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Hinduismus 7:

Jesus Christus in hinduistischer Sicht

 

Vielfältig wie der Hinduismus, ist auch die Stellung von Gurus zu Jesus (vgl. auch an einem Beispiel: Peter Schmidt: A.C. Bhaktivedanta Swami im interreligiösen Dialog. Biographische Studien zur Begegnung von Hinduismus und Christentum, Frankfurt 1999 (Theion X). Es geht über Ignorierung hin zur Anerkenntnis als ethisch besonders hochstehender Mensch (Avatar), als eine Inkarnation eines Gottes, wohl Vischnu, da dieser sich nach hinduistischer Vorstellung überwiegend inkarniert; Ablehnung Jesu als einer, der einen persönlichen Gott vertritt – freilich im Rahmen der Bhakti-Bewegung ist die Vater-Anrede verständlicher als für andere Richtungen; abgelehnt wird der Sühnetod – wobei beides (Verkündigung eines persönlichen Gottes und Sühnetod) von anderen auch wieder anerkannt werden kann; abgelehnt wird Jesus Christus vor allem aber als der einzige Weg zu Gott – wobei immer wieder die Frage zu stellen ist: Wer ist eigentlich „Gott“? Wird Gott als Brahma (Allgeist) interpretiert oder als Vischnu (eine Art Person)? Eine Anerkenntnis Jesu als Jesus würde real die Ablehnung der Kastenfrage mit sich bringen und die für Hindus theologisch wichtige Frage: Wie muss ich mich verhalten, um in einer besseren Position wiedergeboren zu werden? Wiedergeburt ist mit Jesus nicht kompatibel. Ebenso ist es schwierig, das Bestreben des Menschen nach Heil durch rituellen Kult mit Jesus in Verbindung zu bringen. Weder Götterstatuen, noch Feuerriten, noch Meditationspraktiken sind jesuanisch zu begründen. So wie ich Jesus verstehe, würde er Meditationen nicht ablehnen, damit Menschen zur Ruhe kommen (freilich kennt die frühe Christenheit einen anderen Weg: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken). Aber Meditationen im hinduistischen Sinn sind religiös verknüpft (ein Sich-verlieren im Allgeist usw.) – und die sind jesuanisch nicht zu legitimieren, da im Zentrum der Verkündigung Jesu Gott selbst und die Ankunft seines Reiches steht. Auch Brahmanen und Gurus würden ihren hohen Status verlieren. Sie wären vielleicht Lehrer, mehr nicht. Denn Glaubende sind zu Gott unmittelbar und nicht abhängig von Lehrenden (wobei in der katholischen Kirche der Priester eine betontere Rolle spielt). Das können Gurus selbstverständlich nicht akzeptieren. Tantrische Magie im hinduistischen Sinn ist mit Jesus nicht kompatibel wie auch die damit verbundene Betonung des körperlichen Wohlfühlens durch sexuelle Praktiken, da für Jesus der Mensch durch seine Gotteskindschaft eine besondere Aufgabe übertragen bekommen hat: gottgemäßes Verhalten mit Blick auf den anderen Menschen und nicht das Bemühen um ekstatisches Erfassen von etwas, das als göttlich interpretiert wird. Im Christentum gibt es das Erfasstwerden von Gott durch den Geist; es ist aber etwas – abgesehen von Mystikern, die mit Mystikern aller Religionen Gemeinsamkeiten haben –, das der Mensch selbst nicht durch Praktiken steuern kann. Der die Erlösung suchende Mensch wird auch nicht auf sich selbst gewiesen, sondern auf den Mitmenschen. Jesus bestimmt nicht, wie im Zauberwesen (Brahmanen, Gurus, Lamas usw.) Gott, sondern zeigt den Menschen, wie er zu Gott gelangen kann. Der Mensch ist nicht – wie die brahmanische und damit auch von Buddha übernommene Theologie ausspricht – aus sich heraus machtvoll, sondern in seiner Abhängigkeit von Gott gehört er diesem. Es geht nicht darum, mächtig zu sein, sondern vollmächtig.

