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Geschichtswissenschaft

 

 

Menschen sind Protagonisten der Geschichte und der Religion

 

Gott, Mensch und Anfang und Ende der Welt

 

Die Geschichte hat einen Anfang - hat ein Ziel. Nicht nur der Mensch - alles geht auf ein Ende zu. Es ist nicht nur ein Ende, sondern das Ende, das Gott selbst herbeiführen wird. Uns im Westen kommt diese Vorstellung in der Apokalypse /Offenbarung des Johannes am nächsten. Das viel geliebte und abgelehnte Buch greift Traditionen auf, die in alttestamentlichen Büchern ihren Niederschlag gefunden haben: so im Buch Daniel. Jesus lebte in dieser Tradition, die frühen Christen insgesamt und lehrten: Gottes Herrschaft ist nahe herbeigekommen, kehrt um! Durch das Mittelalter hindurch bis in die Gegenwart ist diese Vorstellung vorherrschend. Seit den letzten 200 Jahren wurde Gott zwar herausgenommen - aber ein Ende haben auch Nicht-Christen im Blick. Allerdings: Nicht die Liebe Gottes steht am Ende, sondern die Katastrophen welcher Art auch immer tun es: Erderwärmung, Erderfrierung, Waldsterben, ersticken im Müll, Atomkatastrophen, Meteore die Dinos den Garaus machten, werden auch uns den Garaus machen, Sonnensterben und Venuskollision, das Jahr 2000 (war einmal ein Thema)… Diese Vorstellung davon, dass alles auf ein Ende zugeht, ist in unserer Kultur dominant (wenn die Völuspa - in der Edda - noch germanische Intention beinhaltet und nicht verchristlicht wurde, dann kannten auch die alten Germanen die Vorstellung vom Ende).

 

Die Vorstellung vom Ende prägt auch die Verhaltensweisen in der Gegenwart:

  • In jüdischer Apokalyptik ist mit der Vorstellung von einem nahen Ende die Aufforderung verbunden: haltet fest an eurem gerechten Leben;
  • in der christlichen Vorstellung heißt es: ändert euer Leben, wirkt das, was Gott will;
  • in der Katastrophen-Apokalyptik dominieren andere Verhaltensänderungen: weniger CO2, keine Atomwaffen, kein Atomkraftwerk, Wissenschaft muss es richten, trennt Müll…
  • aber auch Lust am puren Untergang - ohne erzieherische Funktion: Mayakalender, Nostradamus...
  • Durch die Jahrhunderte hindurch gab es die unterschiedlichsten mit Weltuntergangsstimmung verbundenen Bewegungen: Büßerbewegungen, zum Teil Kreuzzüge, religiöse Splittergruppen sind en masse entstanden (Zeugen Jehovas) - über die Gegenwart muss ich nicht viel sagen. Ein anderes Weltbild vermittelt uns die östliche Tradition, wenn sie das Lebensrad in den Blick rückt. Wie das individuelle Leben ins Rad der Wiedergeburten rückt, so auch das gesellschaftliche Leben. Es wird ein Ende kommen - aber diesem folgt wieder ein Neuanfang. Und das Rad dreht sich und dreht sich unentwegt. (Freilich gibt es, soweit ich mich erinnern kann, auch in indischer Religion Räder, die zum Stillstand kommen…)
  • Dagegen steht ein anderes Welt- und Geschichtsbild, das eher der Mentalität unserer Zeit entspricht: Es gibt kein Ende - und wenn, dann kommt es eben wie es kommt. Lebe dein Leben, schau nicht aufs Ende, tue dein Bestes, was auch immer es ist.

 

Mit der Vorstellung vom Ende ist auch die des Anfangs geknüpft: Gott hat erschaffen - damit fing alles an… bzw. es gab einen Urknall - damit fing alles an… Gott wird das Ende sein - die kosmische Katastrophe wird das Ende sein… (wobei kosmische Katastrophen auch die alte Apokalyptik prägen) - jüdisch-christlicher Tradition entspricht es, sich auf dieses von Gott herbeigeführte Ende vorzubereiten, um ewig bei Gott sein zu können. Modernes Denken versucht, die Katastrophen zu verhindern - wobei auch dieses Denken im Alten Testament vorbereitet wurde: Gott verhindert nationale Katastrophen, wenn sein Volk wieder den Willen Gottes tut; vom neutestamentlichen Denken (im AT angelegt) wurde stärker die Vorstellung inspiriert: Der Mensch muss sich gut verhalten, dann kann er auch eine Art Reich Gottes auf Erden errichten.

Altes griechisches Denken ist eher anfangslos-endelos (freilich ist auch da der Götterbeginn vorhanden und das Weltenfeuer bekannt). Aber: Man denkt nicht soviel nach über das Woher und Wohin. Man lebt seinen Alltag, lebt ihn möglichst gut, lebt in den Tag, tut was man kann, damit man zufrieden ist. Das hat etwas Faszinierendes, etwas Beruhigendes.

