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Christliche Sexual-Ethik

 

 

Aufgabe:

Wie sollten Menschen - mit Blick auf ihre Sexualität - miteinander umgehen?

Nenne Verhaltensweisen, von denen Du Dir wünschst, dass sie für alle Menschen verbindlich sind?

Warum wünschst Du Dir entsprechende Verhaltensweisen?

 

Es gibt nicht die eine christliche Sexual-Ethik. In den folgenden Abschnitten werden ein paar wesentliche Aspekte aus meiner Sicht genannt.

 

1. Der Mensch kann seine Sexualität beherrschen

Der Mensch ist auch mit seiner Sexualität Teil der Natur. Aber er ist von seiner Sexualität nicht abhängig, sondern kann sie seinem Willen unterstellen. Das ist wesentlich für eine christliche Sexual-Ethik: Der Mensch muss nicht Sklave seiner Sexualität sein – so kann er zum Beispiel ein Leben ohne Sexual-Partner wählen. (Mönche, Nonnen, Zölibat. Manche müssen ohne einen Sexualpartner leben – kreisen aber gedanklich, körperlich immer um diesen "Verlust"; Christen können sich sagen: Ich muss nicht! – sie sind freier; sie können sagen: Ich muss nicht – wenn Gott mir keinen Partner geben will. Oder: ich muss nicht - wenn ich nicht will oder anders sexuell orientiert bin, als mein Glaube es für gut heißt.)

 

2. Richtlinien zum richtigen Umgang mit der Sexualität

Die Sexualität ist geprägt von den Traditionen, den Normen, in denen ein Mensch aufwächst, weil in den Traditionen und Normen Erfahrungen von Menschen verankert sind. Der Vorteil eines Menschen ist, dass er Erfahrungen weitergeben kann, damit der andere Mensch nicht dieselben Irrtümer begeht. Und so finden wir im Alten und Neuen Testament Erfahrungen, die zu berücksichtigen sind. Wie ein Kind lernt: Pass auf, du verbrennst dir die Finger, wenn du die Platte anpackst – also zum Lernen der Gefahr die Platte nicht anpacken muss –, so lehrt auch zum Beispiel Jesus, dass Ehepaare sich nicht scheiden lassen sollen. Dahinter stehen kollektive schmerzhafte Erfahrungen: Trennungen bedeuten Schmerz, Einsamkeit usw. Dahinter stecken auch vernünftige Überlegungen, die aus Beobachtungen gefolgert werden. Nimmt man diese Warnung an, ist man der Gefahr entgangen. Nimmt man sie nicht an, muss man die Schmerzen ertragen – wie das Kind, das dennoch die Herdplatte berührt. Nun machen Menschen jedoch die Erfahrung, dass es manchmal besser ist, sich zu trennen – davon spricht zum Beispiel Paulus im 1. Korintherbrief im Kapitel 7. Das heißt: Aus neutestamentlicher Sicht wird der Mensch davor gewarnt, sich zu trennen – aber andererseits kann es manchmal für Menschen besser sein. Und diese Spannung zwischen der Warnung davor sich zu trennen – und sich trennen, muss in Übernahme von Verantwortung geschehen, damit Leiden möglichst gering bleibt. Also: Der Verstand muss eingesetzt werden.

 

Die christliche Religion gibt Hilfen, Richtlinien – aber diese Richtlinien sind kein Gesetz, sondern Hilfestellungen, um verantwortlich, mit Verstand, zu handeln. Freilich ist der Mensch normalerweise so eingestellt, dass er meint, verantwortlich zu handeln, aber dann im Grunde nur seinem eigenen Drang nachgeht. Um das möglichst zu vermeiden, gehört zu einem verantwortlichen Handeln unbedingt hinzu: Sich möglichst eng an das zu halten, was im Neuen Testament angemahnt und in der Gemeinschaft der Gemeinde gelebt wird.

Als wichtige christliche Richtlinie der Tradition gilt auch, nicht vor der Ehe miteinander Geschlechtsverkehr zu haben. Diese Tradition wird auch von Jugendlichen weltweit aufgegriffen: https://www.edarling.de/ratgeber/sexualitaet/enthaltsamkeit

 

 

