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Kurzüberblick: Christliche Diakonie
(Auszug aus dem Manuskript: Wolfgang Fenske: Jesus heilt. Jesus und die frühen Christen zum Thema: Krankheit – Tod – Leben.)
"Krankenhäuser‹ gab es in Rom seit ca. 100 v. Chr. für Angehörige der Armee und von manchen Großgrundbesitzern für ihre Sklaven (Valetudinarien). Weil manche Sklaven sehr teuer waren, ließ man diese Auserwählten besonders behandeln. Schon bei den Ägyptern und im griechischen Bereich gab es am Tempel mancher Heilgötter Räume, in denen Kranke Heilung suchten, dort auch eine Zeitlang lebten, wobei Tempelpriester ihnen die Träume auslegten, weil man glaubte, dass durch diese der Gott Asklepios sprechen würde (Asklepieia). Berühmt war der Tempel von Epidauros, von dem noch Votivtafeln Geheilter existieren. In Epidauros gab es eine Herberge mit 160 Zimmern. Vermutlich wurden all diese Menschen von Angehörigen mit Lebensmitteln versorgt. Ob die so genannte Theodotosinschrift in Jerusalem – möglicherweise vor 70 n.Chr. – auf eine Herberge weist, in der besonders kranke Pilger gepflegt worden sind, ist eher unwahrscheinlich:
»Theodotos (…) baute die(se) Synagoge zur Vorlesung des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch das Fremdenhaus und die Kammern und die Wasseranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. (…)« (Ü.: Barrett/Thornton: Texte zur Umwelt des NT, UTB 1591, Nr. 57).
Fassbarer werden Krankenhäuser erst in christlicher Zeit. Sie sind ab jetzt für alle geöffnet. Das älteste bisher bekannte Gebäude stammt aus der Zeit um 350 in Antiochia; Basilius der Große hat 370 einen Ort für Pilger, Arme, Arbeitsunfähige und Kranke ("Basilias" / Xenodochien) in Caesarea bauen lassen, an dem auch medizinische Untersuchungen und Arzt- wie Pflegerausbildungen stattfanden. Es wuchs dann im Grunde zu einer Art Bethel des 4. Jahrhunderts an. 397 gab es ein Krankenhaus in Rom. Um 400 wurde in Edessa ein Frauenkrankenhaus eröffnet und 650 in Konstantinopel ein Krankenhaus für Augenkrankheiten. Im Jahr 420 hatte das Krankenhaus in Ephesus über 75 Betten. Ca. hundert Jahre später hatte das Krankenhaus in Jerusalem 220 Betten – was einen enormen logistischen Kraftaufwand benötigt haben muss. In der Gebetssammlung der altsyrischen Kirche wurden Gemeinden an ihre Pflicht erinnert, Krankenhäuser zu errichten.
Nachdem islamische Heere die christlich geprägten Gebiete besiegt hatten, wurden Krankenhäuser übernommen. Antike Standardwerke (Hippokrates [ca. 460-375 v.Chr.], Galenos [ca. 129-um 200], Oreibasios [325-403]) wurden ins Arabische übersetzt und inspirierten berühmte Mediziner (den Perser/Usbeke Avicenna [ca. 980-1057] und den Perser Rhazes [864-930]) zu eigenen Arbeiten.
Der Hospitaliter-Orden (der Vorläufer des Johanniterordens), arbeitete schon vor den Kreuzzügen in einem Krankenhaus (Hospital zum Heiligen Johannes), das italienische Kaufleute in Jerusalem errichtet hatten. Es wird 1048 erstmals erwähnt und konnte hunderte von Pilgern aufnehmen. Kleinere Stationen und Krankenhäuser wurden in Europa an den Pilgerwegen errichtet. Zur Pflicht machte Benedikt von Nursia mit der Benediktinerregel 37 im Jahr 529 den Mönchen die Pflege der Kranken und begründete damit die ›Klostermedizin‹. Klöster wurden mit Apotheken und Pflegezimmer ausgerüstet. Die Klostermedizin basierte auf Galenos Werk. Der Nachfolger Benedikts, Cassiodor (+ um 580), empfahl den Mönchen unter anderem Hippokrates zu lesen (diese Werke kamen also nicht erst über den Islam nach Europa!). Darüber hinaus: Schon der Sachsenkönig Ina (aus England) ließ 727 in Rom ein Krankenhaus errichten, das sächsischen Pilgern helfen sollte. Es wurde 1024 von Papst Innozenz III. wieder hergestellt (Santo Spirito) (1). Der »St. Gallener Klosterplan« von 830 zeigt Arzthaus und Spital. Das hängt auch damit zusammen, dass auf der Aachener Synode 816 verfügt wurde, dass jedes Kloster in Franken ein Spital haben sollte zur Pflege der Kranken und Alten, Speisung der Armen, Beherbergung von Fremden usw.
