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Philosophische Anthropologie

 

In der Anthropologie geht es um die Frage: Wer/was ist eigentlich der Mensch?

 

1. Aufgabe: Selbst klären: Wer/was ist der Mensch? Was macht den Menschen zum Menschen?

 

Wie in jeder Wissenschaft gibt es nicht eine eindeutige Antwort, sondern unterschiedliche Versuche, das Phänomen Mensch zu erklären. So werden auch bestimmte Schwerpunkte gesetzt, zunächst in Abgrenzung vom Tier.

 

2. Aufgabe: Welche Philosophen vertreten die folgenden Richtungen? (Vorüberlegungen!) (s. unten unter Aufgabe 5):

 

  1. Der Mensch ist ein Wesen mit Geist, er hat eine Seele - damit verbunden: Er steht dem Göttlichen nahe.
  2. Wesentlich am Menschen ist seine Sprachfähigkeit. Sie hebt ihn über die Tiere hinaus.
  3. Er ist geschichtlich handelndes Wesen, also ein Wesen, das in die Vergangenheit schauen kann, das sein Handeln in der Gegenwart mit Blick auf die Zukunft  bestimmen kann.
  4. Er ist im Gegensatz zum Tier ein Mängelwesen: Während das Tier schon so gut wie fertig auf die Welt kommt, bedarf der Mensch eine lange Phase der Betreuung - und vermag sich darum den unterschiedlichsten Situationen anpassen.
  5. Er ist ein Wesen, das sich selbst bestimmen kann, ist nicht mehr ganz so instinktgebunden, lebt in der Spannung zwischen Möglichkeit und Ziel.
  6. Er ist ein homo politicus: eingebunden in die soziale Ordnung, orientiert sich am Wohl für die Gemeinschaft.
  7. Er ist im Werden.

 

3. Aufgabe: Suche Beispiele für die genannten Anthropologischen Ansätze (s. unten unter Aufgabe 5):

 

Das Wort "Anthropologie" wird aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet:

  1. Genannt wurde oben die Philosophische Anthropologie. In der philosophischen Anthropologie wird der Mensch als Geist-Wesen, als spirituelles Wesen angesehen.
  2. Theologische Anthropologie: dazu siehe unten mehr.
  3. Kultur-Anthropologie: Der Mensch ist Schöpfer der Kultur - gleichzeitig ist er Geschöpf der Kultur, in der er aufwächst.
  4. Sozial-Anthropologie: Der Mensch ist ein soziales Lebewesen: Macht, Rang, Identität, Geschichte, Verwandtschaft, Rituale... bestimmen ihn (wie auch andere Lebewesen).
  5. Soziologische Anthropologie: der Mensch lebt gegenwärtig in einer Multi-Optionsgesellschaft Risikogesellschaft, es geht um das Verhältnis von Mensch und Stadt, Mensch und Industrie...
  6. Psychologische Anthropologie: Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitstheorien...
  7. Biologische Anthropologie: Von Untersuchung der Genetik  über den Vergleich mit den Primaten bis hin zu den körperlichen Voraussetzungen fürs Sport treiben...
  8. In der "Biologistischen Anthropologie" wird der Mensch intensiver als Teil der Tierwelt verortet.
  9. Pädagogische Anthropologie: der Mensch ist ein lernendes und lehrendes Wesen. Wie werden Lehr-Materialien gestaltet werden müssen, damit der Mensch besser lernen kann...
  10. In der Empirischen Anthropologie wird der Mensch von seiner Natur aus erklärt: sein Verhalten wird auch mit anderen Lebewesen in Beziehung gesetzt - die philosophische und theologische Anthropologie wird jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen.