3. Vom Sinn traditioneller rigoroser Vorgaben

Dass die Kirchen in der Vergangenheit häufig rigoroser, fordernder gehandelt haben, das hängt damit zusammen, dass sie aufgrund ihrer Dominanz in der Gesellschaft mit für das soziale Miteinander der Gesellschaft verantwortlich waren – und auch in der Tradition der Völker, in die sie hineinkamen, standen. Mit Sexualität war (und ist) vielfach Leiden verbunden. Denn Frauen sollten nicht sexuell ausgenutzt werden - darum wandte man sich gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr und Ehescheidung; Kinder sollten bei den Eltern aufwachsen können, nicht auf der Straße herumvagabundieren, Gefahren ausgesetzt sein, auch darum war man gegen Ehescheidung. Menschen sollten sich in der Partnerschaft sicher fühlen und nicht ständiger Friedlosigkeit ausgesetzt sein. Mit der Sexualität ist nicht wenig Gewalt verbunden, Depression, Lüge, Verrat, Eifersucht - kurz: gesellschaftlicher Unfriede. Jede Gesellschaft versucht, die durch Sexualität hervorgerufenen Spannungen in Grenzen zu halten. Somit auch die Kirche. Heute lösen sich viele Menschen von Vorgaben der Kirchen – und versuchen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Der Vorteil heute gegenüber früheren Zeiten besteht darin, dass Alleinerziehende trotz aller Mängel doch (zumindest in unserem Land) weitgehend versorgt werden - und somit besser überleben können, dass ungewollte Schwangerschaften weitgehend vermieden werden können. Und das kann auch negativ sein, denn das macht leichtsinnig. Der Körper fordert, die Seele leidet.

 

4. Sich selbst Maßstäbe setzen - unter Berücksichtigung der Tradition

Die Kirche kann nicht mehr allgemein verbindliche Vorgaben geben. Aus der Vergangenheit können wir nichtsdestotrotz lernen: Die eigenen Ansprüche an sich selbst sind möglichst hoch zu stellen – man kann sie zwar nicht immer durchhalten, aber das zu versuchen, bewahrt davor, Sklave seiner Sexualität zu werden. (Der griechische Philosoph Aristoteles unterschied zwischen zwei Grundlagen des Handelns: Orexis, das heißt, der Mensch handelt nach seinen Trieben; er hat jedoch den Logos bekommen, der die Triebe beherrschen kann und der ihn dazu befähigt zu bestimmen, ob er den Trieben nachgeben oder widerstehen soll.) Wenn man dann seinen Ansprüchen nicht genügt hat, weil der sexuelle Drang den Verstand dominiert, dann nicht in Schuld-Depressionen fallen, sondern den Verstand einsetzen – und das für alle Beteiligten Beste - in verantwortlicher Liebe - daraus machen.

Und: Vom Neuen Testament her gesehen: Man sollte die eigenen Ansichten in die Diskussion werfen, auch wenn sie gesellschaftspolitisch nicht unbedingt anerkannt sind.

 

 5. Maßstab christlicher Sexualethik

Der Maßstab für ein christliches Leben ist nicht: Folge dem Lustprinzip. Dieses abzulehnen, ist nicht typisch christlich. Sie ist auch Maßstab buddhistischen und verantwortlichen philosophischen Handelns. Denn der Mensch kann über die Gewinnung von Lust hinausschauen: Kann es sein, dass mir das jetzt Lust bringt – danach aber viel Leid? Auch stellt man sich als Christ nicht selbst in den Mittelpunkt, sondern denkt für den Nächsten mit: Was bedeutet mein Handeln für das Zusammenleben mit den anderen? Christlich ist: Seine Sexualität aus der Beziehung zu Gott heraus zu leben.

 

 6. Sexual-Kultur

Der Mensch veredelt alles (Nahrungsaufnahme ⇒ Ess-Sitten; Schlafen ⇒ Schlafkultur; Kleidungssitte ⇒ Bekleidungskultur; Aussehen ⇒ Schönheitspflege; Hygiene ⇒ Duftkultur) – und so hat er auch gelernt, seinen sexuellen Drang zu veredeln. Kurz: Liebe + Kultur gehören zur verantworteten Sexualität des Menschen dazu.

 

7. Verlässlichkeit und Treue

Christliche Sexualethik führt den Vorteil von Verlässlichkeit und Treue zwischen Menschen vor Augen. Gerade auch im Bereich der Sexualität, denn ohne Verlässlichkeit und Treue ist Sexualität für die meisten Menschen kein schönes und angenehmes Erlebnis. Ein weiterer Aspekt ist, dass man füreinander und für die Kinder Verantwortung trägt. Bewusste Verlässlichkeit, Treue, Verantwortung - das ist etwas, was Menschen über das Tier hinausführt, was den Menschen als Wesen, das nicht nur aus Körper, sondern auch als Geist besteht, besonders angemessen ist.

