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Kirchengeschichte der Neuzeit (Schwerpunkt: Deutschland)

– ein kurzer Überblick

 

A)    16. Jahrhundert

Die Reformation, die durch Martin Luther im 16. Jahrhundert in Gang gesetzt wurde, prägt die Kirchengeschichte bis in die Gegenwart.

Nachdem die Kritik von Martin Luther, die er an der Praxis der römisch-katholischen Kirche übte, immer breitere Kreise gezogen hatte, reagierte die katholische Kirche immer heftiger.

Das Papsttum und das Kaisertum rangen während des gesamten Mittelalters um die Frage, wer hat mehr Macht? Wer steht über den anderen? Diese beiden vereinten sich, um Martin Luther und seine Anhänger zum Schweigen zu bringen. Die Einheit der Kirche und des Reiches sollten wieder hergestellt werden. Da jedoch die Lehre Luthers immer mehr Menschen erfasste – darunter auch Fürsten, kam es zu gefährlichen Konflikten mit militärischen Scharmützeln – die dann jedoch in Verhandlungen vorläufig beigelegt werden konnten. Während die Reformation das Individuum wieder zu seinem Recht kommen ließ, wurde das in den Verhandlungen wieder eingeschränkt: Nicht mehr geht es darum, dass der einzelne Mensch vor Gott und Menschen seinen Glauben verantworten muss, sondern es gilt: cuius regio – eius religio: Der Herrscher des jeweiligen Fürstentums bestimmt den Glauben der Untergebenen. Wobei es nicht nur um katholisch – und lutherisch-evangelisch/protestantisch ging, sondern auch die protestantisch reformierte Kirche (Calvin, Zwingli) spielte eine Rolle.

Trotz der Verhandlungsergebnisse führten die Spannungen um den wahren christlichen Glauben zu Verfestigungen auf allen Seiten (Gegenreformation – lutherische Orthodoxie) und haben sich vielfach in Verfolgungen, Kriegen (Hugenottenkriege, Niederländischer Freiheitskampf) und persönlichen Grausamkeiten entladen.

(Bedeutende Menschen: Martin Luther, Philipp Melanchton, Friedrich der Weise von Sachsen, Johann Calvin, Ulrich Zwingli, Kaiser Karl V., Ignatius von Loyola [Jesuitenorden])

 

B)    17. Jahrhundert

Der traurige Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war in Mitteleuropa der 30 jährige Krieg im 17. Jahrhundert (1618-1648 – aber marodierende Banden gab es über 1648 hinaus).  1648: Westfälischer Frieden.

Katholische und Protestantische Truppen bekämpften einander – die Zivilbevölkerung erlitt unendliche Qualen, Hunger, Kälte, Folter, Massenmorden, Plünderungen. Es ging jedoch im Laufe der Jahre nicht mehr nur um die jeweilige Religion, so konnten sich auch katholische und protestantische Fürsten zusammentun, um gegen andere katholische und protestantische Fürsten zu kämpfen. Es fanden dennoch konfessionelle Verhärtungen statt, das heißt: Wer in einem protestantischen Gebiet lebte, der musste auch den Protestantismus vertreten, den die Obrigkeit bzw. die führenden Theologen vertreten haben, wer in einem katholischen Gebiet wohnte, musste die katholische Lehre ohne Wenn und Aber vertreten. Wer sich dem Druck nicht beugte, musste zum Teil mit massiven Nachteilen rechnen.

Der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund trat zum reformiert-calvinistischen Bekenntnis über, wollte aber nun nicht, dass alle diesen Schritt tun. Er wollte somit die strenge Form der Formel des cuius regio eius religio (s. A) aufbrechen. Doch das führte immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen protestantischen Kirchen (lutherische, reformierte). Sie sollten nun ein Toleranzedikt unterschreiben. Manche wandten sich dagegen, weil sie eine Mischung der Konfessionen befürchteten – und diejenigen, die sich verweigerten, mussten, weil sie der Absicht des Königs entgegenstanden, Druck aushalten.

(Bedeutende Menschen aus dieser Zeit: Paul Gerhardt, der durch seine Lieder den geplagten Menschen Trost spenden wollte. Gustav II. Adolf von Schweden verhinderte die vollkommene Unterdrückung der Protestanten.)