 

 4. Aufgabe: Wer vertritt folgende Positionen? (Vorüberlegungen! s. unten unter Aufgabe 5):

 

  1. Bisher sah man, dass der Mensch mit seinem Körper zur Tierwelt gehört - und mit dem Geist zu einer höheren Ebene gehört. Im Zuge des Naturalismus sieht man immer stärker den Geist als Teil der tierischen Natur - und nicht mehr als Teil, der den Menschen mit Göttlichem verbindet.
  2. Das Leben der Menschen ist mit dem der Tiere vergleichbar: Nahrungsaufnahme, Leidminderung, Fortpflanzung bestimmen ihn.
  3. Durch die Herleitung des Menschen aus der Natur werden auch Verhaltensweisen erschlossen: gegen Ehe, weil in der Tierwelt Monogamie kaum vorhanden ist. Im Extremfall bis hin zum Sozialdarwinismus: Wie in der Natur ist Leben, das nicht zum eigenen Überleben beitragen kann, der Vernichtung preisgegeben.
  4. Er ist ein Sozialwesen wie Tiere auch: er orientiert sich an Familie, Rasse, Klasse, Religion. Nicht das Individuum zählt - es zählt das Wohl der Gruppe. Überwiegend werden jedoch auch Fakten beachtet, die den Menschen über das Tier hinausheben: Staatenbildung ist freier Entschluss der Menschen - und nicht wie bei Ameisen und Termiten  "programmiert"; es gibt Verantwortungsethik, man nimmt Rücksicht auf die Natur usw.

 

5. Aufgabe: Zu folgenden Schlagworten Erkundigungen einholen, die Aussagen vertiefen - und oben genannten Positionen zuordnen:

 

Anthropologie des

  • Platon: der Mensch, zerrissen zwischen Höhe und Tiefe, muss den Einklang, Tugenden finden.
  • Augustinus: der an sich zweifelnde Mensch findet Ruhe in Gott, weil Gott ihn auf diese Ruhe hin geschaffen hat.
  • Thomas von Aquin: der Mensch ist begrenzt und frei, vergänglich und unsterblich.
  • Martin Luther: der Mensch ist ein Pferd, er wird vom Bösen oder von Gott geritten; der Verstand denkt, der Bauch lenkt.
  • Thomas Hobbes: der Mensch ist böse und wird durch den Staat diszipliniert.
  • René Descartes: der Mensch denkt, also ist er.
  • Blaise Pascal: der Mensch ist das Größte (Engel/Universum) und das Kleinste (Tier/Nichts).
  • Jean Jacques Rousseau: der Mensch ist ursprünglich gut und muss mit anderen ein Gemeinwesen gründen, um das Gutsein zu stabilisieren.
  • Julien Offray de La Mettrie: der Mensch ist Maschine.
  • Johann Gottfried Herder: der Mensch ist frei - er muss die Freiheit nur positiv realisieren.
  • Immanuel Kant: Der Mensch ist nicht rein abhängig von der Natur: Was kann der Mensch als Vernunftwesen aus sich selbst machen? Seiner Pflicht nachgehen.
  • Ludwig Feuerbach: der Mensch ist für den Menschen Gott.
  • Karl Marx: der Mensch ist das, was die Gesellschaft aus ihm macht.
  • Friedrich Nietzsche: der Übermensch erhebt sich aus den Menschen.
  • Sigmund Freud: der Mensch besteht aus Es (dem Unterbewussten/Trieben) + Ich (dem Bewussten) + Überich (dem Gewissen).
  • Alfred Adler: der Mensch fühlt sich minderwertig und versucht die Minderwertigkeit dynamisch zu bekämpfen.
  • Arnold Gehlen: der Mensch ist ein Mängelwesen, darum weltoffen.
  • Helmuth Plessner: der Mensch ist unabhängig von den Trieben und schafft sich ein neues Leben.
  • Karl Jaspers: der Mensch will immer über sich hinaus.
  • C.G. Jung: der Mensch wurzelt in den Mythen der Vorfahren, sie bestimmen sein Unbewusstes.
  • Jean Paul Sartre: der Mensch ist das, was er aus sich macht.
  • Wilfrid Sellars: die Naturwissenschaft ist das Maß aller Dinge.
  • Peter Singer: der Mensch ist nicht über dem Tier (z.B. Schimpansen, Gorillas, Bonobos): beider Merkmale: Rationalität, Sozialverhalten, Schmerzempfinden, Einfühlungsvermögen.
  • Aus der Hirnforschung kommt der Impuls: Der Mensch ist abhängig von seinem Unbewussten - freilich ist das Unbewusste Teil des Menschen.