Aber was ist mit dem Menschen, dass er einfach weiter denken will? - Naja, was ist mit manchen Menschen, die einfach weiter denken müssen?

 

 

Handeln in der Geschichte

 

Gott und Geschichte: das jüdisch-christliche Geschichtsbild

 

In jüdisch-christlicher Tradition greift Gott in die Geschichte ein, um den Menschen in seiner Geschichte auf den richtigen Weg zu bringen. Zu nennen sind die Zehn Gebote. Wenn der Mensch den Willen Gottes erfüllt, dann läuft die Geschichte reibungslos ab, wenn der Mensch sich gegen Gott wendet, ruft er Katastrophen hervor, die Geschichte wird bedrängend, mörderisch. Wir haben es an dieser Stelle mit einem religiösen Tun-Ergehen-Zusammenhang zu tun: Wer Böses tut, wird Böses bekommen, wenn eine Gesellschaft/ein Herrscher Böses tut, wird die Gesellschaft leiden müssen. Damit der Mensch die Gebote auch einhält, sendet Gott immer wieder Menschen (Propheten, Glaubende), die Gottes Willen einfordern. Menschen kümmern sich häufig nicht darum und müssen aus diesem Grund die Schmerzen, die Geschichte mit sich bringt (Kriege), ertragen. Nach diesen Kriegen geht der Mensch wieder geläutert aus diesem Elend hervor, versucht sich wieder an Gottes Gebote zu halten, das heißt sozial umgänglicher zu sein.

Dieses von Jesus Christus gelöste Geschichtsbild - das aber dicht an alttestamentlichen Vorstellungen gebunden ist - hat vor allem im Mittelalter auch zu großen Ängsten geführt: Wenn es uns heute schlecht geht, dann ist das eine Strafe Gottes - wir müssen alles Böse unter uns ausrotten, vernichten. Und es kam zu sozialen Untaten: gegen Ketzer, gegen Hexen, gegen alle möglichen Menschen, die man als solche ansah, die nicht mit Gottes Willen kompatibel sind.

Auf der anderen Seite der Medaille kümmerte man sich nicht um Gottes vermeintlichen Willen und Menschen bekämpften einander, man schlachtete einander ohne Erbarmen ab, alles drehte sich um Machterhalt. Das bedeutet: der Mensch als Sünder, als einer, der sich von Gott abgewendet hat, der sich darum auch gegen den anderen in einer Kultur des Todes austobt, hat die Oberhand gewonnen.

Die Frage, die sich Christen stellen, ist:

Kann man rückblickend auch in diesen grausamen Geschehnissen irgendwie Gott am Werk sehen?

Kann Geschichte ohne Gott ablaufen?

Macht Gott auch aus dem Schlimmsten, das Menschen einander antun - am Ende doch wieder etwas Gutes?

Zu dem Thema siehe auch: http://evangelische-religion.de/gott-geschichte.html

 

Gott hat den Menschen als freies Wesen erschaffen. Entsprechend gestaltet der Mensch auch seine Geschichte. Gott greift jedoch auch immer wieder ein: http://evangelische-religion.de/krieg-friedenbibel.html

 

 

 

Kein Gott und Geschichte: das säkulare Geschichtsbild

 

Gegen dieses Geschichtsbild ist das säkulare Bild zu stellen. Es gibt keinen Gott, somit auch keinen Willen Gottes, den man befolgen muss. Der Mensch ist auf sich allein gestellt und muss zusehen, wie er Geschichte gestaltet. Manchmal setzen sich aggressive Menschen durch, manchmal sozial eingestellte Menschen. Das Ziel besteht darin, dass man möglichst sozial eingestellte Menschen zusammenführt, damit die Welt besser wird. Bisher haben solche Wege auch zu Katastrophen geführt: Französische Revolution: Alle Menschen der Elite müssen ausgeschaltet werden - die Welt wird gut. Kommunismus: Eigentum muss abgeschafft werden, die Besitzer müssen ausgeschaltet werden, die widerspenstigen Menschen müssen mehr oder weniger gewalttätig umerzogen und der neuen kommunistischen Welt angepasst werden  - die Welt wird gut. Nationalsozialismus: Die arische Rasse muss sich durchsetzen, andere Rassen müssen ihr untergeordnet werden, Juden müssen ausgerottet werden - die Welt wird gut. Manche meinen, der Kapitalismus werde eine gerechte Weltordnung bewirken - purer Kapitalismus führt allerdings auch ins Elend. Gegen all diese negativen Folgen muss man den Verstand einsetzen, damit es besser wird. Doch schon Luther wusste, dass der Verstand die Hure ist, die das liefert, was das Herz/der Wille/die Emotion sich wünscht. Dennoch: Das muss nicht so bleiben, und so ist Geschichte immer eine Herausforderung mit dem Ziel, die im westlichen Sinne interpretierten Menschenrechte durchzusetzen. Dahinter dürfen wir nicht mehr zurück, um nicht der Barbarei zu verfallen.