Bevor aber Verlässlichkeit, Treue, Verantwortung greifen können, wird der christlichen Sexualethik noch etwas anderes bedeutsam: Eine Partnerschaft muss freiwillig eingegangen werden und das Miteinander muss einvernehmlich gestaltet werden.

Wenn das alles vorausgeht und immer wieder neu zwischen den Partnern erkämpft, erstritten, erarbeitet wird, dann erkennt christliche Ethik noch eine ganze Menge an positiven Verhaltensweisen: man vergibt einander, man schützt und verteidigt einander, man ermöglicht immer wieder einen Neuanfang, denn der Mensch ist trotz guten Willens und guter Vorsätze einer, der gerade auch im Miteinander ständig versagen kann.

Dieses Miteinander ermöglicht denn auch, dass Kinder in einem guten Umfeld aufwachsen können.

 

 

Homosexualität und Aussagen der Bibel und von Christen zur Homosexualität

 

Jüdisches Volk

Es kam dem jüdischen Volk darauf an, Nachkommen zu zeugen: Homosexualität galt als Verstoß gegen das Gebot, Nachkommen zu zeugen („seid fruchtbar und mehret euch“). Es gab eine Heiratspflicht und Sexualität außerhalb der Ehe war verboten („du sollst nicht Ehe brechen“). Darüber hinaus versuchte sich das jüdische Volk in Fragen der Reinheit von seiner Umwelt abzugrenzen. Dazu gehört die Ablehnung der Kultprostitution wie homosexueller Handlungen (Lev. 17; 1Kön 15; 2Kön 23).

 

Griechenland/Rom/Germanische Stämme

Knabenliebe war in Griechenland anerkannt – homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen waren in Athen verpönt. Der erwachsene Liebhaber übernahm die Ausbildung des Jungen/Jugendlichen. (Ähnlich in manchen germanischen Stämmen). Erwachsene Sklaven oder Fremde prostituierten sich – Bürgern wurde, wenn sie sich prostituierten, das Bürgerrecht entzogen. In der Umgebung Athens sah es anders aus: Gleichgeschlechtlicher sexueller Umgang zwischen Erwachsenen war zum Teil erlaubt. Knabenraub galt auf Kreta als eine Art Initiationsritus. In altrömischer Tradition wurden homosexuelle Handlungen abgelehnt. Von Athen kam die Sitte der Knabenliebe nach Rom, wurde jedoch auf sexuelle Kontakte hin eingeschränkt, somit waren die Knaben eher Sklaven, das heißt: die erwachsenen Liebhaber hatten mit deren Ausbildung usw. nichts zu tun. Passives Verhalten (= „weibliches“ Verhalten) erwachsener  Männer wurde hier wie dort abgelehnt, freilich praktiziert. Unter Strafe wurden manche Formen seit dem 2. Jh. v. Chr. gestellt – auch in der Armee. Im 2./3. Jh. n. Chr. wurde die gleichgeschlechtliche Liebe durch die (ethisch orientierten Philosophien) Stoa und dem Neu-Platonismus weiter zurückgedrängt.

 

Christentum

Mit der jüdischen Tradition lehnt das Christentum homosexuelle Handlungen ab. Sie sind wie Ehebruch Ausdruck dafür, sich von sexueller Begierde bestimmen zu lassen (1Kor 6,9); abgelehnt wird auch die sexuelle Ausbeutung von Kindern (1Tim 1,9-10). Der Mensch wird durch seinen christlichen Glauben ein neuer Mensch, ein Mensch, der nicht mehr Sklave seiner Sexualität ist (das gilt für homosexuelle Handlungen wie dem heterosexuellen Umgang). Durch diese innere Haltung grenzte man sich gegen die alltäglichen sexuellen Auswüchse der Umwelt ab, die, wie manche Schriften erkennen lassen, vor allem im heidnischen Bereich Gang und Gäbe waren (Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, Prostitution). Das war die Stärke des jüdischen und christlichen Glaubens, auch die sexuelle Würde des Menschen in den Blick zu bekommen. Weil die Herrschaft der Sexualität eingeschränkt war, konnten Männer, Frauen und Kinder gemeinsam in der Gemeinde leben, ohne dass sie sexuell gefährdet waren. Das ging so weit, dass auch Frauen die Freiheit bekamen, sich sexuell zu verweigern. Asketisches Leben von Männern und Frauen bis hin zur Leibfeindlichkeit war nur eine Folge dieser freien christlichen Einstellung zur Sexualität. Das Christentum kam an die Macht – und dann wurde die Ablehnung der Homosexualität (wie seit Augustus) im Gesetzestext festgehalten. Es ging somit nicht mehr um die innere Einstellung, sondern um das vom Staat geforderte Verhalten. In der Zeit des christlichen Mittelalters (seit Justinian I. - 538/559) konnte Homosexualität mit Blick auf Sodom und Gomorrha abgelehnt werden – wegen der Angst, dass Gott das unsittliche Volk Strafen würde. Freilich verwendete Justinian das Gesetz, um auch kirchliche Gegner zu verfolgen (Prokop). Erst im 12./13. Jh. wurde (im Zusammenhang mit den Kreuzzügen) massiv gegen Homosexuelle vorgegangen.