 

6. Aufgabe: Unsere Erkenntnis - woher haben wir das Wissen?

 

Es gibt also unterschiedliche Vorstellungen über den Menschen. Woran liegt das? Das liegt an der Frage: Woher haben wir das Wissen? Wie bekommen wir das Wissen? Und diese Fragen haben es in sich, denn es gibt nicht nur unterschiedliche Antworten auf die Frage, was eigentlich der Mensch ist, sondern auch Antworten auf die Frage: Woher haben wir das Wissen, die Erkenntnis, was ist das überhaupt? Denn das ist die Grundlage dafür, den Menschen - bzw. alles, was wir beurteilen - überhaupt einordnen zu können.

 

  1. Realismus: Es gibt eine objektive Realität. Platon meint, der Mensch habe den Verstand und die Fähigkeit, die wahre Idee hinter all der Vielfalt zu erkennen. Wer nicht als Freund der Weisheit lebt, sondern nur seinen Sinnen traut, sieht nur Scheinwelt - doch es bedarf der Fähigkeit des Geistes, hinter diesen vielfältigen Erscheinungen die Grundlage, die Idee, das Grundmuster, das Wahre zu erkennen (Höhlengleichnis!).
  2. Idealismus: Es gibt eine objektive Realität, aber die kann man nicht erkennen. Das, was man als objektive Realität erfasst, das ist nur durch das denkende Individuum erfasst worden, also subjektiv (Kant).
  3. Rationalismus: Wir haben als Erkenntnisquelle nur unsere Vernunft - sie ist von Äußerem unabhängig (Descartes). Weitergeführt vom kritischen Rationalismus: Alles ist vorläufig und muss immer wieder kritisch überprüft werden, da es keine absolute Erkenntnis gibt (Popper).
  4. Empirismus/Positivismus: Wir haben als Erkenntnisquelle die Erfahrung. Das, was man empirisch erfassen kann, ist wahr - denn nur das wird vom Verstand wahrgenommen, was zuvor sinnlich erfasst wurde (Aristoteles - bis in die Neuzeit: Hobbes, Locke, Hume).
  5. Logischer Empirismus: Erfahrung und Logik sind die Erkenntnisquellen (Carnap). Aber Erfahrung, die nicht logisch erfasst werden kann, ist nicht weiter zu beachten (z.B. religiöse Wahrheit).
  6. Materialismus: Nur das kann als richtig erkannt werden, was zu allen Zeiten und von jedermann wiederholt erkannt werden kann - und das trifft allein auf das Materielle zu. Nur das kann für den Menschen wahr sein.
  7. Skeptizismus: Erkenntnis ist immer abhängig vom jeweiligen Individuum, seiner Tradition, Kultur, seinen Denkfähigkeiten. Es gibt keine eindeutige Wahrheit für den Menschen.

 

7. Aufgabe: Eine Frage:

 

Was ist also der Mensch? Nach diesem Vorlauf musst Du selbst begründet eine Antwort geben. Zu einfach wäre es zu sagen: Das weiß man nicht. Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Was sagt Dir Dein Verstand? Was scheint Dir plausibel? Und: Woher weißt Du, dass das, was Du vom Menschen denkst, richtig ist?

 

8. Was sagst Du dazu?

 

Die Gene bestimmen den Menschen. Er wird geboren - und so ist er dann auch.

Das soziale Umfeld bestimmt den Menschen. Er wird in ein soziales Umfeld hineingeboren - und so ist er dann auch.

Gibt es Spannungen zwischen "Gene" und "Sozialem Umfeld"?

Kann sich der Mensch aus diesen Vorgaben befreien?