 

Geschichte ist immer von Menschen gemachte Geschichte. Es gibt keine vom Menschen losgelöste Geschichte. Darum handelt Gott durch den Menschen - und somit kann man aus säkularer Sicht nicht erkennen, dass Gott handelt, weil er durch Menschen handelt. Selbst wenn der glaubende Mensch sein Handeln an Gottes Willen ausrichtet, sagt der säkulare Mensch, da es aus seiner Sicht keinen Gott gibt, ist auch im Handeln des Glaubenden Gott nicht erkennbar. Auch wenn der Glaubende Gottes Handeln in Jesus Christus als ein handeln in der Geschichte versteht, die die Geschichte geprägt und verändert hat, sagt der säkulare Mensch: Das hat nichts mit Gott zu tun - denn Gott gibt's ja nicht - sondern nur mit Menschen, die meinen, dass Gott in die Geschichte eingegriffen habe.

 

 

Schicksal-Götter-Geister: Das Geschichtsbild anderer Religionen und Zeiten

 

Wie sah es vor der jüdisch-christlichen Tradition und den Ideologien aus? Je nachdem: Machtmenschen dominierten, große Reiche entstanden, Gegner wurden erbarmungslos ausgelöscht. Manche litten unter der Grausamkeit der Menschen (Euripides) - aber man empfand alles Geschichtliche eben als Schicksal, als Wille der Götter - es ist halt so, bzw. als Wille Allahs (Islam). Manche versuchten sich vollkommen dem Leiden zu entziehen (Buddhisten), andere hofften, dass sie im nächsten Leben in einer besseren, höheren, elitären Position wiedergeboren werden (Hinduismus), andere suchten die Geister der Vorfahren und die hierarchisch Höherstehenden freundlich zu stimmen (Konfuzius und Schamanismus), andere betonten die Ordnung, die Zeus in die Welt gebracht habe (Stoiker) - und sich dem Wirken des Zeus (als Macht, nicht als menschenähnlicher Gott) entziehen bedeutet, gegen die guten Ordnungen zu agieren.

 

 

Teilhabe am sozialen Miteinander, das Gott will

 

Und hierin treffen sich wieder ein paar heidnische Strömungen mit dem Judentum-Christentum. Die frühen großen Theologen waren stark von den Stoikern beeinflusst. Gottes guter Geist, der Schöpfer und Erhalter, wirkt - und wir Menschen haben an diesem guten Wirken teilzuhaben. Das ist ein bewusster Akt, denn das Gute muss aktiv in der Geschichte umgesetzt werden. Es fällt dem Menschen nicht zu, gut (umfassend sozial) zu handeln. Der Mensch ist eher aggressiv, selbstzentriert bzw. auf Gruppen zentriert veranlagt. Und von hier aus ist der Satz, den Jesus gesagt hat, verständlich: Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich. Wer sich nicht aktiv daran beteiligt, die Liebe umzusetzen, der lässt sich leicht von negativen Kräften hin und her manövrieren.

 

Joseph-Geschichte: Geschichte und Gottes Geschichte

 

Sehr schön zeigt die Josefs-Geschichte in Genesis 37ff. den Unterschied zwischen Menschen-Geschichte und Gottes-Geschichte. Aus der Perspektive der Menschen geschah Folgendes: Josef war ein arrogantes Menschenkind, bevorzugt von seinem Vater. Seine Brüder hassten ihn, verkauften ihn nach Ägypten als Sklaven. Er wurde dann zu einem Stellvertreter des Pharao, weil er klug war und die Zeichen der Zeit zu deuten wusste.

 

Aus der Sicht des Glaubens läuft alles ganz anders ab und wird dann auch von Josef selbst, so die Geschichte, gedeutet. Josef war arrogant usw. - alles, was zuvor gesagt wurde, stimmte. Aber ein wesentlicher Aspekt ist anders: Gott war es, der aus dem fiesen Verhalten von Menschen etwas Lebensrettendes gemacht hat. Er hat in der Begabung des Josef, Träume deuten zu können, die ganze Zeit die Geschichte begleitet und geleitet. Zudem hat Josef, dadurch, dass er den moralischen Vorgaben Gottes treu geblieben ist, mit dazu beigetragen, dass Gott ihn als seinen hilfreichen Boten einsetzen konnte.

 

Welche Deutung der Geschichte stimmt nun?