Es stellt sich die Frage an den Hinduismus: Gibt es dort so etwas wie den „Ökumenischen Dialog“, da die Unterschiede immens sind – und diese Unterschiede kristallisieren sich auch in den unterschiedlichen Jesusbildern: Annahme, Uminterpretation und Ablehnung. Laut Hummel gelten 99% der biblischen Aussagen Hindus als Äußerungen unerleuchteter Juden und Christen, die nicht in der Lage waren, sich zu der Höhe der Meister aufzuschwingen (139). Damit treffen sie sich in der Kritik mit Mohammed, ebenso in der Neuinterpretation einzelner Worte – freilich aufgrund der religiösen Tradition rekurrieren sie zum Teil auf andere Worte als Mohammed (so z.B.: Jesu Wort „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“ bedeute: „es ist in mir“, d.h. in jedem Menschen; bzw. „Ich und der Vater sind eins“ sei das Wort eines jeden Menschen usw.). Darüber hinaus sind gemeinsame Kritikpunkte: Sühnetod, Auferstehung und Jesus als alleiniger Weg zu Gott.

 

Im Hinduismus erkennt man deutlich die Suche des Menschen nach Wahrheit, nach Spiritualität, nach dem, was die Welt zusammenhält. Christen haben die Wahrheit – aber weil sie diese als Besitz wähnen, fehlt vieles, das sie in tiefe menschlich-spirituelle Dimensionen einführt. Doch Besitz ist Christus als Wahrheit nicht, sondern Nachfolge – und Nachfolge bedeutet: tiefer mit Gott in Jesus Christus verbunden zu werden. In der christlichen Mystik wird der ganze Mensch, auch mit seinem Körper, durch den Geist Gottes, der von Gott dem Menschen zugeteilt wird, gefüllt, gestärkt, vollkommen. Seine Vollmacht bekommt der Glaubende durch Gott, als Person, der der ganz andere ist, es ist eine Beziehung. Im Hinduismus und Buddhismus als Mystik verliert man sich, gibt sich auf, und wird dabei „körperlos“ zum All-Seienden durch „naturhafte“ Verbindung mit dem All-Seienden (Atman). In manchen Strömungen: Seine magische Macht bekommt man durch Verbindung mit dem All-Seienden.

 

Beeinflusst hat die Sicht der Gita auch den Deutschen Idealismus, der Gott nicht mehr als „Person“ erkennen mag, sondern als eine alles durchwaltende Kraft (in Verbindung mit stoischer Tradition). Was dann auch Auswirkungen hatte auf die Ethik: Die Gottheit ist in jedem Menschen – somit weiß jeder Mensch, was gut ist und was nicht.

Auswirkungen des Karma-Denkens auf die Esoterik der Gegenwart laut Oliver Schröm, Rechter Wahn, Braune Esoterik auf dem Vormarsch: Viele Bücher aus der New-Age-Szene zeichnen ein rassistisches Weltbild, in: DIE ZEIT 23, 1998, 63: Im Buch „Karma und Gnade“ von Peter Michel, Verlagsleiter des Aquamarin-Verlages, heißt es: Mongoloide müssen ihr schlechtes Karma abtragen; der „Staresoteriker“ Erhard Freitag habe gesagt, „das jüdische Volk hätte in den Gaskammern des `Dritten Reiches´ Vergehen aus früheren Leben zu büßen gehabt“. Schon der „Esoterikguru“ der zwanziger Jahre, Charles W. Leadbeater habe das „Aussterben der Naturvölker ... eine `karmische Unvermeidbarkeit´“ genannt, „da die Angehörigen der germanisch-nordischen Rasse `als höher entwickelte Seelen bereits über diese hinweggeschritten sind´. Zum Reiz asiatischer Religionen auf Führer des Nationalsozialismus s.: Trimondi: Hitler. Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute, Wien 2002.

 

Diese Angaben zum Hinduismus stammen überwiegend aus dem Büchlein von Vanamali Gunturu, der den Hinduismus als eine Religion anpreist, die alle Religionen in sich aufnehmen kann. Ebenso weist er auf die Gurus, die auch im Westen Anhänger bekommen. Freilich ist der ursprüngliche Hinduismus für die Inder reserviert, Fremde gehören den Unberührbaren an. Und was im Westen überwiegend aufgenommen wird, ist das meditierende Element, das Sich-Scharen um einen Guru, der den Anhänger in die Grundlage der Welt einführt. Der Guru ist nicht allein ein weiser Mensch, sondern hat als religiöser Führer göttlichen Status. So spielt das Gurubild wie das von ihm ausgegebene Mantra eine zentrale Rolle.

 

Das, was sich mir beim Hinduismus als Gedanke eindrängt: Was ist Wahrheit? Gibt es die Suche nach Wahrheit? Diese dürfte im Hinduismus mit Xenophanes (* um 570 + 475 v.Chr.; Fragm. 27 und 29) so getroffen sein: Wenn Pferde Götter machen könnten, würden sie sich welche machen, die wie Pferde aussehen (vgl. Feuerbach).