 

C)    18. Jahrhundert

Zwei Hauptströme taten sich im 17./18. Jahrhundert auf:

1.      Die Aufklärung

Immer mehr Menschen wollten sich von den konfessionellen Auseinandersetzungen befreien – und befreiten sich auch ganz vom christlichen Glauben. Der Verstand des Individuums (s. A) sollte nun entscheiden, was richtig und was falsch ist – nicht der Glaube – aber auch nicht die Obrigkeit, weder Kaiser, König noch Fürst. Um den Verstand einschalten zu können, benötigt man Bildung. Denn nur derjenige, der gut gebildet ist, vermag Argumente abzuwägen und die richtige Entscheidung zu treffen.

 

2.      Der Pietismus

Pietismus (Pflichtgefühl, Frömmigkeit)  sah nicht in der Trennung vom christlichen Glauben  die Lösung, sondern darin, den Glauben so zu leben wie Jesus ihn gelehrt hatte. Dazu benötigte man Bildung. Menschen sollten im Glauben ausgebildet werden – um sich auch ganz bewusst als Individuen verantwortlich für den Glauben entscheiden zu können. Im Zuge dieses Bestrebens wurde die Konfirmation eingeführt: Christen sollten wissen, was sie glauben und nicht einfach nur in einer verwaschenen christlichen Tradition leben. Bibelkreise, die in den jeweiligen Privatwohnungen stattfanden, schossen aus dem Boden, Bibelverlage wurden gegründet. Nicht nur Lehre ist das Wesentliche der Verkündigung Jesu, sondern auch das Tun, der liebevolle Einsatz für die Menschen, die Hilfe benötigen. Und so wurden Waisenhäuser gegründet, waise und verwahrloste Kinder wurden von der Straße geholt, sie bekamen eine Unterkunft, wurden ausgebildet und erlernten einen Beruf. Darüber hinaus wurden Missionare in alle Welt geschickt, die Menschen in Wort und Tat helfen sollten, zu Gott zu finden.

(Bedeutsame Vertreter: Philipp Jakob Spener, August Hermann Francke, Johann Albrecht Bengel, Nikolaus Graf von Zinzendorf)

 

D)    19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert begann für die Kirche mit einer schweren Situation – vor allem in den westlichen Staaten des deutschen Reiches: Napoleon eroberte sie und im Zuge der Eroberungen wurden Kirchen enteignet, Klöster geplündert und zerstört – die Staaten wurden säkularisiert. Als Napoleon aus Deutschland vertrieben war, konnte das soziale Engagement, das im 18. Jahrhundert begonnen worden war, ausgebaut werden. Es blieb nicht mehr nur den Initiativen einzelner Menschen überlassen, sondern es wurde zur Aufgabe der gesamten Evangelischen Kirche erklärt.

Die vielen sozialen Einzelaktivitäten wurden in der Inneren Mission (der späteren Diakonie) zusammengefasst. Missionen wurden von Missionsgesellschaften übernommen, die Bildung wurde durch die Gründung zahlreicher Verlage ausgeweitet.

Im 19. Jahrhundert begann auch intensiver die Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Gesellschaft. Sozialistisch-kommunistische Gruppen erstarkten, die mit dem Philosophen Karl Marx gegen die Kirchen ankämpften, weil die Kirchen aus ihrer Sicht heraus, das Elend der Menschen in der industrialisierten Gesellschaft mit zu verantworten haben. Sie kämpfen nicht gegen den Kapitalismus und die Herrschaftsstrukturen, sondern stützen sie. Das leuchtete vielen Arbeitern und Ausgebeuteten ein, sodass sie sich von den Kirchen abgewendet haben und Kirche und Staat bekämpften. Kirchen gingen einen anderen Weg: Reiche sollen nicht bekämpft werden, sie sollen dazu gebracht werden, ihr Geld und ihre Bildung dafür einzusetzen, dass die Verelendung bekämpft werden kann. Mit Hilfe von reichen Unterstützern begann man den Bau von Waisenhäusern zu verstärken, Krankenhäuser und Schulen wurden eingerichtet.

Für die Katholische Kirche begann unter Bismarck eine schwere Zeit: Er versuchte sie einzuschränken, wo es nur ging. Das führte jedoch nicht dazu, dass die katholische Kirche resignierte, sondern zusammenwuchs – und auch im politischen stark wurde: die Zentrumspartei.

Ein anderer Punkt verschärfte sich im 19. Jahrhundert: Die Einschränkung der Juden war nicht mehr eine Selbstverständlichkeit, sondern man begann in der Gesellschaft intensiv darüber zu diskutieren. Juden bekamen mehr Recht – Rechte, die allen Bürgern zustanden, was jedoch heftige Gegenreaktionen hervorgerufen hat.

