätigen Kommunismus. Das zeigt auch die Machtlosigkeit von Menschen und die Emotionalisierbarkeit von Menschen durch Propaganda.
Moderne Zeit: asiatischer Kulturkreis (weitere Details siehe: Nachtrag)
Es gibt zwar traditionelle Ansätze gegen Krieg (Konfuzius, Buddhismus, Hinduismus), die aber keine politischen Auswirkungen hatten. Auch dem Jainismus – dem auch Buddha (Siddharta Gautama) zunächst anhing – ging es um den Frieden des Individuums, Lösung vom Leid durch Erwachung – nicht durch Friedensarbeit. Ashoka (3. Jh. v.Chr.) ist im Buddhismus hervorzuheben, weil er in seinem späteren Leben versuchte, eine ethisch orientierte Friedens-Politik zu betreiben (s.u.). Er geriet aber in Vergessenheit. Konfuzius sah den Frieden dann gewährleistet, wenn die Menschen die gesellschaftlichen Hierarchien einhalten. Hinduistische Tradition wurde durch die Begegnung mit dem Christentum neu interpretiert, so auch Ahimsa (Gewaltlosigkeit) durch Gandhi (ab 1915), beeinflusst von der intelligenten Feindesliebe Jesu/Tolstoi. Schrift: Manusmarti (bis ca. 200 n.Chr.), eine Brahmanen-Lehre, lehrt neben das Kastensystem auch, dass nur Verteidigungskriege erlaubt seien. Insgesamt aber Ambivalenz im Hinduismus, z.B. Baghavadgita: In ihr wird der Kampf zur Wiederherstellung der göttlichen Ordnung legitimiert. Und so hat sowohl Gandhi in der Begegnung mit der Bergpredigt Ahimsa/Gewaltlosigkeit aus der Gita erschlossen wie auch die Hindufanatiker aus dieser Gita-Tradition in Verbindung mit dem Westen Kriegerethik entnommen.
In den 1960er Jahren begann sich auch langsam eine größere buddhistische Friedensbewegung zu etablieren – gleichzeitig mit der Öffnung zum Christentum.
Zu nennen ist in der Gegenwart in Vietnam/ Europa: Thich Nhat Hanh, in Japan Schin´ichi Hisamatsu; der Jesuit Aloysius Pieris versucht Christentum und Buddhismus in ihrem Engagement zusammenzuführen: Liebe und Weisheit gehören zusammen (Liebe = Christentum; Weisheit = Buddhismus). 1975 wurde die Soka Gakkai International gegründet – eine Gruppe, die aus einer militant-religiösen Gruppe des Nichiren-Buddhismus entstanden ist. Sie hat - so sehen es manche - sektenhaften Charakter und setzt sich auch als UN-NGO intensiv gegen Atombewaffnung ein.
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Nachträge:
Siddharta Gautama (ca. 500 v. Chr.) – genannt Buddha – lehrte den „Edlen Achtfachen Pfad“: Rechte Erkenntnis, Gesinnung, Rede, Handeln, Lebenswandel, Streben, Achtsamkeit, Sichversenken. Diese hat den Frieden des einzelnen Menschen im Blick. Politisch hatte dieser kaum Auswirkungen. Bekannt ist Kaiser Ashoka geworden.
Kaiser Ashoka (304-232) führte massive Kriege – machte dann aber eine Kehrtwende und förderte den Frieden, indem er nicht die Länder zurückgab und die Sklaven freiließ, sondern sein Reich festigte. Er verbot weitere Kriegführung, forderte in seinem Reich von den Untertanen, nicht gewalttätig zu sein, ebenso wurden Tieropfer verboten. Er sicherte Frieden nach innen – auch durch Errichtung von Krankenhäusern. Er ließ seine Sicht in Säulen meißeln. Die Durchführung wurde von hohen Beamten überwacht, Widerstand wurde mit dem Tod bedroht. Seine Sicht wurde vergessen und erst wieder im 19./20. Jahrhundert durch britische Archäologen entdeckt.
In der Gegenwart ist der Dalai Lama (*1935), der Vertreter des Tibetanischen Buddhismus weltweit dafür bekannt, dass er für den Frieden eintritt. Gewalt ist Folge fehlgeleiteter Emotion. „Schlüssel für den Frieden“: Bildung, allgemeingültige Ethik – Mitgefühl, Toleranz, Gewaltlosigkeit. Mit diesen sei Wut, Angst und Verzweiflung zu besiegen.
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Der Islam hat in der Vergangenheit keine eigenen Friedensbewegungen hervorgebracht bzw. Menschen, denen der Frieden vor allem auch der Pazifismus besonders wichtig ist. Allerdings wird in der Neuzeit durch die Ahmadiyya-Gemeinschaft, die sich dem Islam zugehörig fühlt – aber von Sunniten wie Schiiten abgelehnt wird – der Frieden betont. Der Prophet Mohammed habe einen Messias prophezeit, der als geistiger/spiritueller muslimischer Jesus wieder erscheinen wird – aber dem Propheten Mohammed untergeordnet sein wird. Dieser Jesus ist in Mirza Ghulam Ahmad (1835-1908; geboren in Britisch-Indien) Wirklichkeit geworden. Der Prophet bestätigt die Lehre des Koran dadurch, dass er ihn metaphorisch auslegt, ihn mit der Neuzeit kompatibel erklärt. Auf dieser Basis verbreitet er die friedliche Lehre auf friedliche Weise und 300 Jahre nach seinem Auftreten werde dieser Friede vollkommen erreicht werden.
Christliche Tradition wurde aufgenommen und mit der islamischen Grundlage in der Interpretation von Mirza Ghulam Ahmad verbunden.
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Die Bahai, ebenfalls eine im islamischen Kulturkreis entstandene religiöse Gruppe, lehren, dass Gott im neuen Propheten Bahá’u’lláh (1817-1892; Iran, Osmanisches Reich) erschienen ist. Diese neue Religion fasse alle anderen Religionen zusammen und werde sich weltweit durchsetzen und einen friedevollen Staat Gottes erschaffen. Sie sieht sich als Weiterentwicklung aller Religionen an und ehrt entsprechend auch Buddha, Jesus und Mohammed als einen Vorläufer. Sie hat eine enge Führungsstruktur und trotz mancher modernisierter Aspekte ist sie sehr gesetzlich orientiert. Nichtsdestotrotz wurde die Bahai im Westen als eine Religion des Friedens rezipiert, vor allem aufgrund des Wirkens des Sohnes des Propheten Abdul-Baha (1844-1921), der von seinen Anhängern als einer gefeiert wurde, der für den Frieden kämpft. 1913 traf er in Wien mit Bertha von Suttner zusammen und wurde auch von den Briten für seinen humanitären Einsatz geehrt.
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Im Sufismus – eine mystische Bewegung innerhalb des Islam, die allerdings älter ist als der Islam – wird die Liebe betont, die Liebe zu Allah, die Vereinigung mit Allah bzw. dem göttlichen Grund, durch Auflösung des Ich in Allah hinein. (Vergleichbar mit Siddharta Gautama – der allerdings nicht Gott betonte, sondern von einem "Urgrund" sprach, bzw. ansatzweise mit der mittelalterlichen Mystik in Europa.) Die Liebe gilt dann laut Al-Ghazali (1058-1111) all denen, die Allah lieben – der Kampf ist gegen die zu führen, die Allah ablehnen. Jesus wird als „Prophet der Liebe“ bezeichnet.
Literatur: