Historisch-kritische-Exegese – Auslegung der Schriften aus der historischen und kritischen Perspektive

Historisch-kritische Exegese ist ein Kind der Verbindung des Protestantismus mit der Aufklärung. Es geht darum, die Bibel besser zu verstehen, sie aus ihrer Zeit heraus zu verstehen – damit wurden Gegenpositionen eingenommen gegen willkürliche Bibelauslegungen. Andere Religionen tun sich damit noch sehr schwer (wobei es auch in der Evangelischen Kirche immer wieder massive Kritik daran gibt), weil der spirituelle Ertrag gering ist. Die historisch-kritische Exegese hat ein wissenschaftliches Weltbild und versucht, alles wissenschaftlich zu eruieren, während das Weltbild der Religionen eher ein spirituelles ist: Nicht geht es darum, was kann ich aus irgendwelcher Perspektive heraus als korrekt interpretieren, sondern: Wie kann ich meine Beziehung zu Gott/Göttern/Geistern verbessern. Historisch-kritische Exegese hat jedoch auch Bedeutung für die Frage nach dem Verhältnis des Glaubenden zu Gott, kann es streckenweise sogar vertiefen. Das wird auf den kommenden Seiten an bestimmten Themen besonders dargestellt.

Vorher noch ein paar Bemerkungen:

  • Der Koran wird als Allahs Wort angesehen, dem Mohammed durch den Engel Gabriel diktiert wurde. Von daher darf der Koran vom Islam her gesehen, nicht historisch-kritisch ausgelegt werden (was sich freilich auf Dauer zumindest in Europa und den USA nicht vermeiden lässt – und wenn es durch christliche Exegeten geschieht).
  • Buddhistisch/Hinduistische heilige Schriften sind für Europäer sehr kompliziert, werden darum nur in kleinen Teilbereichen historisch-kritischer Exegese unterzogen. Ob Buddhisten/Hindus das selbst bewerkstelligen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wie verstehen Christen aus der Perspektive der historisch-kritischen Exegese die Aussage:

„Die Bibel ist Gottes Wort“?

Gott spricht durch Menschen, aber die Menschen bleiben immer sie selbst, mit ihren Ängsten, Vorlieben, Gedanken. Worte, die sie überliefert haben, können einem anderen zu Gottes Wort werden – und je mehr man sich mit diesen Texten beschäftigt, desto mehr sieht man die Besonderheit, die Herausforderung dieser Texte an: Sie lenken Menschen auf ganz neue Bahnen… Grundsätzlich hat die Bibel jedoch eine andere Stellung als der Koran, denn für Christen ist Jesus Christus das Wort Gottes (Johannesevangelium Kapitel 1). Das bedeutet: Das Wort ist nicht in einer schriftlichen Überlieferung fixiert, sondern lebendig. Freilich auch von der schriftlichen Überlieferung nicht gänzlich losgelöst, weil durch sie Jesus als Wort Gottes bekannt wird. Von hier aus gesehen fällt es Christen leichter, die Bibel historisch-kritisch zu lesen.

Vgl. die „Barmer-Theologische-Erklärung: http://www.evangelische-religion.de/bekenntnisse.html