(Bedeutende Menschen: Johann Hinrich Wichern, Amalie Sieveking)

 

E)    20. Jahrhundert

Das, was sich im 19. Jahrhundert schon abzuzeichnen begann, wurde in diesem Jahrhundert fortgeführt:

Das soziale Engagement wurde ausgebaut – andere wesentliche Herausforderungen kamen in den Blick:

-          Der preußische Kaiser war auch das Oberhaupt der lutherischen Kirche – was für die Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu einer Neuorientierung führte: der Kaiser wurde abgesetzt – und die Kirche musste nun neue Strukturen errichten – und es war nicht mehr selbstverständlich, dass Kirche und Preußen eine so enge Kooperation  vertraten. Das war schmerzhaft – aber auch eine Art Befreiung. Diese Befreiung wollte Hitler ab 1933 wieder rückgängig machen, indem er die Evangelische Kirche dem Staat unterordnet.

-          Der Kampf der sozialistisch/kommunistischen Kreise gegen die Kirche wurde verschärft und fand ihren deutlichen Ausdruck im National-Sozialismus und danach in dem DDR-Sozialismus. Dazu kamen weitere Gruppen, so die vielen, die sich alten germanischen Religionen zuordneten oder ganz neue animistische/schamanistische Grundlagen gaben. Diese führten dann in der dritten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Esoterikboom. Atheistische Gruppen versuchten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Menschen aus den Kirchen herauszulocken – und das wurde dann Ende des 20. Jahrhunderts ebenfalls verschärft.

-          Durch den Nationalsozialismus wurde der Antisemitismus auf den traurigen Höhepunkt getrieben. In der Kirche waren immer Traditionen vorhanden, die aus religiösen Gründen das Judentum abgelehnt haben (Antijudaismus). Diese religiösen Gründe wurden im 19. Jahrhundert durch rassistische Gründe ergänzt (Antisemitismus). Nachdem diese rassistische Ideologie zu unmenschlichsten Aktionen geführt hatte, wurde nach dem Sieg über das Hitlerdeutschland durch intensiven jüdisch-christlichen Dialog das Miteinander auf eine ganz neue Ebene gestellt: Juden und Christen gehören zusammen. Sie dürfen sich nicht auseinanderdividieren lassen.

-          Die Auseinandersetzungen der unterschiedlichsten Konfessionen wurden durch die Errichtung des Ökumenischen Rates in sachlichere Bahnen geleitet: Man versucht nun gemeinsam den weltweiten Herausforderungen zu begegnen. Dazu gehört weltweites soziales Engagement gegen wirtschaftliche Ausbeutung, rassistische Teilungen in der Gesellschaft, Versuche, den Interreligiösen Dialog zu intensivieren. Die Zusammenarbeit der lutherischen und reformierten Kirche wird in der Leuenberger Konkordie geregelt.

-          Das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft wird intensiv diskutiert, Fehler der Vergangenheit will man vermeiden. Und so gibt es unterschiedliche Modelle, die das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft beschreiben: mal enger, mal weiter.

-          Christen haben seit Beginn ihres Daseins immer auf die neusten Medien gesetzt, um die Botschaft zu verkündigen. Und auch hier begegnen neue Herausforderungen mit Blick auf Medienethik.

-          Das soziale Engagement für Menschen aus aller Welt, das bei Albert Schweitzer besonders deutlich wurde, wird durch Organisationen fortgeführt (z.B. Brot für die Welt, Misereor). Und sein Schlagwort „Ehrfurcht vor dem Leben“ – das auch gegen die Atomwaffenpolitik gerichtet war – beeinflusste das Engagement für die Umwelt und Natur.

-          Deutschland war überwiegend evangelisch geprägt, dann wurde im 20. Jahrhundert der Katholizismus stärker, so dass beide Konfessionen in der Gegenwart ungefähr gleich viele Mitglieder haben. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts werden immer mehr Menschen aus anderen religiösen Kulturkreisen in Deutschland aufgenommen. Um religiöse Auseinandersetzungen zu vermeiden, wird der Dialog auf nationaler vor allem auf lokaler Ebene immer wichtiger.

 

 

Aufgabe:

Diskutiert die Herausforderungen der jeweiligen Jahrhunderte und gebt den einzelnen Abschnitten eine Überschrift.