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Schuld, Sünde, Vergebung
1. Schuld, Sünde
1.1. Schuld als Verstoß gegen ein Gesetz, eine Norm (gegen das, was allgemein als Gesetz, Norm angesehen wird: Gibt es auch ungerechte Gesetze, schlechte Normen, gegen die man verstoßen muss – wer sieht das als Schuld an? Man selbst? Diejenigen, die solche Gesetze aufstellen und solche Normen akzeptieren? – Zum Beispiel Gesetzgebung unter Diktaturen).
1.2. Schuld als Verfehlung gegen das eigene Gewissen, gegen seine eigene Persönlichkeit (zum Beispiel dann, wenn man sich zu einer Tat drängen lässt, die man nicht gut findet – auch wenn man nicht gegen ungerechte Gesetze und Normen angeht, obgleich man weiß: Ich muss dagegen angehen).
1.3. Schuld als Störung der Beziehung zu anderen Menschen (es gibt unterschiedliche Grade dieser Störung: Unfreundlichkeit, schlechte Worte, schlechte Taten – innerhalb dieser Punkte gibt es wieder unterschiedliche Dimensionen) und zu Gott (ebenso unterschiedliche Grade der Störung).
1.4. Im weiteren Sinn wird Schuld heute auch unter folgenden Gesichtspunkten gesehen:
a. Gleichgültigkeit angesichts der Not anderer.
b. Leugnen von Mitschuld.
c. Strukturelle Schuld = Mitwirken an einem System, das anderen gegenüber schuldig wird (zum Beispiel: ungerechter Welthandel, Ausbeutung von Menschen anderer Länder, damit wir billige Kleidung bekommen usw.).
d. Schuld ist ein religiöser Begriff, der keine Berechtigung hat, weil er legitime Aggression (der Mensch muss aggressiv sein, um überleben zu können, um seine Gene weitergeben zu können, um sich Raum verschaffen zu können usw.) in negatives Licht rückt.
e. Die Einordnung einer Tat als Schuld ist auch kulturell bedingt (zum Beispiel: Ein Hindu sieht Verstöße gegen Kastennormen als Schuld an – ein Christ Verstöße gegen das Nächstenliebe-Gebot, Kaste hin oder her; für einen Buddhisten ist „Schuld“ das Anhaften seines Selbst an äußere Dinge, für einen Muslim ist Schuld das Missachten der recht stringenten Gebote des Koran, der Scharia usw.; einer, der Konfuzius anhängt, sieht Verstöße gegen die Hierarchie als Schuld an).
f. Resignieren in Schuld: Weil man so und so schuldig werden kann, wenn man etwas tut, genauso wie wenn man nichts tut - dann gleich gar nichts tun.
g. Es gibt auch „krankhafte Schuldgefühle“
– das bedeutet, dass sich Menschen für alles und jedes, das in der weiteren und näheren Umgebung
geschieht, schuldig fühlen können, auch wenn sie objektiv gesehen unschuldig sind;
– das bedeutet, dass Menschen vorschnell in Konfliktsituationen aus Harmoniebedürfnis die Schuld
auf sich nehmen;
– das bedeutet, dass Menschen vorschnell meinen, andere verletzt zu haben, auch wenn es beim
anderen gar nicht so angekommen ist.
Aufgabe
Überlege und diskutiere:
Ist das Schuld? Wenn:
Weitere Aspekte: Es gibt Dilemma-Geschichten, das heißt Geschichten, die Lebenssituationen beschreiben, in denen alles, was man auch tut, Schuld mit sich bringt. (Zum Beispiel: Ein Mensch hat kein Geld, um ein lebensrettendes Medikament zu kaufen - er bricht in eine Apotheke ein, um es zu besorgen. Wenn er es nicht getan hätte, wäre der andere Mensch gestorben.) Zu den Dilemma-Geschichten bitte berücksichtigen! http://evangelische-religion.de/kriterien.html
Wie einige dieser Punkte zeigen: Man kann sich schuldig fühlen, auch wenn man vor dem Gesetz/den Normen eigentlich keine Schuld hat - bzw. man kann sich unschuldig fühlen, auch wenn man vor dem Gesetz/den Normen schuldig ist.
2. Schuld/Sünde aus christlicher Perspektive
Sünde ist im eigentlichen jüdisch-christlichen Sinn: schuldig werden gegenüber Gott. In christlicher Ausformung:
3. Allgemeiner Umgang mit Schuld
Wenn Schuld als Last bewusst wird, dann greift die Psychoanalyse:
- Menschen müssen sich der in ihnen verborgenen Schuld bewusst werden.
- Erst durch Aufarbeitung mit professioneller Hilfe können sie (wenn es gut geht) die Last der Schuld abwerfen.
4. Umgang mit Schuld aus christlicher Perspektive
Aufgabe: Wie siehst Du das?
Beispiel Bonhoeffer: Darf man einen Tyrannen, der Menschen auf dem Gewissen hat und viele weitere gefährdet, töten? Entspricht es Gottes Willen, um der Nächstenliebe Willen, gewaltsam gegen den Tyrannen zu handeln? Wenn ich mich dazu in meiner mir von Gott gegebenen Freiheit um der Liebe willen durchringe, darf mich mein Gewissen frei sprechen - aber ich kann Gottes gnädigen Freispruch nicht vorwegnehmen. Man muss sich vertrauensvoll in Gottes richtende Hand legen - und die Vergebung durch Gott erhoffen. Das Problem: Der Mensch, der mit allem schuldig werden kann, darf nicht leichtfertig gegen das Gebot, Du sollst nicht töten, angehen.
Literatur: Manfred Häußler/Albert Rieder: Das Gewissen - die leise Stimme. 28 Arbeitsblätter mit didaktisch-methodischen Kommentaren. Sek 1. Klett-Verlag 2005 (6. Auflage)
Marlies Schilling/Jörg Schilling: Schuld - Strafe - Vergebung: 17 Arbeitsblätter mit didaktisch-methodischen Kommentaren, Sek. 1, Klett-Verlag 2007 (7. Auflage)