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Was ist „Religion“?
Der Begriff "religio" wurde im Laufe der Zeiten unterschiedlich interpretiert:
Aufgabe/Fragen:
Kann man den kleinsten gemeinsamen Nenner dessen suchen, was „Religion“ ist?
Ist die Anwendung unseres Begriffs „Religion“ auf andere „Religionen“ angemessen?
Definition: Religion ist...
In der Religionswissenschaft arbeitet man mit dem Konzept des "methodischen Atheismus" - das heißt: Man geht davon aus, dass es keinen Gott gibt. Und darum muss man von Gott abstrahieren und die Religionen als eine Größe betrachten, die vom Menschen ausgeht - nicht von Gott/Göttern. Entsprechend versucht man die verschiedensten Religionen und religiösen Strömungen neutral beschreibend (phänomenologisch) zu untersuchen. Man findet:
(a) einen gemeinsamen Nenner – die Substanz – aller Religionen, um das Wort „Religion“ definieren zu können (= substanzialistisches / substantielles Religionsverständnis);
(b) oder man sucht nicht nach gemeinsamen Inhalten, der Substanz, sondern nach der gemeinsamen Funktion der religiösen Handlungen (= funktionales Verständnis).
„Substanz“ könnte sein: Glaube an ein höheres Wesen, Transzendenzerfahrung / Heiligkeit – doch stellt sich hier die Frage: Wie weit trifft das auf den ursprünglichen Buddhismus, Konfuzianismus zu?
Als „Funktion“ kann genannt werden: soziale Integration, Sinngebung, Orientierung in der Lebenswelt, Reduktion von Komplexität – doch stellt sich die Frage: Sehen sich die Religionen selbst so?
Das bedeutet in einem dritten Schritt: Man versucht das substanzialistische und funktionale Verständnis zusammenzuführen. Aber auch dieser Versuch hat den Nachteil, dass unser abendländisches Religionsverständnis über andere Religionen gestülpt wird.
Wird man die anderen Religionen mit einbeziehen, kommt man zu dem Schluss, dass Religion ein kulturelles Phänomen ist, das mit Wirtschaft, Kunst, Recht, sozialer Ordnung, Ethik, Kult, Lehrsystemen, Institutionen, Erfahrungen usw. verwoben und von diesen nicht zu trennen ist. Aus diesem Grund möchte man auf die Definition dessen, was Religion ist, in der Religionswissenschaft verzichten.
Religionswissenschaften beinhalten unterschiedliche Zugänge, um dem Phänomen „Religion“ auf die Spur zu kommen:
Religionsgeographie: Welche Beziehung herrscht zwischen der jeweiligen Religion und ihrem geographischen Umfeld?
Religionsethnologie befasste sich ursprünglich mit den Religionen schriftloser Kulturen – eng verwandt mit der Religionssoziologie.
Religionssoziologie untersucht die Wechselbeziehung von Religion und Gesellschaft.
Religionspsychologische Zugänge untersucht religiöse Erfahrung und Praxis im individuellen Erleben des Menschen.
Religionsgeschichte analysiert die jeweilige Religion in ihrem historischen Kontext.
Religionsphänomenologie sucht dieses in der Religionsgeschichte Erarbeitete zu systematisieren: (a) indem sie die erarbeiteten Phänomene beschreibt; (b) indem sie die Phänomene unterschiedlicher Religionen vergleicht; (c) Religionsphänomenologie im engeren Sinn fasst diese zusammen und untersucht die Bedeutung der Phänomene.
Religionsphilosophie versucht das, was die vorgenannten Disziplinen erarbeitet haben, philosophisch, rational zu durchdringen, zu systematisieren. Religionsphilosophie ist vielfach kritische Reflexion von Religion.
Entwicklung der Religion
Man geht von einer Entwicklung der Religion (Evolution der Religion) aus:
Das bedeutet aber nicht, dass die jeweiligen Stufen ganz überwunden sind. Im Gegenteil: Religion ist immer in Bewegung. Salopp gesagt: So integrierte der christliche Glaube, der in der Antike als Atheismus bezeichnet wurde (weil er an den Menschen Jesus glaubte und nicht an Götter) sowohl den Heiligen Geist (und Geister/Dämonen als Widersacher Gottes) als auch den Monotheismus. In manchen Bereichen kommen auch katholische Heiligenvorstellungen dem Polytheismus nah. Diese Vielfalt hilft vielleicht, die intensive Verbreitung des Christentums zu fördern, und die Möglichkeit, ihn zu inkulturieren.
Warum gibt es Religion?
Aufgabe:
a) Welcher Aussage stimmst Du nach gründlichem Überlegen zu? Welche Argumente hast Du?
b) Welche davon ist die christliche Antwort? Wie argumentieren Christen?
Literatur: Hartmut Zinser: Grundfragen der Religionswissenschaft, Schöningh, Paderborn u.a. 2010