Diese Auflistungen könnten durch die weiteren Jahrhunderte weitergeführt werden: die Diakonie (Innere Mission) begann jedoch vor allem in den 30ger Jahren des 19. Jahrhunderts ihre Wirksamkeit (Theodor Fliedner, Johann Hinrich Wichern) nach einzelnen Anfängen, so das Haus für die verwahrloste Jugend durch Johannes Daniel Falk (1813; Weimar) oder das Waisenhaus, 1698 gegründet von August Hermann Francke (Franckesche Stiftungen: Wohnhaus, Schule, Werkstätte; eine Weiterentwicklung der so genannten Armenspitäler und niederländischer Waisenhäuser), als Folge wurde 1747 von dessen Schüler Johann Julius Hecker die erste Realschule gegründet, die praxisorientierte Lehre anbot. Mutter Teresa gründete 1948 in Indien den Orden »Missionarinnen der Nächstenliebe«, der sich um Sterbende, Kranke und Waise kümmert. Von den »Barmherzigen Schwestern« im St. Josephs Hospital in London ging ab 1905 die Hospizbewegung aus: Cicely Saunders, Ärztin am genannten Krankenhaus, gründete dann 1967 das erste Hospiz: St. Christopher´s. Aber auch weitere soziale Einrichtungen können genannt werden, in denen Christen die Not der Mitmenschen aufgenommen haben und zu helfen versuchten: im 17. Jahrhundert forderte der Pfarrer der Brüdergemeine Johann Amos Comenius (+1670) die allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen, Ende des 18. Jahrhunderts gründete der Pfarrer Johann Friedrich Oberlin mit Louise Scheppler die ›Kleinkinderschule‹ – Vorgänger des Kindergartens. 1897 gründete der Prälat Lorenz Werthmann den Caritasverband. 1917 drängte Friedrich Siegmund-Schultze Berlin das erste Jugendamt in Deutschland einzurichten. Mit diesen nur in Auswahl genannten Initiativen wirken christliche Gemeinden bereits auf allen Erdteilen und haben Nachahmer hervorgerufen bzw. wurden die Ansätze dann später von den Staaten übernommen.
Dass man sich auch immer festfahren konnte und Impulse von außen notwendig waren, versteht sich von selbst. (2)
Anmerkungen:
(1) Angeschlossen war auch ein Haus für Findelkinder. Die Schwierigkeit im Umgang mit Findelkindern liegt auf der Hand: Es mussten Ammen vorhanden sein, die das Kind ernährten, da künstliche Ernährung noch nicht möglich war.
(2) Das ist vor allem vom Umgang mit Behinderten zu sagen. Dieser war geprägt von Hilflosigkeit und darum von viel Aberglaube und Gewalt – wie sie schon an der Heilung des Gewalttätigen in Mk 5 deutlich wurde. Fesselungen, Vernachlässigungen, Vertreibungen waren die Regel, selbst als man dazu überging, Behinderte in Heimen unterzubringen, war die Stellung ambivalent. Erst die Erfindung und Anwendung von Psychopharmaka brachte im 20. Jahrhundert einen gewissen zivilisierten Umgang mit Behinderten. Je nach Schwere der Behinderung gab es freilich vorher schon Ansätze, so der Umgang mit ›Taubstummen‹ durch Abbe Charles-Michel de l´Epée und Samuel Heinicke im 18. Jahrhundert.