 

Christentum in der Gegenwart

In der neutestamentlichen Zeit war nicht bekannt (was auch heute noch umstritten ist), dass die Neigung zu gleichgeschlechtlichen Menschen auch angeboren sein kann. (Es ist schwer zu beurteilen, weil die dahinterstehende Ideologie immer auch dominant ist: Während Homosexuelle weitgehend davon ausgehen, dass sie angeboren ist, sehen Vertreter des Gender-Weltbildes geschlechtliches Empfinden als kulturelles Erbe - somit als variabel - an.) Ebenso kannte man aus den heidnischen Kreisen aufgrund der oben genannten gesellschaftlichen Situation nicht, dass auch zwischen Homosexuellen Liebe entstehen kann. Darum kommt man heute auch zu einer anderen Bewertung der Homosexualität.

Aus christlicher Perspektive gilt für viele als Minimum das, was auch für Ehen gilt: Sie hat die Würde des Menschen zu achten und „Ehebruch“ auch unter Homosexuellen ist abzulehnen. Grundlage für diese Sichtweise ist: Jesus nahm die Menschen so an, wie sie waren. Zwar mussten sie ihr sündiges Wesen ablegen, aber wenn Homosexualität ein Teil der menschlichen Sexualität ist, dann ist sie nicht der Sünde zuzuordnen, sondern als Variante in der Schöpfung zu akzeptieren. Sie ist aber in den Rahmen des respektvollen sexuellen Miteinanders insgesamt zu stellen.

Für viele gilt als christliche Perspektive jedoch, dass praktizierte Homosexualität auch in dem unten genannten geordneten Rahmen nicht dem Willen Gottes entspricht, auch wenn sie angeboren ist. Hierin zeigt sich eine Spannung innerhalb der Christen. Immer dann, wenn es solche massiven Spannungen gibt, ist der Einzelne gefragt, wie er aus seiner Beziehung zu Gott verantwortlich handeln muss.

Die Frage ist: Wie gehen wir miteinander um, wenn wir solche Spannungen erfahren. Die Antwort: Das Gewissen des Einzelnen muss beachtet werden, niemand darf gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln (z.B.: kein Pfarrer darf gezwungen werden, homosexuelle Paare zu trauen, damit diskriminiert er nicht, sondern stellt die Paare, die sich trauen lassen wollen vor die Frage des Glaubens: Handele ich aus meinem Glauben heraus verantwortlich und in gutem Gewissen? Wenn Kirchenleitungen Pfarrer zwingen wollen, dann haben sie als christliche Kirchenleitung versagt und sind als Kultur-Institution anzusehen; ebenso darf auch kein Homosexueller gegen sein Gewissen daran gehindert werden, eine Partnerschaft einzugehen). Man muss miteinander vergebend und in Liebe umgehen, auch wenn die Meinungsverschiedenheiten groß sind. Menschen, die nicht ihrem Gewissen folgen, sondern Mehrheitsmeinungen, müssen sich fragen lassen: Habe ich Rückgrat, das aus dem verantwortlich handelnden Glauben kommt - oder passe ich mich einfach unverantwortlich (?) der Mehrheitsmeinung an.

Die Frage ist auch: Wie gehe ich mit mir selbst um? Auch diese ist aus Glauben zu beantworten. Wie auch immer sie dann ausfällt, gilt das soeben geschrieben: Man muss miteinander vergebend und in Liebe umgehen, auch wenn die Meinungsverschiedenheiten groß sind.

 

Zahlen:

Als schwul bzw. lesbisch sehen sich ca. 1% der Bevölkerung an, 3% als bisexuell. 9% der Männer und 19% der Frauen fühlen sich vom jeweils gleichen Geschlecht erotisch angezogen (Quelle: wikipedia: Homosexualität). Die Zahlen variieren je nach Zeit - und es wird in der Forschung diskutiert, warum sie variieren.